Arzneimittel und Therapie

Harnverhalt nach Becken-OP vorbeugen

Tamsulosin verbessert Blasenentleerung nach chirurgischem Eingriff

Die kurzfristige Gabe von Tamsulosin verringert den Harnverhalt nach einem chirurgischen Eingriff am weiblichen Becken bei rund jeder sechsten Betroffenen. Damit steht zur Linderung eines postoperativen Harnverhalts eine risikoarme und wirksame Maßnahme zur Verfügung.
Foto: GordonGrand/AdobeStock

Eine von elf Frauen muss im Laufe ihres Lebens wegen eines Beckenorganprolapses operiert werden.

Eine Operation am weiblichen Becken – häufig infolge eines Organprolapses oder einer Belastungsinkontinenz – führt oftmals zu einem postoperativen Harnverhalt; man schätzt, dass dies bei 15 bis 53% der Operierten der Fall ist. Die Ursachen hierfür sind unklar, das therapeutische Vorgehen ebenfalls. Eine Herangehensweise ist die Gabe von Alpha-Rezeptorantagonisten. Sie sollen zu einer Entspannung des Blasenausgangs und somit zu einer verbesserten Blasenentleerung führen. Da die bislang zu diesem Ansatz durchgeführten Studien zu keinen einheitlichen Ergebnissen führten – teilweise aufgrund unterschiedlicher Kohorten oder dem Einsatz nicht-selektiver Alpha-Rezeptorantagonisten – wurde erneut eine Studie durchgeführt, diesmal mit einer homogenen Kohorte und Tamsulosin als selektivem Wirkstoff. In dieser Studie sollte geklärt werden, ob Tamsulosin eine wirksame Option ist, um bei Frauen den postoperativen Harnverhalt nach einer Prolapsoperation zu verhindern.

An der multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie nahmen 119 Frauen teil, die aufgrund eines Prolapses einer Beckenoperation unterzogen wurden. Patientinnen der Verum-Gruppe (n = 57) erhielten drei Tage vor und sieben Tage nach der Operation täglich 0,4 mg Tamsulosin, die Probandinnen der Vergleichsgruppe (n = 62) ein Placebo. An Tag eins nach dem chirurgischen Eingriff wurde ein standardisierter Miktionsversuch durchgeführt. Primärer Endpunkt war die Entwicklung eines postoperativen Harnverhaltes. Dieser war als ergebnisloser Entleerungsversuch oder der späteren Notwendigkeit einer Katheterisierung definiert. Sekundäre Endpunkte ermittelten die Häufigkeit von Harnwegsinfektionen sowie die Auswirkungen der Therapie auf urogenitale Symptome.

Beckenorganprolaps

Unter einem Beckenorganprolaps versteht man den Vorfall (Prolaps) von im Beckenraum lokalisierten Organen wie Blase, Harnröhre, Gebärmutter oder Scheide sowie Teilen des Dünn- oder Mastdarms. Die Ursache hierfür liegt in einer Schwäche oder Verletzung der Bänder, des Bindegewebes und der Muskeln des Beckenraums. Risikofaktoren sind eine vaginale Geburt, Alter, Adipositas, Verletzungen z. B. aufgrund einer Beckenfraktur sowie chronische Belastungen. Ein Beckenorganprolaps tritt nur bei Frauen auf, das Risiko steigt mit zunehmendem Alter. Etwa eine von elf Frauen muss im Laufe ihres Lebens aufgrund eines Beckenorganprolapses operiert werden.

Jede Sechste profitiert

Patientinnen der Verum-Gruppe litten deutlich weniger unter einem postoperativen Harnverhalt als Frauen der Vergleichsgruppe (8,8% vs. 25,8%). Die Number Needed to Treat lag bei 5,9. Das heißt, bei rund jeder sechsten ­Patientin sprach die Therapie an. Im Hinblick auf die Häufigkeit von Harnwegsinfektionen gab es keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Die Symptome (ermittelt anhand der Scores des Urological Associations Symptom Index) verbesserten sich nach der Operation in beiden Gruppen, wobei der Harnstrahl in der Verum-Gruppe besser bewertet wurde als in der Vergleichsgruppe (p = 0,03). |

Literatur

Chapman GC, et al. Tamsulosin vs placebo to prevent postoperative urinary retention following female pelvic reconstructive surgery: a multicenter randomized controlled trial. AJOG Volume 225, ISSUE 3, P274.e1-274.e11, September 01, 2021

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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