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In der Falle

Zweitverdienerinnen durch Minijob und Ehegattensplitting benachteiligt

Die Bertelsmann Stiftung plädiert für eine Kombireform von Ehe­gattensplitting und Minijobs. So könnten über 100.000 Frauen eine attraktivere, sozialversicherungspflichtige Arbeit erhalten.

In ihrer Studie „Raus aus der Zweitverdienerinnenfalle. Reformvorschläge zum Abbau von Fehlanreizen im deutschen Steuer- und Sozialversicherungssystem“ haben Andreas Peichl, Maximilian Blömer und Przemyslaw Brandt im Auftrag der Bertelsmann Stiftung die volkswirtschaftlichen Effekte verschiedener Reformszenarien berechnet.

Denn das Ehegattensplitting und das derzeitige Modell des steuer- und abgabefreien 450-Euro-Jobs setzen falsche Anreize. Sie führen dazu, dass Frauen und gerade auch Mütter von einer Beschäftigung abgehalten werden, die mehr als einen kleinen Zuverdienst bringt und eigene Ansprüche in der Arbeitslosen- und Rentenver­sicherung aufbaut. Betroffen sind rund sechs Millionen Ehefrauen zwischen 25 und 60 Jahren, die weniger verdienen als ihr Partner. Für sie lohnt sich unter den bisherigen Bedingungen eine höhere Stundenzahl oft nicht, weil unter dem Strich kaum mehr Gehalt herauskommt.

Foto: Proxima Studio/AdobeStock

Die Forscher vom ifo Institut illustrieren dies an einem Beispiel: Der Ehemann verdient im Jahr 48.000 Euro brutto. Die Partnerin mit ihrem Minijob von rund zehn Wochenstunden und 10 Euro pro Stunde kommt auf 5400 Euro im Jahr. Beim gleichen Bruttostundenlohn, aber einem sozialversicherungspflichtigen Teilzeitjob mit 20 Wochenstunden, würden lediglich 1075 Euro mehr pro Jahr herausspringen. Das heißt, die doppelte Arbeitszeit der Ehefrau führt nur zu 20 Prozent mehr Einkommen.

Die Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung Manuela Barišić fordert daher, „Frauen und Mütter aus der Zweitverdienerinnenfalle zu befreien“. Denn Arbeit müsse sich auch für sie lohnen. Konkret schlagen die Autoren der Studie eine Kombination aus zwei Reformen vor:

  • Statt des bisherigen Ehegattensplittings sollte ein Realsplitting eingeführt werden, bei dem ein Betrag von 13.805 Euro auf die Ehefrau übertragen wird. Dieser Betrag orientiert sich an den Unterhaltspflichten und ist verfassungskonform. Eine solche Variante des Realsplittings senkt die Steuerlast der Zweitverdienerin. Damit werden der Wechsel vom Minijob zur Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung bzw. eine Erhöhung der Stunden attraktiver. Das Realsplitting begrenzt aber auch den Steuervorteil, den Paare mit besonders hohem Einkommen aus dem bisherigen Splittingmodell erzielen.
  • Bei Minijobs sollen künftig vom ersten Euro Sozialabgaben fällig werden. Von einem sehr niedrigen Niveau steigen sie sukzessive an, bis sie bei 1800 Euro den vollen Satz erreichen (das entspricht einer Vollzeitstelle mit Niedriglohn).

Zusammen ergeben die beiden Reformen drei günstige Effekte: Zum einen verursachen sie für den Staat keine zusätzlichen Kosten, wären also „nahezu aufkommensneutral“. Zum anderen würden dadurch 124.000 zusätzliche sozialversicherungs- und steuerpflichtige Stellen entstehen, davon mit prognostizierten 108.000 Jobs die große Mehrzahl für Frauen. Und zum Dritten käme die Entlastung den unteren 40 Prozent der Haushalts­einkommen zugute. |

Sigrid Joachimsthaler

Literatur

Peichl A, Blömer M, Brandt P. Raus aus der Zweitverdienerinnenfalle. Reformvorschläge zum Abbau von Fehlanreizen im deutschen Steuer- und Sozialversicherungssystem. ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V., Oktober 2021, www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/raus-aus-der-zweitverdienerinnenfalle-all

 

 

Große Aufgaben für eine künftige Koalition

Kommentar von ADEXA-Vorstand Tanja Kratt

Foto: Angela Pfeiffer/ADEXA

Tanja Kratt

Der Minijob ist ein tückisches Beschäftigungsmodell: Es gibt sicherlich Situationen, wo er über eine gewisse Zeit attraktiv sein kann. Aber allzu häufig werden Minijobberinnen und Minijobber diskriminiert, werden ihnen Urlaubstage und die Freistellung bei Krankheit oder an Feiertagen verwehrt. Und zu oft wird aus dem kurzfristigen Verdienst in der Elternzeit eine längerfristige Arbeitssituation, die sich spätestens im Alter oder auch bei einer Trennung vom Partner rächt. Ganz davon abgesehen, dass wirklich attraktive Arbeitsplätze mit Chancen auf eine befriedigende Aufgabenstellung selten mit einer so kleinen Stundenzahl zu finden sind.

Der momentane Fachkräftemangel in den Apotheken führt allerdings dazu, dass sich viele Apothekenleitungen ein Aufstocken von Stunden ohnehin wünschen. Da wäre es gut, wenn auch die gesetzlichen Rahmen­bedingungen förderlicher wären, um wegzukommen von dem ewigen Zweit- oder Zuverdiener­modell. Wenn bei den ohnehin nicht groß­zügigen Stundensätzen im Apothekenbereich durch das Ehegattensplitting auch noch Anreize für sehr niedrige Wochenstundenzahlen bzw. Minijobs gegeben werden, ist das doppelt misslich.

Für die Frauen (und Männer) in den Apothekenberufen sind daher einerseits gute Tarifgehälter wichtig (und dafür auch eine angemessene Honorierung der Apotheken!) – und andererseits Reformen, die für mehr Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und im Rentenalter sorgen. Das sei den Arbeitgebern für die kommenden Tarifverhandlungen bzw. den Verantwortlichen einer künftigen Regierung mit auf den Weg gegeben!

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