Arzneimittel und Therapie

Durchbruch für Abatacept in den USA

Orencia® ist die erste zugelassene Prophylaxe gegen Graft-Versus-Host-Disease

Bristol Meyers konnte in den USA die Zulassung seines in der Therapie der rheumatischen Arthritis bewährten Orencia® erweitern: Künftig kann Abatacept dort als Prophylaxe der Graft-Versus-Host-Disease (GVHD) bei Patienten nach einer Stammzelltransplantation eingesetzt werden.

Die Stammzelltransplantation ist vor allem in der Krebstherapie von großer Bedeutung, stellt sie doch häufig die einzige Option auf Heilung dar. Die allogene hämatopoetische Zelltransplantation ist eine wirksame Behandlung für aggressive hämatologische Malignome. Einen passenden Spender zu finden, ist allerdings nicht immer leicht. Eine Spende ist nur von einem gewebekompatiblen Spender (Humanes Leukozytenantigen, HLA) möglich. Die besten Chancen bestehen in der Regel bei Spenden von Verwandten ersten Grades (Geschwistern, ­Eltern, Kindern). Hier liegt die Wahrscheinlichkeit für eine komplette Übereinstimmung etwa 25%. Bei Patienten ohne HLA-verwandte Spender können aber auch über Spenderdateien geeignete, nicht verwandte Spender gefunden werden.

Foto: DreamLand Media/AdobeStock

Den Breakthrough-Status, der eine beschleunigte Zulassung in den USA ermöglicht, erhalten Arzneimittel, die in vorläufigen klinischen Studien wesentliche Vorteile gegenüber bestehenden Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit schweren oder lebensbedrohlichen Krankheiten bieten konnten.

Achtung, Abstoßungsgefahr!

Eine Stammzelltransplantation birgt allerdings auch immer die Gefahr, dass das Immunsystem des Empfängers trotz aller Vorkehrungen die transplantierten Zellen als fremd erkennt und es zu einer Abstoßungsreaktion kommt. Die akute Graft-Versus-Host-Disease (aGVHD, Transplantat-gegen-Empfänger-Erkrankung) ist eine potenziell tödliche Komplikation, die nach etwa 30% bis 60% aller allogenen peripheren Stammzelltransplantationen (Blutstammzellen, Nabelschnurblut oder Knochenmark) auftritt (s. Kasten „Angriff der T-Zellen“). Das Risiko ist dabei für Empfänger von nicht verwandten Spendern deutlich höher als von verwandten.

Entscheidend für die Prognose ist eine gute medikamentöse Prophylaxe, die aktuell durch eine Kombination verschiedener Immunsuppressiva erfolgt (s. Kasten) [1]. Arzneimittel, die speziell zur Vorbeugung einer akuten Graft-Versus-Host-Disease zugelassen sind, gibt es bisher keine. Der Bedarf an neuen Therapeutika ist also groß. Seit Mitte Dezember steht nun in den USA mit Abatacept (Orencia®) ein Arzneimittel für die Prophylaxe zur Verfügung, nachdem die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) der Zulassungserweiterung zugestimmt hatte [2].

Angriff der T-Zellen

Die Graft-Versus-Host-Disease ist eine systemische entzündliche Erkrankung, die sich bevorzugt im Darm, der Haut und der Leber manifestiert. Sie trägt zu 15% bis 30% der Todesfälle nach einer Stammzelltransplantation bei. Eine akute Graft-Versus-Host-Reaktion tritt auf, wenn die T-Zellen des Spenders sich gegen das Gewebe des Empfängers richten. Die bisherige medikamentöse Standardprophylaxe besteht aus einer immunsuppressiven Kombination aus Ciclosporin oder Tacrolimus mit Methotrexat oder Mycophenolat. In besonderen Fällen erfolgt zusätzlich eine Transfusion mit Anti-T-Zell-Immunglobulinen. Die Intensität und Dauer der GVHD-Prophylaxe wird angepasst an den Remissionsstand der Grunderkrankung, das Alter des Empfängers und den Grad der HLA-Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger [1].

T-Zell-Aktivierung als Target

Die der Graft-Versus-Host-Disease zugrunde liegende T-Zell-Aktivierung ist der Angriffspunkt von Abatacept: Das Biologikum ist ein Fusionsprotein aus dem Fc-Teil von humanem IgG-1 und der extrazellulären Domäne von humanem CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated Protein 4), einem Oberflächenprotein auf T-Zellen, das an der Immunregulation beteiligt ist. Durch diese CTLA-4-Domäne kann Abatacept an CD-80 und CD-86 von antigenpräsentierenden Zellen binden. Dies führt zur Blockade der CD-28-vermittelten Kostimulation von T-Zellen. Und ohne T-Zell-Antwort keine Entstehung einer Graft-Versus-Host-Disease [3, 4].

In Europa ist Abatacept in Kombination mit Methotrexat zur Therapie der rheumatoiden Arthritis, der Psoriasis-Arthritis und der polyartikulären juvenilen idiopathischen Arthritis ­zugelassen. Die Idee, Abatacept bei der Graft-Versus-Host-Disease einzusetzen, gibt es schon länger. Bereits 2013 erschienen Publikationen über In-vivo-Versuche [5].

Höhere Überlebensrate

Grundlage für die nun erfolgte Zulassungserweiterung in den USA waren die Ergebnisse von zwei Studien, die die Sicherheit und Wirksamkeit von Abatacept in Kombination mit einer immunsuppressiven Therapie bei Patienten ab sechs Jahren, die sich einer Stammzelltransplantation von einem passenden oder nicht passenden nicht verwandten Spender unterzogen haben, untersucht und belegt haben [2].

Bei der ersten Studie (GVHD-1) handelte es sich um eine doppelblinde, placebokontrollierte klinische Studie mit 186 Patienten, die sich einer Stammzelltransplantation von einem passenden, nicht verwandten Spender unterzogen und entweder Abatacept oder Placebo jeweils in Kombination mit der klassischen immunsuppressiven Arzneimittelkombination erhielten. Gemessen wurde das Überleben ohne schwere akute Graft-Versus-Host-Disease (Grad III bis IV), das Gesamtüberleben und das Überleben ohne mittelschwere akute Graft-Versus-Host-Disease (Grad II bis  IV) sechs Monate nach der Transplantation. Das Überleben bei schwerer akuter Graft-Versus-Host-Disease bei Patienten der Abatacept-Gruppe war im Vergleich zu Patienten der Placebogruppe nicht signifikant besser (87% vs. 75%). Ganz anders war es bei der Gesamtüberlebensrate der Patienten, die Abatacept erhielten. Diese lag bei 97% im Vergleich zu 84% bei Patienten der Placebogruppe. Die Überlebensrate ohne mittelschwere akute Graft-Versus-Host-Disease lag unter Abatacept bei 50% verglichen mit 32% bei den Patienten, die ein Placebo erhalten hatten [2].

Real-World-Daten überzeugen

Weitere Belege für die Wirksamkeit lieferte die GVHD-2-Studie, eine register-basierte klinische Studie, die anhand von realen Daten (Real World Evidence) des Center for International Blood and Marrow Transplant Research durchgeführt wurde. In dieser Studie wurden Daten von insgesamt 246 Patienten analysiert, die eine Stammzelltransplantation von einem nicht verwandten Spender erhielten. In die Verum-Gruppe flossen die Daten von 54 Patienten, die Abatacept zur Vorbeugung der akuten Graft-Versus-Host-Disease in Kombination mit immunsuppressiven Standardmedikamenten erhielten. In die Vergleichsgruppe wurden Daten von 162 Patienten eingeschlossen, die nur mit immunsuppressiven Standardmedikamenten behandelt wurden. Primärer Endpunkt war auch hier das Gesamtüberleben sechs Monate nach der Transplantation. Die Ergebnisse sind deutlich: Bei den mit Abatacept behandelten Patienten lag die Ge­samtüberlebensrate bei 98% im Vergleich zu 75% bei Patienten, die nur die Standard-­Immunsuppression erhalten hatten [2].

Auf Virusinfektionen achten

Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörten Anämie, Bluthochdruck, Reaktivierung des Zytomegalie-­Virus(CMV)/CMV-Infektion, Fieber, Lungenentzündung, Nasenbluten, verringerte Werte der CD4-Lymphozyten, erhöhte Magnesium-Werte im Blut und akute Nierenschäden. Patienten, die Orencia® erhalten, sollten gemäß den institutionellen Praktiken auf eine Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus überwacht werden und vor Beginn der Behandlung und sechs Monate lang nach der Transplantation eine vorbeugende Medikation gegen eine Epstein-Barr-Virus-Infektion erhalten. Die Patienten sollten außerdem sechs Monate lang nach der Transplantation auf eine CMV-Infektion/Reaktivierung überwacht werden [2].

Mehrfach ausgezeichnet

Abatacept erhielt von der FDA für diese Indikation den Status eines bahnbrechenden Medikaments (Breakthrough), eines Arzneimittels für seltene Leiden (Orphan Drug) und eines vorrangig zu prüfenden Medikaments (Priority Review). Durch die Aussicht auf eine bessere GVHD-Prophylaxe können sich künftig deutlich mehr ­Patienten erfolgreich und mit weniger Komplikationen einer Knochenmark- oder Stammzellentransplantation unterziehen [2]. Auf Nachfrage der DAZ wollte sich Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA nicht bezüglich einer Zulassungserweiterung von Abatacept in Europa äußern. |

Literatur

[1] Zeiser R et al. Graft-versus-Host-Erkrankung, akut. Leitlinie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Hämatopoetische Stammzelltransplantation und Zelluläre Therapie e. V., Stand 2021

[2] FDA Approves First Drug to Prevent Graft Versus Host Disease. Pressemitteilung der U.S. Food and Drug Administration, 15. Dezember 2021

[3] Watkins B et al. Phase II Trial of Costimulation Blockade With Abatacept for Prevention of Acute GVHD. J Clin Oncol 2021;39(17):1865-1877

[4] Ngwube A et al. Abatacept is effective as GVHD prophylaxis in unrelated donor stem cell transplantation for children with severe sickle cell disease. Blood Adv 2020;4(16):3894-3899

[5] Koura DT et al. In vivo T cell costimulation blockade with abatacept for acute graft-versus-host disease prevention: a first-in-disease trial. Biol Blood Marrow Transplant 2013;19(11):1638-1649

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi, MPH

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