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Pädiatrie

Früh erkennen und gegensteuern

Strategien gegen Typ-1-Diabetes bei Kindern

Diabetes mellitus Typ 1 ist die häufigste chronische Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter, mit einer schnell steigenden Inzidenz. Circa eins von 250 Kindern entwickelt einen Typ-1-Diabetes, bei erhöhtem genetischem Risiko ist sogar eins von zehn Kindern betroffen. Sie leiden an einer Fehlfunktion des Immunsystems, mit der Folge, dass die Insulin-produzierenden Betazellen in den Langerhans Zellen der Bauchspeicheldrüse angegriffen und zerstört werden. Der Blutglucose-Spiegel kann dann nur durch die Gabe von Insulin kontrolliert werden, wobei gesundheitliche Langzeitschäden trotz guter Einstellungen häufig nicht zu vermeiden sind. Typ-1-Diabetes ist derzeit nicht heilbar. Risiko-Screening und Früherkennungstests erlauben jedoch die Entwicklung von Strategien, mit denen die Manifestation der Erkrankung verhindert oder zumindest verzögern werden kann. / Von Luisa Sachs und Katharina Warncke

Lernziele

In diesem Beitrag erfahren Sie unter anderem:

  • welche aktuellen Erkenntnisse zur Entstehung und Prävention des Diabetes mellitus Typ 1 vorliegen,
  • wie die Diagnose gestellt wird,
  • welche Therapiemöglichkeiten es gibt,
  • wie hypo- und hyperglykämische Episoden reduziert werden können,
  • welche Komplikationen bei der Insulin-Therapie auftreten können,
  • welche Vor- und Nachteile eine Insulinpumpen-­Therapie hat,
  • wie der Blutzuckerspiegel kontinuierlich kontrolliert werden kann,
  • wie die Compliance der Kinder erhöht werden kann

Dem Typ-1-Diabetes liegt ein Autoimmunprozess zugrunde, bei dem die Insulin-produzierenden Beta-Zellen des Pankreas durch autoreaktive T-Zellen zerstört werden. Sind mehr als 80% dieser Zellen vernichtet, kommt es durch den Insulin-Mangel zur Entgleisung der Blutglucose-Werte und damit zum Ausbruch des Typ-1-Diabetes.

Diabetes mellitus Typ 1 tritt in der Normalbevölkerung mit einer Häufigkeit von 0,3 bis 0,4% auf. Sind die eigene Mutter oder der Vater von der Erkrankung betroffen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für das Kind auf rund 3%, beziehungsweise rund 5%. Ein Risiko von 25% besteht, wenn zwei nahe Verwandte Typ-1-Diabetes haben – beispielsweise Mutter und Vater oder Mutter und Geschwisterkind. Aber auch ohne Betroffene in der Verwandtschaft findet man genetische Veranlagungen und die Entwicklung der Autoimmunität. Bisher konnten mehr als 60 Genloci identifiziert werden, die zur Entstehung des Typ-1-Diabetes beitragen können. Um das Risiko für die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes zu bestimmen, wird daher in der Forschung eine Kombination aus den Faktoren der Genvarianten und familiären Vorbelastungen herangezogen.

Der Autoimmunprozess kann jedoch nicht alleine durch eine genetische Prädisposition initiiert werden, ein Zusammenspiel mit Umweltfaktoren ist entscheidend. Die genaue Interaktion zwischen Genetik und Umwelt ist bis heute noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch Assoziationen zwischen Infektionen und der Ernährung im frühen Säuglingsalter [1].

Diagnose Typ-1-Diabetes häufig erst bei schwerwiegenden Komplikationen

Die Symptome einer Typ-1-Diabetes-Erkrankung äußern sich mitunter durch ein starkes Durstgefühl, häufiges Wasserlassen, einer ungewollten Gewichtsabnahme, Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Die Diagnose wird jedoch häufig erst anhand einer schweren Stoffwechselentgleisung, der dia­betischen Ketoazidose, gestellt. In diesem Stadium ist die Krankheit bereits so weit vorangeschritten, dass die Körperzellen als Folge eines absoluten Insulin-Mangels nicht mehr ausreichend mit Glucose versorgt werden können. Um den daraus resultierenden Energiemangel zu decken, werden vermehrt Fettsäuren abgebaut, welche wiederum das Blut durch die gebildeten Ketonkörper Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat übersäuern. Dieser Zustand der diabetischen Ketoazidose kann unbehandelt zu einem lebens­bedrohlichen diabetischen Koma führen. Um solch schwerwiegende Komplikationen bei Kindern und Jugendlichen zu vermeiden, sind Maßnahmen zur Früherkennung daher von immenser Bedeutung.

Inselautoantikörper als frühe diagnostische Marker des Autoimmunprozesses

Eine gestörte Glucose-Toleranz kann erst diagnostiziert werden, wenn bereits der Großteil der Insulin-produzierenden Betazellen in ihrer Funktion beeinträchtigt sind. Die Autoimmunerkrankung lässt sich jedoch im Frühstadium des Typ-1-Diabetes bereits im Säuglings- und Kleinkindalter (zwischen sechs Monaten und drei Jahren) durch gegen Beta­zell-Antigene gerichtete Autoantikörper im Blut nachweisen, lange bevor der Glucose-Stoffwechsel beeinträchtigt ist oder Symptome auftreten. Autoantikörper können allerdings in jedem Alter, also auch jenseits des Kleinkindalters entstehen. Diese Autoantikörper sind die derzeit bedeutendsten diagnostischen Marker, um die zugrunde liegende Autoimmunreaktion zu erkennen und im Verlauf zu beobachten. Die wichtigsten Autoantikörper sind dabei

  • Insulinautoantikörper (IAA),
  • Antikörper gegen das insulinomassoziierte Antigen 2 (IA-2A),
  • Glutamatdecarboxylase-Autoantikörper (GADA) und
  • Zinktransporter-8-Autoantikörper (ZnT8A).

Wenn zwei oder mehr Autoantikörper im Blut nachgewiesen werden können, während das Kind (noch) keine Symptome und einen normalen Glucose-Stoffwechsel aufweist, gilt das Fortschreiten der Erkrankung als sicher – man spricht vom Frühstadium des Typ-1-Diabetes oder Stadium 1. Das Stadium 2 beschreibt das Vorliegen von zwei oder mehr Autoantikörpern sowie zusätzlich erhöhte Nüchternglucose-Werte oder eine gestörte Glucose-Toleranz. Stadium 3 beschreibt den neu manifestierten Diabetes mellitus Typ 1 mit klinischen Symptomen (z. B. starkem Durstgefühl) [2].

Gleichermaßen bedeutet die Abwesenheit der Autoantikörper bei genetischer Prädisposition ein geringeres Manifestationsrisiko der Erkrankung: Treten keine Anti­körper auf, ist das Risiko deutlich geringer und reduziert sich mit jedem Jahr weiter, in dem keine Autoantikörper auftreten [3].

Früherkennung durch Immundiagnostik und Risiko-Screening

Als Früherkennungsmaßnahme für Typ-1-Diabetes können die Inselautoantikörper bei Kindern in den ersten Lebensjahren bestimmt werden. Außerdem kann mit einem Screening bei Neugeborenen das Risiko untersucht werden, an Typ-1-Diabetes zu erkranken. Beide Ansätze ermöglichen die ­frühe Identifizierung gefährdeter Kinder, sodass diese regelmäßig untersucht, an präventiven Konzepten teilnehmen und im Bedarfsfall rechtzeitig behandelt werden können.

Basierend auf der Bestimmung von Inselautoantiköpern wurden in Deutschland verschiedene Programme zur Typ-1-­Diabetes-Früherkennung ins Leben gerufen. Durch die Abnahme einer kleinen Menge Kapillarblut (circa 200 μl) können die Antikörper, im Rahmen von gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen oder anderen Kinderarztbesuchen, bestimmt werden. Ein erstes bevölkerungsweites Screening konnte bereits eine deutliche Reduktion der Ketoazidose-­Rate durch den frühen Nachweis des Typ-1-Diabetes zeigen [4]. Derzeit wird im Rahmen der Fr1da-plus-Studie „Typ-1-­Diabetes: Früh erkennen – Früh gut behandeln“ allen Eltern in Bayern angeboten, ihre Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren kostenlos auf Diabetes mellitus Typ 1 testen zu lassen. In Niedersachsen und Hamburg wird im Rahmen der „Fr1da im Norden-Initiative“ Kindern zwischen 1,75 und zehn Jahren ein kostenloses Screening für Typ-1-Diabetes angeboten.

Eine weitere Früherkennungsmaßnahme bildet die Freder1k-Studie, welche durch die europäische Initiative GPPAD (Global Platform for the Prevention of Autoimmune Diabetes) ins Leben gerufen wurde. Mithilfe einer kleinen Blutprobe können Neugeborene aus Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen im Alter von bis zu sieben Tagen kostenfrei auf ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes getestet werden. Zur Bestimmung des Diabetes-Risikos der Kinder werden neben bekannten Risikogenen auch Vor­erkrankungen in der Familie berücksichtigt. Dieser Früh­erkennung liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass Kinder innerhalb der ersten sechs Jahre mit einem erhöhten Risiko von 10% Inselautoantikörper und Diabetes mellitus Typ 1 entwickeln, wenn

  • sie einen bestimmten Genotyp (HLA DR3/DR4-DQ8 oder DR4-DQ8/DR4-DQ8) und einen genetischen Risiko-Score von > 14,4 haben, ohne dass ein erstgradig Verwandter an Typ-1-Diabetes leidet oder
  • wenn sie einen bestimmten Genotyp (HLA DR4-DQ8), keines der protektiven Allele DRB15*1501 oder DQB1*0503 und einen erstgradig Verwandten mit Typ-1-Diabetes haben [5].

Primär- und Sekundärpräventionsmaßnahmen

Werden durch die Früherkennungsmaßnahmen des Risiko-Screenings oder der Immundiagnostik gefährdete Kinder identifiziert, gibt es derzeit verschiedene Ansätze zur Prävention des Typ-1-Diabetes. Während Primärpräventionsmaßnahmen bei erhöhtem Risiko die Entstehung des Diabetes zu verhindern versuchen, zielen Sekundärpräventionsmaßnahmen nach dem Nachweis von Inselautoantikörpern darauf ab, das Voranschreiten der Krankheit zu verhindern oder zu verzögern.

Die europäische Initiative GPPAD initiierte mit Point (Primary Insulin Trial) eine Studie zur Primärprävention des Typ-1-Diabetes. Im Rahmen dieser Studie erhalten Kinder ab vier Monaten und einem 10%igen Risiko für die Erkrankung ein hochdosiertes Insulin-Pulver zur Erzeugung einer Immuntoleranz, noch bevor es zur Bildung von Inselautoantikörpern kommt. Dass ein solches Training des Immunsystems mit Insulin-Pulver gelingen kann, wurde in einer Vorstudie – der Pre-POInT-Studie – bereits gezeigt [6]. Die Rekrutierung für diese Studie wurde im Frühjahr 2021 abgeschlossen. Seitdem können Kinder bis zu einem Alter von sechs Wochen mit einem 10%igen Risiko für Typ-1-Diabetes an der ebenfalls von GPPAD initiierten SINT1A-Studie (Supplementation with B. infantis for Mitigation of Type 1 Diabetes Autoimmunity) teilnehmen. Eine tägliche orale Gabe des Probiotikums Bifidobacterium infantis bis zum zwölften Lebensmonat soll die Darmflora der Kinder so beeinflussen, dass das Immunsystem positiv reguliert und die Entstehung des Typ-1-Diabetes verhindert wird. Um im Stadium 1 des Typ-1-Diabetes (Nachweis von mindestens zwei Inselautoantikörper bei normalen Glucose-Werten) das Voranschreiten des Diabetes zu verhindern oder zu verzögern, wird in der Fr1da Insulin-Interventionsstudie Kindern für ein Jahr täglich oral hochdosiertes Insulin verabreicht. In einem mehrjährigen Follow-up wird die Immunantwort und die Entwicklung des Diabetes untersucht.

Tab. 1: Ätiologische Klassifikation des Diabetes mellitus(nach [11])
Diabetestyp
ältere Bezeichnungen
Diabetes mellitus Typ 1
  • immunologisch bedingt
  • idiopathisch (selten)
juveniler Diabetes, insulinabhängiger Diabetes mellitus (IDDM)
Diabetes mellitus Typ 2
Altersdiabetes, nichtinsulinabhängiger Diabetes mellitus (NIDDM)
andere spezifische Diabetes-Typen
infolge von
  • monogenetischen Defekten der B-Zell-Funktion (MODY-Diabetesformen),
  • genetischen Defekten der Insulin-Wirkung,
  • Erkrankungen des exokrinen Pankreas (z. B. Pankreatitis, zystische Fibrose),
  • Endokrinopathien (z. B. Cushing-Syndrom),
  • Chemikalien oder Arzneimitteln (z. B. Glucocorticoiden, Pentamidin)
Gestationsdiabetes (GDM)
Schwangerschafts­diabetes

Behandlung von Diabetes mellitus Typ 1

Nach Diagnosestellung werden die Kinder und Jugend­lichen, gegebenenfalls gemeinsam mit einem Elternteil, stationär aufgenommen und behandelt. Die Behandlung besteht aus einer medikamentösen Therapie mit Insulin (dies ist aktuell das einzig zugelassene Arzneimittel für Kinder mit Typ-1-Diabetes) sowie einer Diabetes- und Ernährungsschulung. Die Patienten und ihre Eltern erlernen die Grundlagen der Erkrankung, das Berechnen des Kohlenhydrat­gehalts der Nahrungsmittel, die Durchführung der Blutglucose-Messung (bei pädiatrischen Patienten im Durchschnitt fünf bis sechs Blutzuckermessungen am Tag) sowie die Verab­reichung von Insulin. Insulin kann im Rahmen einer intensivierten Therapie mit Insulin-Pens oder mit Insulin-Pumpen appliziert werden. Die Blutzuckermessung erfolgt in der Regel zunächst kapillär. Inzwischen werden allerdings auch kontinuierliche Mess-Systeme standardmäßig eingesetzt.

Intensivierte Insulin-Therapie mit Pens

Bei der intensivierten Insulin-Therapie (ICT) werden Normal-Insulin oder ein schnell wirkendes Insulin-Analogon mit einem Langzeit-Insulin kombiniert. Damit soll die physiologische Insulin-Ausschüttung nachgeahmt werden. Der basale Insulin-Bedarf wird durch ein Verzögerungs-Insulin abgedeckt, das in der Regel ein bis zwei Mal pro Tag appliziert wird und dessen Wirkung dosisabhängig bis 36 Stunden anhalten kann. Bei Kindern und Jugendlichen werden häufig NPH-Insulin (Neutral Protamin Hagedorn-Insulin), Insulin detemir oder Insulin glargin eingesetzt. Der basale Insulin-Bedarf ist darin begründet, dass bei jedem Menschen im Rahmen der Glukoneogenese und Glykogenolyse permanent Glucose produziert wird. Das bedeutet, dass das Basal-Insulin unabhängig vom Essen verabreicht werden muss und lediglich den basalen Bedarf an Insulin deckt.

Neben den Verzögerungs-Insulinen werden bei der intensivierten Insulin-Therapie kurzwirksame Insuline verwendet. Dies sind entweder Human-Insuline oder sehr schnell wirkende Insulin-Analoga. Human-Insuline beginnen in der Regel nach 15 bis 30 Minuten zu wirken, haben ihr Wirk­maximum nach ca. zwei Stunden und wirken insgesamt vier bis sechs Stunden. Insulin-Analoga wirken in der Regel sofort und sind nach ca. zwei Stunden nicht mehr wirksam. Welches Kurzzeit-Insulin verwendet wird, muss individuell nach den Bedürfnissen des individuellen Kindes entschieden werden. Für Kindergarten- und (Grund-)Schulkinder besteht der Vorteil bei Verwendung eines Normal-Insulins morgens darin, dass zwei Mahlzeiten (Frühstück und Vormittags-Brotzeit) abgedeckt werden und eine Injektion in der Schule oder im Kindergarten am Vormittag nicht notwendig ist. Der Nachteil besteht in einer geringeren Flexibilität, da schon bei der Injektion am Morgen festgelegt werden muss, wie viele Kohlenhydrate bei der Zwischenmahlzeit aufgenommen werden. Daher verwenden viele Kinder und Jugendliche lieber ein Kurzzeitanalogon, das zwar häufiger injiziert werden muss (für jede Mahlzeit), dafür jedoch eine größere Flexibilität erlaubt.

Insulinpumpen-Therapie

Eine Alternative zur intensivierten Insulin-Therapie ist die Insulinpumpen-Therapie (continous subcutanueous insulin infusio, CSII). Diese wird vor allem bei Kleinkindern oft unmittelbar nach der Diabetes-Manifestation eingesetzt. Durch die in stündlichen Intervallen programmierbare Basalrate kann die physiologische Insulin-Sekretion besser imitiert und somit die basale Insulin-Versorgung optimiert werden. Mittlerweile haben ca. 95% aller Kleinkinder mit Diabetes mellitus Typ 1 eine Insulin-Pumpe [7].

Die Pumpen-Therapie kann zu einer Verbesserung der Stoffwechselsituation (weniger schwere Hypoglykämien und niedrigere HbA1c-Werte) führen [8, 9]. Neben dem jungen Alter (< sechs Jahren) sind weitere Gründe für den Einsatz von Insulin-Pumpen bei Kindern unter anderem schwere Hypoglykämien, starke Blutzuckerschwankungen oder ein starker morgendlicher Blutzuckeranstieg. Da die Pumpe nur so gut ist wie ihr Anwender, spricht mangelnde Compliance gegen eine Insulinpumpen-Therapie.

Blutzuckermessung

Neben der kapillären Blutzuckermessung werden in den letzten Jahren zunehmend Systeme zur kontinuierlichen Glucose-Messung eingesetzt. Bei diesen wird im Abstand von wenigen Minuten mittels eines subkutanen Sensors die Glucose im Interstitium bestimmt und dann auf ein Lesegerät oder Smartphone gesendet. Hierdurch lassen sich Trendentwicklungen des Blutzuckers darstellen, indem diese Systeme die Zeiten anzeigen, in denen die Glucose-Werte zu hoch, zu niedrig oder im Zielbereich (Time in Range: 70 bis 180 mg/dl) lagen. Außerdem kann der Patient durch Alarmmeldungen früh auf beginnende Hypo- oder Hyperglyk­ämien reagieren. Seit 2016 werden die Kosten für subkutane Glucose-Sensoren bei entsprechender Indikation auch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Inzwischen sind Insulin-Pumpe und -Sensor Therapiestandards. Etwa 70% aller Kinder und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 nutzen einen Sensor, bei der Insulin-Pumpe sind es ca. 60%.

Kombination von Insulin-Pumpe und Glucose-Sensor: Hybrid-Closed-Loop-Systeme

Die Vorteile einer Insulinpumpen-Therapie (feine Dosierbarkeit des Insulins, kontinuierliche Abgabe einer Basalrate, Katheteranlage nur alle zwei bis drei Tage) mit denen eines Glucose-Sensors (aktuelle Messwerte, Alarmfunktion bei Hypo-/Hyperglykämie, Trendanzeigen) zu kombinieren, ist naheliegend. Inzwischen sind Geräte mit einer automatischen Abschaltung der Insulin-Zufuhr bei (drohender) Unterzuckerung verfügbar, aber auch Systeme zur automatischen Insulin-Abgabe, sogenannte Automated-Insulin-Delivery-Systeme, bei denen die Insulin-Zufuhr bei erhöhten Blutzuckerwerten gesteigert und bei niedrigen Blutzuckerwerten reduziert wird. Diese Systeme stellen für viele Kinder, Jugendliche und Familien eine deutliche Erleichterung dar. Einschränkend muss dazu gesagt werden, dass diese Systeme zur automatischen Insulin-Abgabe aktuell noch nicht für kleine Kinder unter sechs Jahren verfügbar sind, und dass die Anwendung voraussetzt, dass die jeweilige Familie gut mit der Insulinpumpen-Therapie und der Sensortechnologie vertraut ist. Die Systeme sind keine „Selbstläufer“, sondern setzen ein Mitmachen und Mitdenken des Patienten bzw. der Eltern oder sonstigen Betreuern voraus, da beispielsweise Insulin-Boli zu den Mahlzeiten weiter gegeben werden müssen.

Welche Therapie für welches Kind?

Die Insulin-Therapie sollte auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kindes und der Familie zugeschnitten sein. Bei Kleinkindern wird in der Regel eine Insulinpumpen-Therapie angewendet, da die Injektionen damit minimiert werden können (Wechsel des Pumpenkatheters ca. alle zwei Tage vs. bis zu sieben Injektionen am Tag bei einer intensivierten Insulin-Therapie und maximale Flexibilität gewährleistet ist. Bewegung und Essensaufnahme sind bei Kleinkindern sehr häufig nicht vorhersehbar. Bei größeren Kindern wird die Entscheidung, ob eine intensivierte Insulin-Therapie mit Pens oder mit einer Insulin-Pumpe durchgeführt wird, von den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Patienten mitbeeinflusst. So gibt es Situationen, die nur mit einer Insulin-Pumpe gut beherrscht werden können (z. B. ausgeprägter Blutzuckeranstieg in den frühen Morgenstunden in der Pubertät, sogenanntes Dawn-Phänomen). Aber es gibt auf der anderen Seite auch Kinder und Jugendliche, die mit Pens besser zurechtkommen als mit einer Insulin-Pumpe. Ziel ist es daher, eine „maßgeschneiderte“ Therapie zu finden, mit der das betroffene Kind und seine Familie gut zurechtkommt, die aber natürlich auch zu einer optimalen Stoffwechsellage führt.

Auf einen Blick

  • Diabetes mellitus Typ 1 ist die Folge einer progredienten Zerstörung der Insulin-produzierenden Beta-Zellen in den Langerhansschen Inseln des Pankreas.
  • Neben einer genetischen Prädisposition werden auch Assoziationen mit Umweltfaktoren, Infektionen und der Ernährung im frühen Säuglingsalter diskutiert.
  • Typ-1-Diabetes tritt bevorzugt in jüngeren Lebensjahren auf, kann sich aber auch im späteren Lebensalter manifestieren.
  • Die Diagnose kann mittels verschiedener sero­logischer Marker gestellt werden.
  • Ziel der Therapie ist es, das Risiko für schwere Stoffwechselentgleisungen und die Entstehung für mikroangiopathische und andere diabetesassoziierte Folgeschäden zu reduzieren.
  • Das Therapiekonzept besteht aus Insulin-Therapie, Vermittlung von Ernährungskenntnissen, Schulungen, Glucose-Selbstkontrolle und psychosozialer Betreuung der Kinder und der Eltern.
  • Insulin ist das derzeit einzige zugelassene Arzneimittel bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-­Diabetes, es muss lebenslang appliziert werden.
  • Bei der intensivierten Insulin-Therapie werden Normal-­Insulin oder ein schnell wirkendes Insulin-Analogon mit einem Langzeit-Insulin kombiniert.
  • Mit der Insulinpumpen-Therapie kann vor allem bei Kleinkindern die physiologische Insulin-­Sekretion besser imitiert und somit die basale Insulin-Versorgung optimiert werden.

Ausblick: neue Behandlungsmöglichkeiten

Aktuell ist Insulin das einzige zugelassene Medikament bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes. An neuen Behandlungsmöglichkeiten wird intensiv geforscht. Selektive Hemmer des Natrium-Glucose-Cotransporters 2 (SGLT2-­Inhibitoren) haben bei Erwachsenen unter bestimmten Voraussetzungen bereits eine Zulassung für die Behandlung des Typ-1-Diabetes, für Kinder und Jugendliche ist das allerdings noch nicht der Fall. Daneben wird im Rahmen von Studien der Nutzen von immunmodulierenden Therapien erforscht. Hier ist das Ziel, die körpereigene Insulin-Sekretion möglichst lange aufrechtzuerhalten. Als Beispiel wäre hier Teplizumab zu nennen. 2019 konnten Herold et al. zeigen, dass der humanisierte monoklonale Anti-CD3-Antikörper Teplizumab bei 76 erstgradig Verwandten von Menschen mit Typ-1-Diabetes mit persistierender Autoimmunität und Dysglykämie das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen konnte [10]. Aktuell wird der Einsatz von Teplizumab in einer großen Studie (Protect-Studie) bei Personen im Alter von acht bis 17 Jahren untersucht, deren Diabetes-Manifestation maximal sechs Wochen her ist. |

Disclaimer

Die Autorinnen erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Literatur

 [1] Norris JM, Johnson RK, Stene LC. Type 1 diabetes-early life origins and changing epidemiology. Lancet Diabetes Endocrinol 2020;8(3):226-238

 [2] Insel RA, Dunne JL, Atkinson MA et al. Staging Presymptomatic Type 1 Diabetes: A Scientific Statement of JDRF, the Endocrine Society, and the American Diabetes Association. Diabetes Care 2015;38(10):1964-1974

 [3] Hoffmann VS, Weiß A, Winkler C et al. Landmark models to define the age-adjusted risk of developing stage 1 type 1 diabetes across childhood and adolescence. BMCMed 2019;17(1):12

 [4] Ziegler AG, Kick K, Bonifacio E et al. for the Fr1da Study Group. Yield of a public health screening of children for islet autoantibodies in Bavaria, Germany. JAMA 2020;323(4):339-351

 [5] Bonifacio E, Beyerlein A, Hippich M et al. Genetic scores to stratify risk of developing multiple islet autoantibodies and type 1 diabetes: A prospective study in children. PLoS Med. 2018;15(4):e1002548

 [6] Bonifacio E, Ziegler AG, Klingensmith G et al. for the Pre-POINT study group. Effects of high dose oral insulin on immune responses in children at high risk for type 1 diabetes: the Pre-POINT randomized clinical trial. JAMA 2015;313(15):1541-1549, PMID: 2589802

 [7] van den Boom L, Karges B, Auzanneau M, Rami-Merhar B et al. Temporal Trends and Contemporary Use of Insulin Pump Therapy and Glucose Monitoring Among Children, Adolescents, and Adults With Type 1 Diabetes Between 1995 and 2017. Diabetes Care 2019;42(11):2050-2056, doi: 10.2337/dc19-0345, Epub 5. September 2019, PMID: 31488568

 [8] Blackman SM, Raghinaru D, Adi S et al. Insulin pump use in young children in the T1D exchange clinic registry is associated with lower hemoglobin A1c levels than injection therapy. Pediatr Diabetes 2014;15:564-572

 [9] Johnson SR, Cooper MN, Jones TW, Davis EA. Long-term outcome of insulin pump therapy in children with type 1 diabetes assessed in a large population-based case–control study. Diabetologia 2013;56:2392-2400

[10] Herold KC, Bundy BN, Long SA, Bluestone JA et al. Type 1 Diabetes TrialNet Study Group. An Anti-CD3 Antibody, Teplizumab, in Relatives at Risk for Type 1 Diabetes. N Engl J Med 2019;381(7):603-613, doi: 10.1056/NEJMoa1902226, Epub 9. Juni 2019

[11] Therapie des Typ-1-Diabetes. S3-Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), Stand: 2017, AWMF-Registernummer: 057-013

Autorinnen

Luisa Sachs ist studierte Ernährungswissenschaftlerin und Biomedizinerin, mit mehrjähriger Erfahrung in der Diabetes- und Adipositasforschung. Derzeit arbeitet sie als Wissenschaftsredakteurin am Helmholtz Zentrum München.

Priv.-Doz. Dr. Katharina Warncke beschäftigt sich seit vielen Jahren klinisch und wissenschaftlich mit dem Thema „Typ 1 Diabetes bei Kindern“. Sie leitet den Bereich für Kinderendokrinologie/-diabetologie an der Kinderklinik München Schwabing und ist außerdem am Helmholtz Zentrum München tätig. Sie beschäftigt sich wissenschaftlich mit den Themen Pathogenese/Prävention des Typ-1-Diabetes bei Kindern, assoziierten Autoimmunerkrankungen und seltenen Diabetesformen.

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