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Aus den Ländern
Wehrpharmazie ist unverzichtbar
Bericht des Arbeitskreises Wehrpharmazie
Oberfeldapotheker Mark Lutsch, Vorsitzender des Arbeitskreises Wehrpharmazie, überbrachte Grüße des Leitenden Apothekers der Bundeswehr, Oberstapotheker Arne Krappitz. Die kontinuierlich andauernden besonderen Leistungen der Wehrpharmazie für das Militär, aber insbesondere auch für das zivile Gesundheitswesen – darunter nicht nur die Übernahme der Distribution von COVID-19-Impfstoffen als nationaler Logistik-Knoten – spielten auch in diesem Jahr eine wichtige Rolle.
Blick in die Geschichte
Zur Verwendung von „Aufputschmitteln“ während des Zweiten Weltkrieges sprach Oberregierungsrat Dr. Tilmann Holzer, Referent im Bundesministerium für Gesundheit. Basierend auf den historischen Studien von Flottenarzt Dr. Volker Hartmann zur militärischen Anwendung sowie zu rezenten Aspekten des sogenannten Neuro-Enhancement als Grundlage für alle nachfolgenden Forschungen, stellte Holzer einige Wegmarken des Pervitin und der Regularien der Abgabe im zivilen und militärischen Bereich dar, die als Vorläufer der heutigen Betäubungsmittelgesetzgebung gesehen werden können. Breit gefächert und durch Anlehnung an US-amerikanische Methoden des Marketings wurde das Präparat beworben. Die Werbeabteilung der Temmler-Werke arbeitete für ihre Zeit sehr fortschrittlich, auffallend ist die breite Indikation für das zunächst in öffentlichen Apotheken nicht rezeptpflichtig erhältliche Arzneimittel. Der Großteil der Pervitin-Produktion wurde auf dem zivilen Markt vertrieben und nicht an das Militär geliefert, was die häufig kolportierte Vergesellschaftung von „Pervitin und Wehrmacht“ als Mythos entkräftet.
Flottenapotheker a. D. Dr. Gregor Peller referierte zur „Geschichte der Bundeswehrapotheken“ und konnte durch eigenes Erleben die Umwälzungen in der Struktur besonders lebhaft vermitteln. Anfangs im rechtlichen Sinne noch keine Apotheken (sie wurden 1960/1961 explizit aus dem Geltungsbereich der zivil geltenden Apotheken- und Arzneimittelgesetzgebung ausgenommen), waren diese von den Alliierten übernommenen Einrichtungen damals in erster Linie auf den Kriegsfall ausgerichtet und sehr begrenzt pharmazeutisch leistungsfähig. Erst 1976 erfolgte die lange angestrebte Einbeziehung der Bundeswehr in den Rechtsrahmen des Arzneimittelgesetzes. Insbesondere die 1990er-Jahre waren durch die sich rasch wandelnden politischen Rahmenbedingungen auch für die Wehrpharmazie bedeutsam. Wie in anderen Bereichen des Militärs wurden auch die Bundeswehrapotheken zahlenmäßig reduziert. Heute sind im Gegensatz zur seinerzeit flächigen Verteilung von kleineren Dienststellen nur noch wenige große Bundeswehrapotheken verblieben, die jedoch hinsichtlich ihrer personellen, materiellen und infrastrukturellen Ausstattung und Möglichkeiten uneingeschränkt ähnlich leistungsfähig sind wie zivile Einrichtungen. Überwiegend mit militärischem Fachpersonal besetzt und entsprechend ausgerüstet, können die heutigen Bundeswehrapotheken diese Leistung prinzipiell weltweit erbringen. Die unlängst als Dissertation verteidigte Studie von Dr. Peller, basierend auf zum Teil nur noch unikat erhaltenen Quellen, schließt facettenreich eine bisher existierende Lücke in der Forschung zur Militär- und Pharmaziegeschichte.
Große Unterstützung in der Corona-Pandemie
Oberfeldapotheker Dr. Thomas Hussenether, Leiter des pharmazeutischen Fachreferats V 1 im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, trug vor zur „Wehrpharmazie in der COVID-19-Pandemie – Rechtliche Herausforderungen bei der Pandemiebewältigung“. Die Wehrpharmazie unterstützt mit ihren umfangreichen Fähigkeiten die vielfältigen Bemühungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Hier spanne sich der Bogen von der Beschaffung und Bevorratung spezieller Arzneimittel und Medizinprodukte – sowohl für den Bedarf der Bundeswehr als auch für den Bund – über die Herstellung von Händedesinfektionsmitteln, Schaffung von Möglichkeiten zur Produktion von medizinischem Sauerstoff bis hin zur Bewirtschaftung und Distribution von COVID-19-Impfstoffen als nationaler Logistik-Hub.
Stabsapotheker David Zeidler vom Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz sprach zum „Apotheker auf der Chirurgischen Normalstation – Von der Visite bis zum Entlass-Management“. Er erläuterte eindrücklich die zu überwindenden Herausforderungen, um letztlich die gewünschte, stete, integrale und evidente Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) und Compliance der Patienten zu implementieren. Die Faktoren sind vielfältig; hervorgehoben wurde das Selbst- und Außenverständnis der Pharmazeuten als Teil des klinischen Teams. Jenseits von AMTS-Checks, Antibiotic Stewardship und Leitlinienarbeit können Apotheker auf Station als Schnittstelle zwischen Anwender und Logistik einen wertvollen Beitrag leisten. Als Bestandteil des Teams können Probleme und/oder der Bedarf abseits von Hierarchie und Standesdünkel adressiert und direkt gelöst werden. Diese Chance zum interdisziplinären Austausch führt zu gegenseitigem Verständnis und Vertrauen – die wichtigste Basis für weitergehende Projekte und die direkte Arbeit mit Patientinnen und Patienten. Zeidler betonte, dass neben verschiedenen bereits erfolgreich angelaufenen interdisziplinären Projekten der in statu nascendi befindlichen formellen und flächendeckenden Institutionalisierung der pharmazeutischen Kompetenz und guten Akzeptanz durch medizinisches Personal alltägliche Hürden im Wege stehen. Exemplarisch nannte er die häufig noch am Bett des Patienten handschriftlich geführte „Kurve“ im Kontext des Datenschutzes und der elektronischen Datenverarbeitung im Zusammenhang mit klinisch-pharmazeutischen Dienstleistungen. Dies betreffe auch die Transition von ambulanter zu stationärer Behandlung und umgekehrt. |
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