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Therapien im Gespräch
Mit Therapie-Vertrauen gegen Atherosklerose
Statine sicherer als gedacht, neue Omega-3-Fettsäuren noch zweifelhaft
Statine senken die Blutkonzentration von LDL(Low density Lipoprotein)-Cholesterol und sind Mittel der Wahl zur Behandlung von Hypercholesterinämien. In welchem Alter Statine erstmals infrage kommen könnten, empfehlen derzeit gültige Leitlinien nicht. Aktuelle Beobachtungsstudien deuten an, dass schon jüngere Patienten mit erhöhten LDL-Cholesterol-Werten von einer Therapie profitieren könnten. In DAZ 50, S. 27 kommentiert Dr. med. Oliver Weingärtner, Kardiologe am Universitätsklinikum Jena: „Schon während der Schulzeit sollten Patienten auf Blutfettwerte untersucht werden, um Fettstoffwechselstörungen frühzeitig behandeln zu können.“
Neben ihrer lipidsenkenden Wirkung beeinflussen Statine die Endothelfunktion und Blutgerinnung. Daher sind sie integraler Bestandteil der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. In der Sekundärprävention gehören Atorvastatin und Co. zum Standard. Auch in der Primärprävention rücken sie immer mehr ins Blickfeld behandelnder Ärzte. Aber nicht ohne Skepsis. Die Gegner der Primärprävention mit Statinen argumentieren: Bei Patienten, die noch kein kardiovaskuläres Ereignis hatten, sei der Nutzen im Vergleich zu den Risiken gering. Autoren eines systematischen Reviews, veröffentlicht im Sommer 2021, schauten sich diese Risiken genauer an (DAZ 48, S. 28). Das Ergebnis: Unter Statinen traten zwar mehr Nebenwirkungen auf, zum Beispiel selbst berichtete Muskelsymptome, Leberfunktionsstörungen oder Niereninsuffizienz. Doch das Risiko für diese Nebenwirkungen war äußerst gering, weshalb die Autoren schlussfolgerten, dass das Nutzen-Risiko-Profil der Statine auch bei der Primärprävention günstig sei.
Alles Einbildung?
Dass unter Statinen Muskelschmerzen, schlimmstenfalls sogar Rhabdomyolysen auftreten können, hat sich unter Pharmazeutinnen und Pharmazeuten herumgesprochen. Auch Publikumsmedien greifen die potenziellen Gefahren auf, was Patienten verunsichert. Die Muskel-Beschwerden fasst man unter dem Terminus „Statin-assoziierte Muskelsymptome“ (SAMS) zusammen. Neuere Daten zeigen, dass SAMS weitaus seltener auftreten als gedacht. Demgegenüber scheint ein anderer Faktor die Therapiesicherheit zu gefährden: der Nocebo-Effekt. Über diese „auf Fehlinformationen beruhende negative Erwartungshaltung“ speziell bei der Statin-Einnahme schrieb DAZ-Autor Ralf Schlenger (DAZ 20, S. 38). Oft werden Muskelschmerzen durch virale Infekte, körperliche Aktivität oder Arzneimittelinteraktionen begünstigt und als Nebenwirkung fehlinterpretiert.
Laut einer Analyse deutscher Krankenkassen-Daten wird die Statin-assoziierte Myopathie bei 1,9% der rund 530.000 Statin-Empfänger in Deutschland beobachtet. Mit der Dosiserhöhung steige die Wahrscheinlichkeit, dass Symptome auftreten. Daher raten Kardiologen, potente Statine wie Atorvastatin und Rosuvastatin weniger potenten Wirkstoffen (Lovastatin, Simvastatin) vorzuziehen.
Im „Statin-Roulette“ (DAZ 38, S. 36) beschrieb DAZ-Autorin Rika Rausch, was wirklich für ein Absetzen der Statine spricht und wann ein anderer Wirkstoff derselben Klasse in Betracht gezogen werden sollte.
Gefühl im Beratungsgespräch
Im Interview mit Autorin Rika Rausch fasst Kardiologe Prof. Dr. med. Ulrich Laufs das Problem zusammen: „Der entscheidende Faktor für die [Statin-]Verträglichkeit ist die Kommunikation von Arzt und Apotheker, nicht das Präparat“. Viele Apotheker warnen Patienten korrekterweise davor, die Arzneimittel bei Muskelschmerzen abzusetzen. Dabei besteht aber die Gefahr, einen Nocebo-Effekt zu begünstigen. Manche Patienten setzen ihr Präparat bei geringen Anzeichen für Muskelschmerzen ab. Weil das Absetzen der Statine den Patienten zunächst keine unerwünschten Symptome beschert, verzichten einige dauerhaft auf die Einnahme. Doch bei Patienten mit Fettstoffwechselstörungen geht eine verminderte Therapietreue Hand in Hand mit einer erhöhten Sterblichkeit.
Wie man im Beratungsgespräch die Arzneimitteltherapie sicherer gestalten kann, erklärte Autorin Christine Gitter in ihrer DAZ-Serie „Einfach erklärt“ (DAZ 43, S. 52). Zu einer optimalen Beratung gehöre, „dass wir nicht nur die richtige Anwendung des Arzneimittels erklären, sondern gleichermaßen über die Folgen bei Nicht-Anwendung aufklären“. Die Chancen einer Therapie müssten gegenüber den Risiken deutlich werden.
Bessere Prognose bei Brustkrebs?
Eine weitere Studie, die im Jahr 2021 publiziert wurde, zeigte noch eine günstige Eigenschaft der Statine (DAZ 12, S. 47). Die Autoren untersuchten, inwiefern sich die Lipidsenker auf die Chemotherapie von Frauen mit Brustkrebs auswirkten. Oft kommen bei der Brustkrebs-Therapie die kardiotoxischen Anthrazykline oder Trastuzumab zum Einsatz. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass unter Statinen die Kardiotoxizität gemildert sein könnte. Frauen, die vor oder während ihrer Chemotherapie Statine einnahmen, erkrankten zu 53% seltener an Herzinsuffizienz.
Statine in der Schwangerschaft
Laut Fachinformationen dürfen Statine nicht während der Schwangerschaft eingenommen werden. In DAZ 49, S. 28 thematisiert Apothekerin und DAZ-Autorin Rika Rausch das Dilemma: „Gerade Frauen mit einer familiären Hypercholesterinämie (FH), die schon seit ihrer Kindheit Statine einnehmen müssen, sollten besser nicht zu lange pausieren“. Keine interventionelle Studie kann verlässlich aussagen, ob Statine tatsächlich teratogen wirken können. In Tierversuchen deutete sich eine fruchtschädigende Wirkung an, doch die verabreichten Dosierungen waren um ein Vielfaches höher als bei einer gewöhnlichen Arzneimitteltherapie. Aktuelle Beobachtungsstudien deuten eher darauf hin, dass Statine während der Schwangerschaft unbedenklich sein könnten. Nun will die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA das generelle Statin-Verbot für Schwangere aufheben. Denn es sei nicht eindeutig bewiesen, dass das Risiko in jedem Fall den Nutzen einer Therapie überwiege.
Fettsäuren, die Newcomer
Neben Statinen senken Ezetimib, PCSK9-Inhibitoren (Alirocumab, Evolocumab) und Bempedoinsäure den LDL-Cholesterol-Wert. Als weitere Mittel, die kardiovaskulären Erkrankungen vorbeugen sollen, bewerben Hersteller Präparate, die reich an Omega-3-Fettsäuren sind. Ein Cochrane-Review war zu dem Schluss gekommen, dass die Wirksamkeit solcher Präparate nicht nachgewiesen werden kann. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) sprach sich darauf gegen den Einsatz von Omega-3-Fettsäuren zur Sekundärprophylaxe aus. Doch Omega-3 ist nicht gleich Omega-3. Und so kam es, dass die EMA 2021 Vazkepa® als Arzneimittel zuließ (DAZ 48, S. 24). Enthalten ist der Wirkstoff Icosapent-Ethyl, ein Prodrug der Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure (EPA). Er kann eingesetzt werden zur Verringerung des kardiovaskulären Risikos bei Erwachsenen, die ein erhöhtes Risiko sowie erhöhte Triglyceridwerte haben und bereits mit einem Statin behandelt werden. Als Nebenwirkungen wurden Vorhofflimmern und Blutungen beschrieben. In der Zulassungsstudie senkten täglich 4 g reines EPA das Risiko der Patienten für ein kardiovaskuläres Ereignis signifikant. Die Ergebnisse gerieten kurz darauf in Zweifel, denn die klinische Studie eines weiteren Präparates, das neben EPA zusätzlich die Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) enthielt, musste wegen Wirkungslosigkeit abgebrochen werden.
Was widersprüchlich klingt, konnte eine Metaanalyse, die Ende 2021 publik wurde, bestätigen: EPA verringert das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse, und zwar ausgeprägter als EPA in Kombination mit DHA. Die American Heart Association (AHA) und die European Society of Cardiology (ESC) empfehlen zugelassene EPA-Arzneimittel in ihrer Dyslipidämie-Leitlinie.
Nun rückt noch eine weitere Fettsäure ins Visier der Kardiologen: die kurzkettige Propionsäure. Erste Stuhluntersuchungen gaben nämlich Hinweise darauf, dass Propionsäure den Cholesterol-Stoffwechsel regulieren könnte. Darüber sprach die DAZ-Redaktion mit dem Kardiologen Dr. Arash Haghikia in DAZ 25, S. 34. Haghikia hatte in einer kleinen Studie die Wirkung der Propionsäure auf Patienten mit erhöhtem LDL-Cholesterol-Spiegel untersucht. In der placebokontrollierten Untersuchung senkte Propionsäure den LDL-Cholesterolwert um 8%. Jedoch könne Propionsäure die medikamentöse Therapie nicht ersetzen, betont Haghikia. Des Weiteren sei in weiteren Studien zu überprüfen, wie groß der additive Effekt von Propionsäure zusätzlich zu Statinen wäre. |
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