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Management
Betreuung bei oraler Antitumortherapie
Wie Sie die neue pharmazeutische Dienstleistung in der Apotheke umsetzen können
Immer mehr Krebspatienten bekommen Tabletten oder Kapseln zum Einnehmen gegen ihre Tumorerkrankung. Apotheken können nun gezielt durch eine intensivierte pharmazeutische Betreuung und Medikationsberatung bei oraler Antitumortherapie als pharmazeutische Dienstleistung dazu beitragen, dass arzneimittelbezogene Probleme rechtzeitig erkannt und gelöst werden. Einmalig innerhalb der ersten sechs Monate einer neuen, ambulant durchgeführten, erstmaligen oder zusätzlichen oralen Antitumortherapie (Folgetherapie) haben Krebspatienten Anspruch auf eine intensivierte pharmazeutische Betreuung. Die Leistung entspricht der „Erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation“ unter Berücksichtigung der Besonderheiten der oralen Antitumortherapie.
Seit Juni 2022 können Apotheken diese wertvollen Dienstleistungen direkt mit den Krankenkassen abrechnen – das Honorar beträgt 90 Euro netto für das Erstgespräch. Zwei bis sechs Monate nach dem Erstberatungstermin ist eine erneute Beratung in Form eines Zweitgespräches möglich, was mit 17,55 Euro netto honoriert wird. Die Standesvertretung der Apotheker hat lange dafür gekämpft, dass diese Extra-Leistungen fair vergütet werden – diese wertvolle Chance und Kompetenzerweiterung sollten möglichst viele Apotheker baldmöglichst nutzen!
Pharmazeutische Kompetenz ist gefragt
Die selbstständige Einnahme oraler Tumortherapeutika erhöht die Lebensqualität der Patienten deutlich, verringert aber auch die Kontakte mit dem Behandlungsteam, was oftmals zu Einnahmefehlern oder vermeidbaren Nebenwirkungen führt. Hier ist eine persönliche und kompetente pharmazeutische Beratung gefragt. Denn: Tumortherapeutika sind stark wirksame und besonders erklärungsbedürftige Medikamente. Bei den Wirkstoffen handelt es sich häufig um Substanzen mit enger therapeutischer Breite, was einen besonderen Umgang erfordert. Hinzu kommen teilweise komplexe Therapieschemata, die der Patient alleine zu Hause bewältigen muss. Besonders wichtig ist es, die vom Arzt festgelegte individuelle Dosierung genau zu beachten und eventuell vorgeschriebene Therapiepausen zuverlässig einzuhalten, um eine versehentliche Überdosierung zu vermeiden.
Dass die Sicherheit von Behandlungen mit oralen Tumortherapeutika durch eine intensivierte pharmazeutische Betreuung von Patienten erhöht werden kann, hat eine Arbeitsgruppe der Universität Erlangen mithilfe der von der Deutschen Krebshilfe geförderten AMBORA-Studie bewiesen. Etwa 200 Patienten, die eine Neuverordnung von einem oralen Tumortherapeutikum erhielten, wurden in dieser multizentrischen Untersuchung zwölf Wochen lang begleitet. Die eine Hälfte der Patienten bekam eine intensivierte Betreuung mit mündlichen und schriftlichen Patienteninformationen sowie vier zusätzlichen Beratungsgesprächen, die von klinischen Pharmakologen und Pharmazeuten durchgeführt wurden. Durch die intensivierte Betreuung traten deutlich weniger schwere Nebenwirkungen und Einnahmefehler auf, zudem gab es weniger Therapieabbrüche. Dadurch wurden auch Verwürfe der teuren Medikamente vermieden, was angesichts steigender Verordnungszahlen und Therapiekosten in der Onkologie zu einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung beiträgt.
Kommunikation mit Krebspatienten
Mit Krebspatienten ins Gespräch zu kommen, erscheint vielen auf den ersten Blick schwierig. Dabei sind schwer kranke Menschen, die häufig aufgrund ihrer Erkrankung wenig Kontakt zu anderen Menschen haben, oft froh, sich mit jemandem auszutauschen, der idealerweise auch noch nützliche Hinweise zu der Erkrankung oder zu den verordneten Medikamenten geben kann. Denn für Krebspatienten sind die Handlungsempfehlungen zur Einnahme ihrer neu verordneten Medikamente anfangs oft verwirrend und schwer zu verstehen. Gemeinsam mit dem betreuenden Onkologen können Apotheker durch die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen zu einer sicheren und erfolgreichen Krebstherapie beitragen und dadurch auch treue und dankbare Kunden gewinnen.
Orale Tumortherapeutika sind meistens hochpreisig und müssen von vielen Apotheken bestellt werden. Wird gleich anlässlich der Verordnung ein Beratungsgespräch vereinbart (s. auch unten), kann die Zeit bis zum Eintreffen des Medikaments dafür genutzt werden, um sich vorzubereiten. Mit dem Patienten muss einerseits über den Umgang mit dem Arzneimittel und über den richtigen Einnahmezeitpunkt gesprochen werden, andererseits sollten ihn die vielen Informationen nicht überfordern. Für den Apotheker ist dies stets eine Gratwanderung. Im Vordergrund steht immer die Arzneimitteltherapiesicherheit, die es gilt, durch eine regelmäßige und korrekte Einnahme zu garantieren. Um eine Überforderung zu vermeiden, empfiehlt es sich, sensibel und empathisch auf den Patienten einzugehen und die Beratung mit verständlichen Handzetteln oder schriftlichen Einnahmehinweisen zu festigen (s. unten). Dann kann er das Wichtigste zu Hause in Ruhe nachlesen und wird nicht durch die meist schwierig zu verstehende Packungsbeilage unnötig verwirrt.
Bei der Bandbreite möglicher Nebenwirkungen ist es wichtig, die Informationen gut zu filtern und nur die sehr häufig vorkommenden Nebenwirkungen zu erwähnen, um die Patienten nicht unnötig zu verunsichern. Eine gute und rechtzeitig eingesetzte Begleittherapie kann helfen, viele mögliche Nebenwirkungen gar nicht erst auftreten zu lassen sowie Beschwerden bei Bedarf schnell zu lindern. Hier können Apotheker durch die intensivierte Beratung auf eventuelle Unsicherheiten und Ängste des Patienten eingehen. Ergänzend dazu können sie als Experten Tipps zur richtigen Ernährung und Hautpflege während einer Krebstherapie geben, um Nebenwirkungen von Krebsmedikamenten zu minimieren.
Einnahmehinweise zu oralen Tumortherapeutika
- individuellen Dosierungsplan vom Arzt sowie vorgeschriebene Therapiepausen genau einhalten (s. schriftlicher Einnahmeplan)
- eine regelmäßige Einnahme der Kapseln bzw. Tabletten beachten
- Tabletten oder Kapseln unzerkaut und im Ganzen mit einem Glas Wasser schlucken
- die Krebsmedikamente genau nach Anweisung, entweder immer zum Essen oder nüchtern einnehmen
- Tabletten oder Kapseln möglichst nicht mit bloßen Händen anfassen und bei Hautkontakt gut die Hände waschen
- bei starken Nebenwirkungen Kontakt zum behandelnden Arzt aufnehmen
- Medikamente in der Originalverpackung aufbewahren und nicht in die Hände von Kindern gelangen lassen
- auf eine gute Mund- und Hautpflege achten, um Haut- oder Schleimhautreizungen als Nebenwirkung zu vermeiden
- auf eine zuverlässige Verhütungsmethode achten
- alle zusätzlich eingenommenen Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel mit dem Arzt oder Apotheker absprechen
- auf Grapefruit, Bitterorange, Johanniskraut und grünen Tee verzichten, um eine Wirkungsverstärkung oder eine Wirkungsminderung der Krebsmedikamente zu vermeiden
So klappt der Einstieg
Trotz aller Herausforderungen des Apothekenalltags sollten die Apotheken vor Ort sich die wertvolle Chance der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen nicht entgehen lassen und diese baldmöglichst angehen. Dies ist auch in kleinen Schritten möglich, denn es müssen ja nicht alle Dienstleistungen gleichzeitig gestartet werden. Je nach Apothekenumfeld und Personalsituation können Apotheken sich zunächst auf eine zum Team und Kundenstamm passende Dienstleistung konzentrieren. Um beispielsweise die intensivierte Beratung von Krebspatienten mit oraler Antitumortherapie möglichst strukturiert anzugehen, ist anfangs sicherlich einige Zeit für die Organisation im Apothekenalltag notwendig. Ein guter Austausch innerhalb des Teams ist für den erfolgreichen Ablauf unerlässlich. Das gesamte pharmazeutische Personal kann dabei helfen, anspruchsberechtigte Patienten zu identifizieren. Zudem sollten anliegende Fachärzte über die neue pharmazeutische Dienstleistung informiert werden. Zum Einstieg können zunächst Anspruchsberechtigte mit einer Neuverordnung eines oralen Tumortherapeutikums ausgewählt werden, die eventuell von sich aus Interesse signalisieren oder bereits in der Apotheke bekannt sind.
Zunächst werden Daten zur bisherigen Medikation erhoben, wobei es wichtig ist, neben den eingenommenen Arzneimitteln auch Nahrungsergänzungsmittel im Auge zu haben, um Wechselwirkungen oder unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden. Zudem sollten die Einnahmehinweise zu den oralen Tumortherapeutika besonders berücksichtigt und erklärt werden (s. Infobox). Ergänzend dazu können auch aktuelle Bedenken und Sorgen bezüglich der Therapie besprochen werden, um eine möglichst gute Compliance zu erreichen. Wird bei Bedarf zwei bis sechs Monate später eine erneute Beratung als pharmazeutische Dienstleistung durchgeführt, können z. B. Handhabungs- und Anwendungsprobleme oder die Vermeidung von eventuell aufgetretenen Nebenwirkungen angesprochen werden. Falls erforderlich, kann mit der Einwilligungserklärung des Patienten (Formular der ABDA, s. unten) auch der behandelnde Arzt hinzugezogen werden, um gemeinsam eine Lösung für die aufgetretenen Probleme mit der Medikation zu überlegen. Von Mal zu Mal wird eine umfassende Beratung von Krebspatienten immer schneller und strukturierter ablaufen.
Welche Leistungsvoraussetzungen gibt es?
Die Leistungsvoraussetzungen und die Dokumentation der „Pharmazeutischen Betreuung bei oraler Antitumortherapie“ sind identisch zur „Erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation“. Mindestens ein qualifizierter Mitarbeiter aus dem Apothekenteam muss die Fortbildung „Medikationsanalyse, Medikationsmanagement als Prozess“ nach dem Curriculum der Bundesapothekerkammer oder eine entsprechende Fortbildung erfolgreich abgeschlossen haben. Anerkannt werden auch Fort- oder Weiterbildungen wie ATHINA, ARMIN, Apo-AMTS, Medikationsmanager BA KlinPharm, die Weiterbildung Geriatrische Pharmazie sowie die Weiterbildung Allgemeinpharmazie. Viele Apothekerkammern bieten derzeit kostenlose Webseminare mit Fokus auf die Umsetzung komplexer pharmazeutischer Dienstleistungen an, die möglichst vielen Apothekern den Einstieg in die neuen Aufgaben erleichtern sollen. Bald sollen Spezialfortbildungen zur oralen Tumortherapie folgen (s. auch unten).
Idealerweise können sich nach und nach weitere Teammitglieder für die Durchführung der verschiedenen pharmazeutischen Dienstleistungen qualifizieren. Da die Terminvergabe für die Patientengespräche individuell und persönlich je nach Kapazität des Apothekenteams stattfindet, ist es anfangs durchaus möglich, nur eine intensivierte Beratung für Krebspatienten pro Woche oder Monat anzubieten und sich genügend Zeit dafür zu nehmen – die schnellere Routine kommt dann nach und nach.
Genauere Hinweise zur Durchführung und alle benötigten Formulare stellt die ABDA in einem großen Informationspaket zu den pharmazeutischen Dienstleistungen auf ihrer Homepage zur Verfügung (www.abda.de/pharmazeutische-dienstleistungen). Die zu erbringenden Leistungen, die Voraussetzungen zur Erbringung, die anspruchsberechtigten Personen und die Rahmenbedingungen bis zur Abrechnung sind für jede pharmazeutische Dienstleistung genau beschrieben.
Informationen suchen und finden
Der schnellste Zugang zu Informationen zu den verordneten Medikamenten ist zunächst die ABDA-Datenbank. Hinzu kommen die einzelnen Fachinformationen der oralen Tumortherapeutika, in denen man allerdings oft sehr lange sucht, bis man das gefunden hat, was wirklich für die Beratung der Patienten relevant ist. Wichtig ist vor allem, dass alle wirklich bedeutsamen Informationen in verständlicher Art und Weise an den Patienten weitergegeben werden. Empfehlenswert ist dabei die Website der Initiative „Orale Krebstherapie“ (www.orale-krebstherapie.de) der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Bei den Informationen für Fachkreise können unter dem Stichwort „Beratungstools“ Handzettel zum Umgang mit einzelnen oralen Krebsmedikamenten für zu Hause heruntergeladen werden. Darüber hinaus wird auch ein Grundlagenseminar „Beratung von Krebspatienten“ für pharmazeutisches Personal angeboten. Dazu heißt es auf der Website: „Das BAK Curriculum ‚Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie‘ wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie e. V. (DGOP) auf Grundlage der Inhalte dieses Seminars entwickelt und ist somit gleichwertig zu den von den Kammern angebotenen Schulungen.“
Von dieser Website aus gelangt man auch zur Oralia Datenbank (www.esop-oralia.eu), die Apotheken drei Monate kostenlos testen können. Die Datenbank erhält Monografien zu allen in Deutschland zugelassenen oralen Tumortherapeutika. Die Monografien werden von einzelnen Mitgliedern der DGOP anhand der aktuellen Fachinformationen verfasst, in die Datenbank übertragen und regelmäßig aktualisiert. Anhand der Monografien können sich Apotheker schnell alle benötigten Informationen für das Patientengespräch verschaffen und damit kompetent beraten. Inhaltlich sind die Informationen auf öffentliche Apotheken zugeschnitten und enthalten in erster Linie Angaben zur Dosierung, zu sehr häufigen Nebenwirkungen sowie spezielle Einnahmehinweise.
Fazit
Die individuelle Beratung von Krebspatienten ist anspruchsvoll und erfordert sowohl pharmazeutisches Fachwissen als auch Empathie. Speziell fortgebildete Apotheker können durch die honorierte „Pharmazeutische Beratung zur oralen Antitumortherapie“ einen wertvollen Beitrag zum nachhaltigen Therapieerfolg und der Arzneimitteltherapiesicherheit vieler Krebspatienten leisten und werden dadurch zum wertvollen und geschätzten Ansprechpartner vor Ort. Sie werden sehen – es lohnt sich! |
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