Gesundheitspolitik

Ärger um Bürgertests geht weiter

Weigeldt: Ärzte sind die Gelackmeierten / Kommunen kritisieren Vertrag zu ihren Lasten

cha | Nachdem die Kassenärzt­liche Bundesvereinigung (KBV) nach Inkrafttreten der neuen Testverordnung zunächst erklärt hatte, die Kassenärztlichen Vereinigungen könnten die Abrechnung der sogenannten Bürgertests nicht mehr übernehmen, kam es vergangenen Montag zur Einigung mit dem Bundes­gesundheitsministerium (BMG). Doch der Unmut an der Ärzte­basis bleibt und auch die Kommunen sind offenbar verärgert.

Die Einigung, die Bundesgesundheitsminister Lauterbach als Kombination von „unbürokratischer Verwaltung mit effektiver Kontrolle“ bezeichnet, sieht vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Daten der Testzentren an den Bund weitergeben und danach die Plausibilität der durchgeführten Tests und Ergebnisse überprüft wird. Auffälligkeiten werden den verantwortlichen Ordnungsbehörden der Kommunen gemeldet und diese teilen dann ggf. den KVen mit, in welcher Höhe Rückforderungen zu erfolgen haben (s. DAZ 2022, Nr. 27, S. 14).

Doch mit den Kommunen hat im Vorfeld niemand gesprochen, kri­tisiert der Deutsche Städte- und Gemeindebund. „Wir erwarten hier eine Klarstellung des Bundesgesundheitsministeriums, was genau Aufgabe der Kommunen sein soll“, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage des „Tagesspiegels“, die der AZ vorliegt. Und weiter: „Es ist nicht möglich, dass KVen und BMG hier ohne vorherige Absprache einen Vertrag zulasten der Kommunen schließen. Wir erwarten klare Verantwortlichkeiten, die zunächst beim BMG und den KVen liegen.“

„Bürokratiemonster Test­verordnung bleibt bestehen“

Auch in der Ärzteschaft ist man nicht zufrieden. So beklagt der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes Ulrich Weigeldt: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind aus dem Schneider, die Ärztinnen und Ärzte vor Ort sind die Gelackmeierten. Das ist das Ergebnis der Einigung zwischen BMG und KBV.“ Für die Ärzte vor Ort ändere sich nichts, das „Bürokratiemonster Testverordnung“ bleibe unverändert bestehen.

Weigeldt kritisiert, dass die Kollegen vor Ort in Zukunft eine Bar­kasse führen und von einigen Patienten drei Euro eintreiben müssten. Außerdem sollten sie überprüfen, ob jemand anspruchsberechtigt sei oder nicht. Dafür müssten sie sich nachweisen lassen, ob jemand abends ins Konzert geht oder nicht, „laut Begründung der Verordnung im Zweifel dadurch, dass sie sich die Eintrittskarten vorzeigen lassen“. Diese Regelungen seien absurd, in der Praxis nicht durchführbar und belasteten die sowieso stark geforderten Hausarztpraxen noch weiter. Die Konsequenz werde sein, dass sich die Kollegen in den Praxen „sehr genau überlegen werden, ob sie noch Bürgertests anbieten können oder nicht“.

Ähnlich argumentiert der Vorsitzende des Arbeitskreises „Ambulante Versorgung“ des Hartmannbundes Marco Hensel. Für die Kollegen an der Basis sei mit der Einigung überhaupt nichts gewonnen. Diese hätten sich im Zusammenhang mit der Testung von asymp­tomatischen Patienten weiterhin mit dem Thema Selbstauskunft herumzuschlagen und anschließend den Kassierer für die Selbstbeteiligung zu spielen. „Eigentlich müsste man den Kolleginnen und Kollegen empfehlen, es einfach sein zu lassen mit dem Testen.“

Auch beim grünen Koalitions­partner ist man nicht zufrieden. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt forderte angesichts der neuen Kostenregelung im Deutschlandfunk: „Diese Testfrage, die müssen wir uns auch noch mal anschauen.“ Ob Lauterbach dazu bereit ist, darf bezweifelt werden. |

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