Die Seite 3

Aktion statt Reaktion

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Corona-Fallzahlen von 100.000 pro Tag, immer mehr jüngere Menschen betroffen, volle Intensivstationen – zweifelsohne ist das ein äußerst düsteres Szenario für unser Land. Und die Prognose des Berliner Virologen und Charité-Professors Christian Drosten gewinnt an Dramatik, wenn man realisiert, dass er sie nicht letztes Jahr für den aktuellen Winter getroffen hat, sondern erst vor zwei Wochen mit Blick auf das Frühjahr und den Sommer. Höchstwahrscheinlich steht Drosten mit dieser pessimistischen Einschätzung nicht alleine da, andererseits werden ihm nicht wenige Experten sicher auch widersprechen. Doch Drosten gehört bekanntlich zu den engsten Beratern der Bundesregierung und somit hat sein Wort – öffentlich und nicht-öffentlich ausgesprochen – einen großen Einfluss auf die der­zeitige Corona-Politik und die der nächsten Wochen und Monate.

Der Virologe geht davon aus, dass der Druck – gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Art – auf die Entscheider immer mehr zunehmen wird und sie sich deshalb gezwungen fühlen, vorschnell die Corona-Maßnahmen zu beenden. Hinzu käme, dass bereits geimpfte Menschen auf ihren individuellen Rechten bestehen werden und diese zur Not gerichtlich durch­setzen. Die Folge wäre ein sprunghafter Anstieg der Infektionszahlen – vor allem in jüngeren Bevölkerungsgruppen. Überhaupt zeigt sich Drosten sehr skeptisch und bezweifelt, dass wir auch in diesem Jahr einen so „lauen“ Corona-Sommer wie 2020 erleben. Dafür sei die Infektionsrate zu hoch und die inzwischen aufgetretenen Virus­mutationen würden der Pandemie eine ganz neue Dynamik verleihen.

Glaubt man Drosten, ist die Zeit also längst nicht mehr auf unserer Seite. Die nur schleppend beginnende Impfkampagne und der zunehmende Dilettantismus bei politischen Entscheidungen tun ihr Übriges. Es scheint, als komme man in Berlin (und zum Teil auch in den Bundesländern) aus dem Reaktionsmodus gar nicht mehr heraus. Das zeigt sich auch bei den Apothekenthemen, zum Beispiel bei der Vergütung der Maskenausgabe und bei der Freigabe der Corona-Antigentests für Laien. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte die Verteilung der FFP2-Masken an Risikogruppen in einer Hauruckaktion initiiert und sich dabei auf die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Apotheken verlassen. Doch nun fällt der Minister dem Berufsstand in den Rücken, weil er die in Aussicht stehende Vergütung – auf deren Grundlage die Bestellungen getätigt wurden – deutlich absenkt.

Ähnliches Spiel bei der Ankündigung von Corona-Selbsttests für Laien: Anstatt eine klare Ansage und Perspektive für Hersteller und Händler zu schaffen, wann und welche Produkte für wen infrage kommen, dringen aus dem Hause Spahn die Infor­mationen nur bruchstückhaft nach außen. Die Erklärer und Problemlöser sind auch in diesem Fall vor allem wir Apotheker.

Man kann Expertenmeinungen teilen oder nicht – eine Aussage von Christian Drosten aus der Anfangszeit der Corona-Pandemie wird mir lange im Gedächtnis bleiben: „Wir haben eine Naturkatastrophe, die in Zeitlupe abläuft.“ Was können wir daraus schließen? Der Hilflose wird sicher voller Ehrfurcht auf den ersten Teil dieses Satzes starren. Ein souveräner Krisen­manager weiß den zweiten Teil für sich zu nutzen und die so wichtige Zeit wieder auf die eigene Seite zu holen.

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