Arzneimittel und Therapie

Pneumokokken-Impfung gegen Otitis media?

Vakzine hilft nicht bei jedem Erreger

Die Otitis media (akute Mittelohrentzündung) ist eine der häufigsten Erkrankungen im jungen Kindes­alter. Belastend sind die üblicherweise plötzlich auftretenden, starken Ohrenschmerzen. Diese entstehen, wenn Viren oder Bakterien über die Ohrtrompete ins Mittelohr gelangen. Kinder sind besonders häufig betroffen, da deren Ohrtrompete kürzer und auch weiter als bei Erwachsenen ist. Vor Einführung der Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe (an Proteine konjugierte Pneumokokken-Polysaccharide) war das Bakterium Streptococcus pneumoniae der häufigste Erreger der Otitis media. Die Vermutung, dass eine Impfung die nasopharyngeale Kolonisation dieser Streptokokken reduzieren und somit einen präventiven Effekt haben könnte, ist naheliegend. Ein aktueller Cochrane Literatur-Review untersuchte den präventiven Effekt einer Pneunomokken-Impfung auf die Häufigkeit der akuten Mittelohrentzündung bei Kindern bis zwölf Jahre. Aus großen Datenbanken, darunter MEDLINE, Embase und Web of Science, wurden elf randomisiert kontrollierte Studien mit insgesamt 60.733 Kindern ausgesucht und analysiert. Als Kontrolle diente in den Studien entweder ein Meningokokken-Typ-C-Konjugatimpfstoff oder Hepatitis-A/-B-Impfstoffe. In sieben Studien wurden Kinder unter einem Jahr, in vier Studien im Alter von einem Jahr oder älter geimpft.

Die Ergebnisse zeigen, dass eine Immunisierung mit 7-valenten Pneumokokken-Impfstoffen das relative Risiko für eine durch Pneumokokken ausgelöste Mittelohrentzündung um bis zu 25% reduzieren konnte. Unter den 10-valenten Pneumokokken-Impfstoffen lag die relative Risikoreduktion sogar bei bis zu 52%. Auf die Gesamtzahl aller Otitis-media-Fälle bezogen zeigte sich nur eine durchschnitt­liche Risikoreduktion von etwa 6% (bis 15% unter den 10-valenten Impfstoffen), welche jedoch statistisch nicht signifikant war. Auch bei Kindern mit hohem Risiko für Mittelohrentzündungen – beispielsweise durch respiratorische Vorerkrankungen – zeigte der Impfstoff keinen Benefit. Nebenwirkungen traten etwas häufiger bei den mit Pneumokokken-Impfstoff behandelten Kindern in Form von lokalen Reizungen (Rötung, Schwellung), leichtem Fieber und Schmerzen auf.

Die Ergebnisse des Cochrane Literatur-Reviews deuten darauf hin, dass durch eine Impfung zwar Pneumokokken-bedingte Mittelohrentzündungen verhindert werden können. Gegenüber anderen Formen der Otitis media zeigen sie jedoch keinen Benefit. Als Ursache vermuten die Forscher eine Verschiebung der verursachenden pathogenen Keime. So lässt sich seit Einführung der Pneumokokken-Impfung ein Trend der verursachenden Keime erkennen, entweder zu anderen Bakterien oder zu Serotypen von S. pneumoniae, die von der Impfung nicht abgedeckt werden. Da die Evidenz von den Autoren allerdings nur als niedrig bis moderat eingeschätzt wird, sind weitere Studien nötig, um statistisch signifikante Aussagen zu treffen. |

Literatur

De Sévaux JLH et al. Pneumococcal conjugate vaccines for preventing acute otitis media in children (Review). Cochrane Database of Systematic Reviews 2020;11:1-3

Apothekerin Leonie Naßwetter

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