Die Seite 3

Doppelte Belastung

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

In der vorigen Woche wurden Apotheken und Pharmaindustrie durch den Entwurf für ein Spargesetz aufgeschreckt. Beim ApothekenRechtTag hat Thiemo Steinrücken, Apotheker und Referatsleiter im Bundesgesundheitsministerium, die Pläne etwas relativiert. Der Entwurf sei in diesem Stadium nicht für die Öffentlichkeit gedacht gewesen. Er werde noch bearbeitet. Ein Dementi ist das aber nicht. Vielmehr bestätigte er, dass es kurzfristig ein Gesetz zur Stabilisierung der GKV-Finanzen geben werde.

Der durchgesickerte Plan umfasst einen Steuerzuschuss von fünf Milliarden Euro für die Krankenkassen sowie massive Sparmaßnahmen bei Apotheken und bei der Pharmaindustrie. Die Sparpläne widersprechen allen Erfahrungen aus der Pandemie. So oft wurde beteuert, dass das Gesundheitswesen nicht kaputtgespart werden darf. So sehr wurden die Apotheken für ihr Engagement und ihre Flexibilität gelobt. Doch das alles scheint vergessen. Als wäre das nicht schlimm genug, enthält der bisher bekannte Plan sogar eine besonders schwere Doppelbelastung für die Apotheken. Der Kassenabschlag soll für zwei Jahre auf 2 Euro erhöht werden. Mit diesem alten Sparinstrument verbinden die Apotheker unangenehme Erinnerungen. Der erhöhte Kassenabschlag im Rahmen des AMNOG hat 2011 und 2012 zu einem geradezu historischen Einbruch in den Wirtschaftszahlen der Apotheken geführt. Zusätzlich soll nach dem vorliegenden Plan ab 2023 die Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf sieben Prozent sinken. Das ist als Entlastung für die Krankenkassen gedacht. Der Folgeschaden für die Apotheken wird in der Begründung überhaupt nicht thematisiert und wurde möglicherweise zunächst übersehen. Doch das Ergebnis wäre eine Rekordbelastung der Apotheken. Mehr Kassenabschlag und weniger Mehrwertsteuer zusammen würden den Rohertrag der Apotheken um 38 Cent netto pro GKV-Rx-Packung senken. Sogar beim AMNOG betrug die Belastung „nur“ 30 Cent brutto je Packung.

Es macht sich wohl kaum jemand bewusst, dass sich Apotheken und Staat den Kassenabschlag teilen, weil er als Bruttobetrag formuliert ist. Mit einem geringeren Mehrwertsteuersatz sinkt der Anteil des Fiskus. Der Staat wälzt seine Finanzierungslast damit zum Teil auf die Apotheken ab. Vermutlich ist das nicht die Intention bei der Mehrwertsteuersenkung, aber so funktioniert der Kassenabschlag nun einmal. Die Steuersenkung hat eine schwere Nebenwirkung und wird dadurch zur Belastung für die Apotheken. Wenn die Mehrwertsteuer sinkt, wäre daher eine Kompensation für die Apotheken gefragt, um sie von dieser problematischen Folge zu entlasten. Das müssen die Apotheker jetzt deutlich machen. Möglicherweise hat die Politik noch ein Einsehen.

Unabhängig davon kommt die Apothekenhonorierung vermutlich im Herbst erneut auf die Tagesordnung. Beim ApothekenRechtTag hat Steinrücken erläutert, dass beim angekündigten Umbau des Nacht- und Notdienstfonds zu einem Sicherstellungsfonds auch eine Umverteilung von Honoraren zwischen den Apotheken denkbar ist. Die Honorardebatte ist also eröffnet, aber bisher läuft sie in die falsche Richtung. Gefragt ist mehr Geld für das System. Statt um den Erhalt der Existenzgrundlage muss es um konstruktive Zukunftsperspektiven gehen.

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