Therapien im Gespräch

(K)ein Meilenstein in der Alzheimer-­Therapie

Monoklonaler Antikörper Aducanumab spaltet die Fachwelt

mab | Weltweit leiden nach Schätzungen von Alzheimer‘s Disease International etwa 46,8 Millionen Personen an Alzheimer. Der Forschungsbedarf ist riesig, umso ­größer war das Interesse, als die amerikanische Behörde FDA nach über zwanzig Jahren einer neuen Therapieoption die Genehmigung erteilte: Aducanumab richtet sich gegen das Beta-Amyloid, das sich bei an Alzheimer erkrankten Personen im Gehirn ablagert und verklumpt, und soll so den Erkrankungsverlauf verlangsamen. Doch der Weg zur Zulassung war nicht immer einfach, und auch danach stehen viele Kritikpunkte im Raum.

Am 7. Juni 2021 war es so weit: Nach über zwei Jahrzehnten erteilte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA mit dem monoklonalen Antikörper Aducanumab (Aduhelm™, Biogen) erstmals wieder eine Zulassung für eine Alzheimer-Therapie (DAZ 24, S. 30). Der Weg dorthin war steinig und wurde in der Fachwelt häufig kritisiert. Doch was war der Grund dafür? Erstmals in der Geschichte der Arzneimittelzulassungen in den USA hatte sich die FDA dieses Mal über die Empfehlung des Beratungskomitees hinweggesetzt, das im November 2020 nach Sichtung der Zulassungsstudien von einer Genehmigung abgeraten hatte. So hatte der Ausschuss zwar eine Verbesserung des Surrogatparameters – eine Reduzierung der Beta-Amyloid-Plaques bei betroffenen Patienten – in den Studienergebnissen erkennen können, jedoch war eine klinische Verbesserung nicht ersichtlich. Die FDA sah jedoch in Aducanumab einen vielversprechenden Kandidaten zur Verlangsamung der Alzheimer-Erkrankung. Um betroffene Patienten trotz fehlendem Nachweis einer klinischen Wirksamkeit mit dem neuen Arzneimittel versorgen zu können, nutzte die FDA das spezielle Zulassungsverfahren „Accelerated approval pathways“. Bedingung dafür ist aber, dass das Unternehmen im Rahmen einer Phase-IV-Studie nach der Genehmigung die klinische Wirksamkeit bestätigen muss. Ist dies der Fall, erfolgt die Umwandlung in eine tra­ditionelle Zulassung. Falls nicht, steht es der FDA frei, das Arzneimittel wieder vom Markt zu nehmen.

Foto: WestPic/AdobeStock

Experten kritisieren

Nach der Zulassung in Amerika äußerten sich etliche Fachgesellschaften kritisch: So war die Hirnliga e. V. der Meinung, dass zunächst ein eindeu­tiger Zusammenhang des Surrogatparameters „Amyloidbelastung des Gehirns“ und dem klinischen Beschwerdebild bewiesen werden müsste. Erst wenn das gelinge, könne „von einem Durchbruch in der Behandlung der Alzheimer-Erkrankung gesprochen werden“. Die Alzheimer Forschung Initiative e. V wies auf die in den Studien aufgetretenen Hirnschwellungen unter Aducanumab hin, die unbehandelt zu Hirnblutungen führen können. Nach der Zulassung gab es Gerüchte, dass einige Mitarbeiter der FDA zuvor in engem Kontakt mit Biogen-Mitarbeitern gestanden hätten. Um die Vertrauenswürdigkeit der FDA nicht zu verlieren, ordnete die amtierende FDA-Chefin daraufhin umgehend eine unabhängige Bewertung der Zulassung an (DAZ 29, S. 30).

Und in Europa?

In Europa hat sich der Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) im Dezember gegen die Zulassungsempfehlung des monoklonalen Antikörpers entschieden (DAZ 51, S. 16). Begründet hat er diese Entscheidung mit dem nicht nachgewiesenen klinischen Nutzen. Zudem überwiegen nach Meinung des CHMP die Risiken den Nutzen des neuen Therapeutikums nicht. So waren nach neuesten Erkenntnissen bei mehr als 40% der Patienten, die Aducanumab in der Hochdosis von 10 mg pro Kilogramm Körpergewicht bekommen hatten, Hirnschwellungen und Blutungen aufgetreten. |

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