Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Pharmazeutische Dienstleistungen

Im Saldo passt es!

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Seit Jahrzehnten kämpft die Branche um Anerkennung von honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen. Auch bislang schon konnten die Apotheken ihren Kunden selbst bezahlte pharmazeu­tische Dienstleistungen anbieten und die entsprechenden Erlöse vereinnahmen. Gleichwohl stellt es ­einen signifikanten Unterschied dar, ob solche Leistungen außerhalb einer Abrechenbarkeit gegenüber den Kassen offeriert werden oder eben als Teil einer Kassenleistung. Spätestens mit dem Perspektivpapier aus dem Jahr 2014 war beispielsweise das Medikationsmanagement in den Fokus auch einer über den Berufsstand hinausgehenden Öffentlichkeit gerückt worden. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Öffentlichkeit, der Politik, aber auch allen Standeskollegen gegenüber das Heil einer Zukunft in eben diesem Angebot unterbreitet. Nun, acht Jahre später, kann man es durchaus als Teilerfolg abspeichern, dass fünf pharmazeutische Dienstleistungen gegenüber den Kassen mit einem gedeckelten Gesamtjahresbetrag abrechenbar sind. Allein der Satz beinhaltet Hürden. Wie man mit einer Deckelung umzugehen hat, ist dabei nicht erprobt. Anders als bei anderen Förderlimits z. B. bei Bauprojekten oder bei Mittelstandsförderungen, die der Staat auslobt, soll hier ja die Gesundheit der Bevölkerung sichergestellt werden. Was rechtfertigt also die Bezahlung bis kurz vor dem Limit und die Nichtbezahlung knapp über dem Limit? Woher weiß das Apothekenteam zu jedem Zeitpunkt, ob das Limit erreicht und wie nun zu verfahren ist? Man mag dies alles regeln können, es bleiben aber Unwägbarkeiten und Stolpersteine, die man nicht herbeischreiben, aber zumindest im Auge behalten sollte. Selbst wenn man derlei administrativ regeln kann, stellt sich die Frage, warum am Ende eines Budgetjahres die Leistung weniger sinnvoll abrufbar ist als zu Beginn. Und löst dies nicht – sobald die Menschen verstehen, wie der Hase läuft – genau das aus, was man tunlichst vermeiden möchte und auch sollte: einen künstlich geschaffenen Nachfrageüberhang, der dann zu Kapazitätsengpässen führt?

Nun sind seit kurzer Zeit die Angebote auch als abrechnungsfähige Leistungen zu vermarkten, und schon regt sich die Diskussion darüber, wie dies kommuniziert werden kann und soll. Ob dazu eine nationale Kampagne beispielsweise der ABDA Erfolg versprechend ist, hängt auch davon ab, wie viele Apotheken diese pharmazeutischen Dienstleistungen tatsächlich anbieten. Eine nationale Kampagne vermag nicht zu unterscheiden, wer anbietet und wer nicht, und vor allem auch nicht, wer alle abrechnungsfähigen Leistungen anbietet und wer nur einen Teil davon, und vor allem auch nicht, wer ggf. darüber hinaus pharmazeutische Dienstleistungen über den abrechnungsfähigen Bereich hinaus anbietet und sich dafür gute Chancen ausrechnet, weil er eben seine in diesem Feld vorhandene Expertise dokumentiert.

Aus diesen Einlassungen ergeben sich diverse Rückschlüsse. Es kann auf Dauer nicht bei den fünf pharmazeutischen Dienstleistungen bleiben, man sollte es seitens der Apothekerschaft, der zustän­digen Lobby und vor allem auch seitens der Politik als Einfallstor in eine überfällige Ausweitung des abrechenbaren Leistungsspektrums sehen. Dies geschieht dann leichter, wenn tatsächlich viele mitmachen und dieses Angebot ihren Kunden unterbreiten, denn ansonsten wird es wieder schwierig der Politik gegenüber zu erklären, warum diese Abrechenbarkeit absolut notwendig ist. Sollte dies zum bloßen Differenzierungsmerkmal unter den Apotheken mutieren, würde eine Abrechenbarkeit an sich nicht zwingend erforderlich sein. Dass die Handhabung gegenwärtig etwas bürokratisch anmutet, ist darin begründet, dass eben abrechnungsfähige Leistungen in einem Regelkorridor liegen müssen. Hier muss nur Sorge getragen werden, dass dies keine Blüten treibt. Und schließlich dürfen die Zugeständnisse im Bereich der pharmazeutischen Dienstleistungen seitens der Politik keinesfalls zu budgetären Kompensationen an anderer Stelle missbraucht und von den Ärzten zu unsachgemäßen Anfeindungen genutzt werden. Die Vermarktung obliegt der jeweiligen Apotheke, die dies anbietet. Dabei muss dann auch für jeden Kunden klar und transparent kommuniziert werden, was über die Kasse abgerechnet werden kann und, wenn eine Leistung über den gegenwärtigen Katalog hinausgeht, was man aus eigener Tasche dafür bezahlen muss. Tatsächlich kann die Ab­rechenbarkeit der einen Leistung ggf. auch die Begehrlichkeit im Hinblick auf eine andere, selbst zu bezahlende Leistung so hoch hängen, dass diese gerne bezahlt wird. In der Marketinglehre sowie der VWL nennt man es „Snob-Effekt“, wenn Leute mehr zu bezahlen bereit sind, um sich mit dem genutzten Produkt oder hier der nachgefragten Leistung von anderen abzuheben. Ist das Verhandlungsergebnis tatsächlich als Erfolg zu bezeichnen? Manches irritiert, aber im Saldo passt es! |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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