Arzneimittel und Therapie

Mönchspfeffer ist die Arzneipflanze 2022

Phytotherapeutikum der Frauenheilkunde im Fokus

dab | Seit 1999 kürt der interdisziplinäre Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ am Würzburger Institut für Geschichte der Medizin die „Arzneipflanze des Jahres“. Für das Jahr 2022 fiel die Wahl auf den Mönchspfeffer. Zahlreiche Präparate sind für die Indikationen Regeltempoanomalien, prämenstruelles Syndrom und Mastodynie zugelassen. Die Historie liefert Hinweise auf weitere Anwendungsgebiete.

Vitex agnus-castus ist unter vielen Namen bekannt, wie Pfefferstrauch, Keuschlamm oder Keuschbaum. Letztere Bezeichnung hat ihren Ursprung in der griechischen Mythologie: Die Götter Hera und Zeus verbanden sich in einer „heiligen Hochzeit“ unter einem Keuschbaum. Später wurden die griechischen Begriffe agnus und castus, für verehrt, heilig und keusch, im christlichen Sinne auf das reine Lamm Gottes bezogen. Daher auch der Name Keuschlamm. Der den Lippenblütlern (Lamiaceae) zugeordnete Strauch ist im Mittelmeerraum beheimatet, findet sich aber auch in Südwestasien. Er besitzt hellbraune, vierkantige, leicht behaarte Zweige mit handförmig gefingerten Blättern und von Juli bis August Blütenstände in weiß, rosa, blau bis violett. Die zu den Steinbeeren gehörenden Früchte sind bräunlich bis rötlich-schwarz, erinnern an Pfefferkörner und wurden schon in Klöstern zum Würzen verwendet.

Foto: spline_x/AdobeStock

Historische Bedeutung

In der Antike und später im Mittel­alter wurden die Keuschlammfrüchte als Anaphrodisiakum eingesetzt. Sie sollten also das sexuelle Verlangen mindern. Eine andere Anwendung war die zur Anregung der Milchbildung, was aufgrund des Prolactin-senkenden Effekts unplausibel scheint. Diese Wirkung könnte zwar dosisabhängig sein, hierzu fehlen allerdings klinische Studien.

Heutige Anwendung

Arzneimittel mit Mönchspfeffer-Extrakten werden bei Regeltempoanomalien (Poly-, Oligo- und Amenorrhö), prämenstruellem Syndrom und Mastodynie angewendet. Vor der Einnahme sollte eine in der Apotheke Rat suchende Patientin Spannungs- und Schwellungsgefühle in der Brust oder Störungen der Regelblutung ärztlich abklären lassen. Die Einnahme erfolgt einmal täglich und sollte mindestens über drei Monats­zyklen erfolgen. Kontraindikationen für die Anwendung sind Schwangerschaft, Stillzeit, Hypophysen­störung oder -tumor, Mammakarzinom, sowie Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder Hilfsstoffe. Als unerwünschte Wirkungen können Magen-Darm-Beschwerden, (allergische) Hautreaktionen (z. B. Urtikaria), Juckreiz, Kopfschmerzen, Akne und Zyklusunregelmäßigkeiten vorkommen. Schwere allergische Reaktionen mit Gesichtsschwellung, Dyspnoe und Schluckbeschwerden sind möglich.

Wirkweise und Evidenz

Der Wirkmechanismus beruht auf der Stimulation dopaminerger D2-Rezep­toren in der Hypophyse, wodurch die Prolactin-Freisetzung gehemmt wird. Liegt eine pathologisch verkürzte Lutealphase vor, kann sich diese durch die Hemmung normalisieren. Die Wirkung wird vor allem den Diterpenen und dem lipophilen Flavon Casticin zugeschrieben. Sie tritt erst nach mehreren Tagen ein. Laut der Fachinformationen verschiedener Mönchspfeffer-haltiger Präparate wurde sie bisher nicht humanpharmakologisch, sondern nur in Tierexperimenten belegt.

Zahlreiche klinische Studien haben sich mit dem prämenstruellen Syndrom (PMS) und dem Einsatz von Mönchspfeffer-Extrakten beschäftigt. Dieser Symptomkomplex, der in der zweiten Zyklushälfte auftritt, umfasst körperliche und psychische Beschwerden wie Schmerzen, Abgeschlagenheit, Übelkeit, Reizbarkeit, Überempfindlichkeit und depressive Verstimmung. In einer Metaanalyse von 2019 wurden dazu kontrollierte, randomisierte, doppelblinde Studien ausgewertet. Es zeigte sich eine Überlegenheit von ­Agnus-castus-Extrakten gegenüber Placebo, aber gleichzeitig wiesen die Autoren darauf hin, dass weitere qualitativ hochwertige Studien nötig seien. Denn nur drei von 21 Studien entsprachen den Kriterien und konnten in die Analyse eingeschlossen werden. Für die Off-Label-Anwendungen bei Regelschmerzen und Wechseljahrs­beschwerden gibt es keine Evidenzgrundlage. |

Literatur

[1] Uehleke B, Puchtler E. Mönchspfeffer ist Arzneipflanze des Jahres 2022. Information des Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde. 9. Dezember 2021

[2] Teuscher E, Lindequist U, Melzig MF et al. Biogene Arzneimittel. Lehrbuch der Pharmazeutischen Biologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2020;8:205-206

[3] Fachinformationen der Präparate Femicur® N, Agnucaston®, Agnus Castus AL und Agnolyt® Madaus Tinktur aus Keuschlammfrüchten

[4] Bruhn C. Plagende Tage – Symptom-orientierte Beratung bei Menstruationsbeschwerden. DAZ 2019;16:40-45

[5] Csupor D, Lantos T, Hegyi P et al. Vitex agnus-castus in premenstrual syndrome: A meta-analysis of double-blind randomised controlled trials. Complementary Therapies in Medicine 2019;47:102190 doi.org/10.1016/j.ctim.2019.08.024

[6] Neubeck M. Evidenzbasierte Selbstmedikation. Deutscher Apotheker Verlag 2021;5:266, 388

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