DAZ aktuell

Über Apotheken liegt eine „Corona-Decke“

ABDA-Präsidentin beschreibt Herausforderungen durch Pandemie und Digitalisierung

eda | Seit fast einem Jahr ist Gabriele Regina Overwiening ABDA-Präsidentin, und seit ihrem Amtsantritt tourt sie zu den meisten Kammer- und Verbands­sitzungen – persönlich sowie vir­tuell. Auch die diesjährige Hauptversammlung der TGL Nordrhein nahm sie zum Anlass, sich und ihre Agenda vorzustellen. In ihrer Rede mahnte sie, dass im Schatten der Corona-Pandemie der Strukturwandel im Apothekensystem weiter voranschreite.

In Nordrhein-Westfalen existiert eine eigene Tarifgemeinschaft der Apo­thekenleiter – kurz TGL Nordrhein. 15 Jahre lang war Heidrun Hoch Vorsitzende. Auf der Jahreshauptversammlung am Mittwoch vorletzter Woche in Neuss übergab sie ihr Amt an Constantin Biederbick, der zuvor ihr Stellvertreter war. Hoch prägte die TGL vor allem mit ihrem standespolitischen Engagement – mitunter äußerte sie sich kritisch zu ABDA-Positionen.

„Schock des EuGH-Urteils“

In ihrer letzten Rede sagte sie beispielsweise, dass mit dem EuGH-Urteil zur Arzneimittelpreisbindung „nichts in trockenen Tüchern“ sei. Und weiter: „Rechtssicherheit hätte es nur durch ein Rx-Versandverbot gegeben, und das haben wir nicht.“ Darüber hinaus könne man noch nicht wissen, „ob das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz hält, was es verspricht“. Der PKV-Bereich sei in der Rx-Boni-Regelung außen vor, und DocMorris habe vorsorglich schon einmal angekündigt, gegen das Verbot unionsrechtlich angehen zu wollen (S. 62). Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe und seit Dezember 2020 auch Präsidentin der ABDA, nahm die TGL-Jahreshauptversammlung zum Anlass, sich und ihre Agenda vorzustellen. Seit fast einem Jahr tritt sie auf Kammer- und Verbandssitzungen virtuell und persönlich auf, um mit Delegierten und Mitgliedern in den Austausch zu treten. In ihrer Rede bei der TGL ging sie auch auf das Rx-Versandverbot ein. Ein „Schock des EuGH-Urteils“ sei es im Herbst 2016 gewesen, in dessen Folge man sich als Berufsstand „über Jahre vor allem auf sorgenvolle Forderungen konzentriert“ habe. Und weiter: „Wir wollten, dass die Ordnungspolitik uns schützt. Das war richtig, es war legitim, aber es war eine rein defensive Haltung.“ Die TGL habe im letzten Jahr die standespolitische Arbeit der ABDA „sehr deutlich kritisiert“. „Ich teile Ihre Auffassung“, so Overwiening, „dass es eines berufspolitischen Aufbruchs bedarf“. Doch zugleich warne sie davor, dass man sich als Berufsstand in Dinge verkämpft und verbeißt, „die wir von der Politik nicht bekommen“. Das Ringen um das Rx-Versandverbot verglich sie mit Don Quixote im Kampf gegen die Windmühlenflügel. Damit werde man aber, gerade angesichts der vielen weiteren wichtigen Themen auf der Agenda („Stichwort E-Rezept“), der Verantwortung für die Kollegenschaft nicht gerecht.

Overwiening hält es für geboten, dass sich der Berufsstand aktiv mit der Zukunft auseinandersetzt. Dazu zählt sie die pharmazeutischen Dienstleistungen aus den Bereichen Arzneimitteltherapiesicherheit, Adhärenz und Prävention sowie das E-Rezept, für das man nicht nur die technischen Voraussetzungen benötigt, sondern man müsse auch in den Köpfen „E-Rezept-ready“ sein. „Wir entwickeln uns dorthin, wohin wir unsere Aufmerksamkeit richten.“

Chronisch unterbezahlte Apotheken

Doch es würden nicht nur pharmazeutische und unternehmerische Herausforderungen existieren. Die Branche insgesamt blicke auf eine unklare Zukunft. Die ABDA-Präsidentin zitierte in dem Zusammenhang Frank Diener von der Treuhand Hannover. Dieser nannte die pandemiebedingten Effekte eine „Corona-Decke“, unter der sich aktuell die Apotheken befinden. Zwar habe die Krise „enorm viel Mehrarbeit“ und zusätzliche Umsätze und Erträge gebracht, doch die Apotheke bliebe in ihrem Kerngeschäft „chronisch unterbezahlt“. Hinzu komme die jahrzehntelange Abkopplung der Apotheken von der Lohnentwicklung und der Ausgabenentwicklung der übrigen Sektoren.

Overwiening sieht den Stellenwert der Apotheke vor Ort als wesentliche Infrastruktursäule vor der Pandemie als nicht ausreichend wertgeschätzt und wahrgenommen an. Trotz „Corona-Decke“ gehe die Zahl der Schließungen nicht zurück, ins­besondere weil es an pharmazeu­tischem Nachwuchs für die öffent­lichen Apotheken mangelt.

Zugleich wisse man von „vielen jungen Menschen“, dass sie sich bei der Berufswahl verstärkt nicht nur an den Verdienstmöglichkeiten orientieren, sondern daran, ob ihre Tätigkeit auch sinnstiftend ist.

Dabei habe die Corona-Pandemie gezeigt, dass sich das deutsche Apothekensystem als flexibel, agil und krisenfest, darüber hinaus als ideenreich und lösungsorientiert erwiesen habe. „Das haben Politik und Öffentlichkeit sehr deutlich wahrgenommen. Genau das hat uns eine neue Form des Respektes eingetragen“, sagt die ABDA-Präsidentin. |

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