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E-Rezept auf gutem Kurs – aber Sorge um mögliches neues EU-Verfahren

Mitglieder des Hamburger Apothekervereins trafen sich unter 2G-Bedingungen

HAMBURG (tmb) | Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am 17. November stand die Vorbereitung auf das E-Rezept im Mittelpunkt – technisch und organisatorisch. Außerdem blickte der Vorsitzende Dr. Jörn Graue kritisch auf das VOASG. Mit Blick auf den jüngsten Rechtsstreit von DocMorris fürchtet Graue erneut einen jahrelangen Zug durch die Instanzen. Die Versammlung fand unter 2G-Bedingungen in Präsenz statt.

Graue blickte kritisch auf die Amtszeit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zurück. Die „Ära Spahn mit ihren Danaergeschenken“ hinterlasse „eine holprige Schleifspur“, „der nach wie vor eine beachtliche Sprengkraft für uns Apotheken innewohnt“. Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) besiegele „eine existenzielle Schwächung der deutschen Apotheken“. Dazu erinnerte Graue an die vielfach diskutierte Streichung des § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz, der die deutsche Arzneimittelpreisbindung auf das Ausland übertrug. Die Streichung sei widersprüchlich und inkonsistent. Gemeinsam mit namhaften Rechtsexperten bezweifle er, dass dies durchzuhalten sei. Zugleich bestätigte die Tagesaktualität diese Mahnungen. Denn am selben Tag war bekannt geworden, dass DocMorris in einem Eilantrag vor dem Sozialgericht Berlin argumentiert, dass mögliche Sanktionen der neuen Paritätischen Stelle bei einer Bonusgewährung gegen EU-Recht verstoßen würden. Graue erinnerte, er habe stets vor einer solchen Entwicklung gewarnt. Nun drohe wieder ein jahrelanger Zug durch die Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof.

„Giftgeschenk Grippeschutzimpfungen“

Außerdem mahnte Graue, durch das „Giftgeschenk Grippeschutzimpfungen“ werde die jahrhundertealte Trennung zwischen Ärzten und Apothekern außer Kraft gesetzt. Dies sei „ein beispielloser Missgriff, der das fragile Verhältnis der beiden Berufsstände zueinander einer unnötigen Belastung aussetzt.“ Es sei zu hoffen, dass der mehrheitliche Apothekertagsbeschluss dazu folgenlos bleibe. Zu den pharmazeutischen Dienstleistungen erklärte Graue, es sei „ein ganz normales Gebaren“, dass die Krankenkassen dabei auf Zeit spielen.

E-Rezept: auf Kurs trotz technischer Hürden

Zum E-Rezept erwartet Graue, dies werde trotz der schleppenden Einführung bei den Ärzten nicht gestoppt. Die Apotheker müssten hier anpacken und würden es in den nächsten zwei Jahren erfolgreich umsetzen. Allerdings gebe es noch viele technische Probleme und datenschutzrechtliche Unzulänglichkeiten. Außerdem bezweifelte Graue mit Blick auf Erkenntnisse des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums, dessen Vorsitzender er ebenfalls ist, dass die derzeitigen Regeln zu den Abrechnungsdaten für das E-Rezept EU-rechtskonform sind. Hoffnungsvoll äußerte er sich hingegen zur geplanten neuen Übertragungsmöglichkeit des E-Rezept-Tokens über die elektronische Gesundheitskarte ohne PIN. Insgesamt sieht Graue die Apotheken für das E-Rezept gut aufgestellt. Allerdings scheine sogar die partielle Einführung zum anvisierten Datum fraglich. Außerdem sei abzusehen, dass das Papierrezept daneben „noch geraume Zeit“ eine tragende Rolle spielen werde. Trotz aller Fragen zur „übermächtigen KI“ und zur digitalen Hochrisikotechnologie sei sicher, dass die Apotheker weiterhin gebraucht werden. Mit Kreativität, Begabung und Vorstellungskraft sei mehr zu erreichen als mit der Hochrechnung von Daten der Vergangenheit in die Zukunft, betonte Graue.

Foto: DAZ/tmb

Dr. Jörn Graue erwartet noch viel Arbeit für das E-Rezept.

Klage gegen DocMorris-Flyer in Krankenkassen-Zeitschrift

Zur Lage der Apotheken erklärte Graue, dass es aufgrund der Pandemie gelungen sei, „selbst den härtesten Verfechtern des freien Warenverkehrs klarzumachen, dass der ‚Ort-Apotheke‘ und dem ‚Ort-Personal‘ eine wesentlich tragendere Bedeutung einzuräumen ist als etwa jener kapitalgesellschaftlich gesteuerter EU-Versender“. In diesem Zusammenhang berichtete Graue über eine Klage des Hamburger Apothekervereins gegen eine Ersatzkasse, die nach drei gegenteiligen unterinstanzlichen Entscheidungen und entsprechender Beschwerde gegen Nichtzulassung mittlerweile vom Bundessozialgericht zur Revision angenommen worden sei. Dabei gehe es um das Beifügen eines DocMorris-Flyers in der Mitgliederzeitschrift der Krankenkasse, das vom Verein gerügt werde. Die Klage stütze sich auf das Neutralitätsgebot des Arzneiliefervertrages, aber die unteren Gerichte hätten in dem Flyer einen redaktionellen Beitrag gesehen. Doch offensichtlich sehe der dritte Senat des Bundessozialgerichts nun doch Handlungsbedarf. Der Verein stütze sich für den Wiederholungsfall auch auf eine neue Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V zur Neutralität im Apothekenwettbewerb.

Mitgliedsbeitrag wegen GEDISA-Finanzierung erhöht

Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, stimmte mit einem ausführlichen Vortrag auf die nächsten Schritte der Digitalisierung ein, wie bereits am 30. Oktober bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein (siehe DAZ 2021, Nr. 44, S. 60). Dabei ging es auch um die Bedeutung eines Branchenportals für die Apotheken. Die Apotheken könnten ihre Wertvorstellungen nur gemeinsam in die digitale Welt übertragen, erklärte Froese. Um das Apothekenportal des Deutschen Apothekerverbandes weiterzuentwickeln und zu betreiben, sei die kürzlich gegründete GEDISA als Tochtergesellschaft der Apothekerverbände nötig. Auch Graue warb für die GEDISA, „die die Digitalisierung im Sinne der Apotheke und des Patienten vorantreiben wird, damit wir nicht völlig der Fremdbestimmung anheimfallen“.

Vor diesem Hintergrund diskutierten die Mitglieder des Hamburger Apothekervereins und votierten anschließend einstimmig für die vorgeschlagene Erhöhung des Mitgliedsbeitrages auf 2500 Euro pro Jahr. Mit der Erhöhung um knapp 50 Euro pro Monat soll der Anteil des Vereins an der GEDISA finanziert werden – entsprechend dem geplanten Finanzbedarf des neuen Unternehmens. Da die GEDISA nur für die ersten drei Jahre eine Finanzierung durch die Verbände plant, soll der Beitrag nach drei Jahren überprüft werden.

Foto: Friedrich/Hamburger Apothekerverein

Dr. Peter Froese (am Podium) motivierte die Mitglieder für die nächsten Schritte der Digitalisierung.

Weiter Streit um BtM-Gebühr bei Sichtvergabe

Aus der Arbeit der Geschäftsstelle berichtete Geschäftsführer Dr. Thomas Friedrich, dass die Zahl der bearbeiteten Retaxationen im Berichtsjahr zwar deutlich abgenommen, aber der Wert ebenso deutlich zugenommen habe. Den Schwerpunkt bilde weiterhin die BtM-Substitution, weil die Abrechnung der Dokumentationsgebühr bei täglicher Sichtvergabe seit Jahren mit einigen Krankenkassen umstritten ist. Immerhin gebe es dazu nun einen Austausch über eine mögliche vertragliche Regelung. Da die Fälle aus dem Jahr 2017 zu verfristen drohen, dränge der Hamburger Apothekerverein auf eine schnelle einvernehmliche Lösung oder auf einen Verzicht der Verjährung durch die Krankenkassen. Graue dankte dem langjährigen Geschäftsführer Friedrich als „bewährtem Lotsen“, der zum Jahresende in den Ruhestand gehen wird. Sein Nachfolger Georg Zwenke arbeitet bereits seit einem Jahr in der Geschäftsführung mit.

Vorstand bei Wahlen bestätigt

Bei den turnusgemäßen Vorstandswahlen wurden die Vorstandsmitglieder Katrin Hensen, Caroline Klante, Sven Villnow und Dr. Lutz Schehrer wiedergewählt. Im Anschluss an die Mitgliederversammlung fand die konstituierende Sitzung des neuen Vorstandes statt. Dabei wurde Graue als Vorsitzender bestätigt. Die bisherige zweite Stellvertreterin Hensen ist nun erste Stellvertretende. Neuer zweiter Stellvertreter ist Villnow. Klante hatte nicht mehr als stellvertretende Vor­sitzende kandidiert. |

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