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Niedersächsischer Fortbildungskongress@home
Virtuelle Reise nach Bad Zwischenahn und „rund um die Haut“
Die zentrale Idee für den Kongress war, die bewährten Tagungen in Bad Zwischenahn so gut wie möglich online nachzuahmen, um das „Zwischenahn-Feeling“ zu erleben, wie Moderatorin Julia Fabricius erläuterte. Neben den Fachvorträgen wurden Bewegungsübungen und ein Sportprogramm mit „Wohlfühl-Yoga“ und „Stretch&Strength“ geboten, das zwei Sportwissenschaftler am Zwischenahner Meer aufgenommen hatten. Für die Pausen war eine „Terrasse“ eingerichtet, an der sich Teilnehmer an mehreren „Tischen“ für Videogespräche zusammenfinden konnten. So war auch Raum für informelle Kontakte, die bei Online-Formaten oft schwer möglich sind. Daneben bot eine virtuelle Messe Informationen über das Athina-Programm zur Arzneimitteltherapiesicherheit und über Bad Zwischenahn. Der Samstagabend klang im virtuellen Kaminzimmer mit einem inspirierenden Vortrag der Diplom-Psychologin Hannah Janßen, Oldenburg, über „Glück als Kraftquelle im Alltag“ aus. Wichtig sei, das Glück im Alltag zu sehen. Das Denken solle nicht zum „Glücksräuber“ werden, sondern wir sollten es für das Glücklichsein nutzen.
Rezepturen sind kein Luxus
Mit Blick auf das Thema „Rund um die Haut“ betonte Kammerpräsidentin Cathrin Burs die große Bedeutung von Rezepturen für maßgeschneiderte Therapien: „Rezepturen sind kein Luxus, sondern Notwendigkeit.“ Kein Arzneimittel sei so individuell wie eine Rezeptur, und die „individuelle Versorgung gehört zu den Kernaufgaben des Berufsstandes“, erklärte Burs. Um Individualität gehe es auch bei der Kommunikation. Die Menschen und die einfühlsame Beratung müssten im Mittelpunkt stehen. Daraus leitete Burs die politische Forderung ab, die Apotheken als wohnortnahe Versorgung zu stärken.
Laser und ihre Wirkungen
Im ersten Fachvortrag berichtete Prof. Dr. Jens Malte Baron, Uniklinik Aachen, über die biologischen Effekte von Laseranwendungen und verschiedenen ästhetischen Behandlungen der Haut, die er mit einem standardisierten humanen dreidimensionalen Vollhautsystem untersucht hat. Bei ablativen Laserbehandlungen wird das Stratum corneum abgetragen. Sie fördern die Proliferation. Indikationen sind beispielsweise multiple aktinische Keratosen, Lichtschäden an Körperstellen, die schwierig zu operieren sind, das Abtragen von Xanthelasmen, das Rhinophym, Aknenarben und Verbrennungsnarben. Die Gerätehersteller würden zur Nachbehandlung auf Vaseline verweisen, aber Bepanthen®-Salbe für die entscheidenden ersten fünf Tage der Wundheilung habe sich als vorteilhaft erwiesen, erklärte Baron. Außerdem müssten die Patienten jeweils vier Wochen vor und nach einer Laserbehandlung konsequenten Sonnenschutz anwenden. Die hinsichtlich der Eindringtiefe sehr gut einstellbaren Erbium:YAG-Laser in Verbindung mit 5-Aminolävulinsäure seien eine relativ neue, sehr wirkungsvolle Möglichkeit zur Behandlung der Vorstufen des weißen Hautkrebses. Nicht ablative Laserverfahren, mit denen beispielsweise hypertrophe Narben behandelt und Tattoos entfernt werden, haben hingegen einen antientzündlichen Effekt. Durch seine Untersuchungen an Hautmodellen habe Baron gezeigt, dass jedes Verfahren ein eigenes Genexpressionsprofil auslöse und damit über unterschiedliche Mechanismen wirke.
Möglichkeiten und Grenzen der Therapie durch Ernährung
Prof. Dr. Martin Smollich, Uniklinik Lübeck, trug Studien zum Einfluss der Ernährung auf Hautkrankheiten zusammen. Zur atopischen Dermatitis gebe es Tausende Studien mit unterschiedlichen Probiotika und wenige Studien mit Präbiotika. Aufgrund der Heterogenität der getesteten Ansätze sei die Datenlage widersprüchlich. Pro- und Präbiotika für Schwangere und Stillende mit atopischer Neigung seien vermutlich zur Prävention der Kinder bezüglich Atopie geeignet. Für Vitamin D und auch für Zink, die Vitamine C und E sowie die B-Vitamine sei die Supplementierung mit Blick auf die atopische Dermatitis nur angebracht, wenn ein Mangel festgestellt sei, folgerte Smollich aus den Studien. Ein Effekt von Borretschöl oder Nachtkerzenöl erscheine biochemisch plausibel, aber genügend viele Studien mit ausreichender Qualität würden zeigen, dass diese Öle hier nicht wirksam seien. Mögliche Trigger für die atopische Dermatitis seien sehr individuell, was sich durch das Mikrobiom erklären lasse. Darum seien Eliminationsdiäten nur bei eindeutiger Indikation sinnvoll und sollten zudem nach ein bis zwei Jahren überprüft werden.
Zur Psoriasis mahnte Smollich, die Immunmodulation durch diese Erkrankung erhöhe das Risiko für kardiovaskuläre Probleme. Daher sollten Psoriasis-Patienten ab dem Alter von 20 Jahren regelmäßig auf kardiovaskuläre Risikofaktoren untersucht werden und Adipositas vermeiden. Es gebe Hinweise auf günstige Effekte einzelner Nahrungsbestandteile, aber wesentlich sei das Zusammenwirken. Daher sei eine „mediterrane Ernährung“ bei Psoriasis zu empfehlen. Dabei würden 30 bis 40 Prozent der Energie über pflanzliches Öl zugeführt. Die Betroffenen sollten daher „die Angst vor Fett ausblenden“. Ob Fasten über die Gewichtsreduktion hinaus einen Effekt habe, sei „völlig unklar“. Bei Akne vulgaris bestehe die beste Evidenz für die Empfehlung, Nahrungsmittel mit hoher glykämischer Last zu meiden.
Psoriasis systemisch betrachten
Dr. Verena Stahl, Herdecke, berichtete über die Psoriasis, die sich an der Haut äußert, aber den ganzen Körper betrifft. Auch Patienten, die mit einer moderaten Erkrankung halbwegs umgehen könnten, sollten von einer systemischen Therapie überzeugt werden, um Komorbiditäten und insbesondere kardiovaskuläre Folgen zu vermeiden. Neben den konventionellen systemischen Therapien stehen zahlreiche Biologika zur Verfügung, deren individuelle Auswahl insbesondere von den Komorbiditäten abhängt. Die jüngste Leitlinie zur Psoriasis bietet dazu eine Entscheidungsmatrix. Mit einem Biologikum sollten die Symptome um mindestens 75 Prozent, mit den neueren sogar um mindestens 90 Prozent zurückgehen. Wenn die Therapie nicht erfolgreich ist, sollte das Biologikum nach drei Monaten gewechselt werden. In jedem Fall müssten die Patienten die Basispflege weiterhin sorgfältig und regelmäßig betreiben. Bei der Beratung von Psoriasis-Patienten sei auf Folgeprobleme zu achten, beispielsweise Psoriasis-Arthritis und Nagelpsoriasis. Eine Entzündung an den Sehnenansätzen, insbesondere an der Achillessehne, sei oft das erste Symptom einer Psoriasis-Arthritis.
Neue Herausforderungen durch Pilze
Mykosen der Haut und Nägel seien zu 100 Prozent heilbar, wenn die richtige Diagnose gestellt wird, erklärte Prof. Dr. Hans-Jürgen Tietz, Berlin. Die topische Therapie sei immer die Behandlungsgrundlage und nötig, um Infektionsketten zu durchbrechen. Da alle Topika nicht rezeptpflichtig sind, hätten die Apotheken dabei eine sehr wichtige Aufgabe. Da in Apotheken keine mikrobiologische Diagnostik stattfindet, sollten bevorzugt breit wirksame Antimykotika eingesetzt werden. Tietz nannte dafür Ciclopirox, Bifonazol und Sertaconazol. Insbesondere wenn der Kopf betroffen ist, müsse auch systemisch behandelt werden. Bei der ergänzenden systemischen Behandlung mit Fluconazol habe sich nach der ersten intensiven Phase der Behandlung die einmal wöchentliche Gabe bis zur vollständigen Heilung als gut verträglich bewährt.
In jüngster Zeit hätten sich einige Pilze erstaunlich verbreitet, teilweise als Folge der Corona-Pandemie, beispielsweise weil viele Menschen Haustiere angeschafft hätten. Schon vor der Pandemie habe sich ein sehr ansteckender Pilz von Katzen aus dem Mittelmeerraum ausgebreitet. Über Nacktmeerschweinchen aus Japan sei nun außerdem der Pilz Trichophyton benhamiae eingeschleppt worden. Dieser Pilz produziert Eiter auf dem Kopf und im Gesicht, was für Pilze sehr ungewöhnlich ist, und wird daher häufig nicht erkannt. Der ursprünglich aus Thailand bekannte Trichophyton mentagrophytes Typ VII sei extrem virulent und verursache eine starke Entzündung der Haut. Er werde primär sexuell übertragen und habe sich in der Pandemie insbesondere durch unkontrollierte Sexarbeit verbreitet. In der Pandemie habe zudem der altbekannte Candida albicans durch unzureichende Pflege während der Isolation von Heimbewohnern vermehrt zu Windeldermatitiden geführt. Außerdem habe sich der „klassische“ Erreger für Fuß- und Nagelpilz, Trichophyton rubrum, nach Einschätzung von Tietz durch das oft enge Zusammenleben der Familien in der Pandemie besonders verbreitet.
Die Hälfte aller Nagelveränderungen beruht auf einer Mykose – die andere Hälfte hat andere Ursachen. Bei einer Verdickung des Nagels durch einen Pilz müsse der befallene Nagel abgetragen werden, betonte Tietz. Dies könnten die Patienten wirksam und schmerzfrei selbst mit 40-prozentigem Harnstoff vornehmen. Zur Behandlung sprach sich Tietz für Ciclopirox in wasserlöslichem Lack aus, da diese Zubereitung in die Tiefe des Nagels eindringe. In schweren Fällen sei auch eine systemische Therapie nötig.
Vehikel wesentlich für therapeutischen Effekt
Prof. Dr. Rolf Daniels, Universität Tübingen, vermittelte mit vielfältigen Einblicken in die pharmazeutische Technologie eine zentrale Botschaft: Die Grundlage dermatologischer Externa ist ein essenzieller Bestandteil des therapeutischen Konzepts. Damit entscheide sie über Sinnhaftigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des eingesetzten Arzneimittels. Eine Arzneimittelauswahl, die sich nur am Wirkstoff orientiert, widerspreche den Grundsätzen einer guten pharmazeutischen Praxis, folgerte Daniels. Denn die Grundlage beeinflusst die dermato-pharmakokinetischen Eigenschaften des Wirkstoffs und entfaltet eine signifikante Eigenwirkung. Diese lässt sich modellhaft anhand einer Skala der Hydrophilie beziehungsweise Lipophilie beschreiben, aber die moderne Galenik bietet mehr, als sich damit abbilden lässt. Beispielsweise Variationsmöglichkeiten für die Konsistenz und ölige Grundlagen mit hohem Wassergehalt seien so nicht darzustellen. Durch den teilweise widersprüchlichen Gebrauch der Begriffe für die Darreichungsformen in der Dermatologie, im Arzneibuch und bei den zulassungsrechtlich verbindlichen „standard terms“ entstehe zusätzliche Verwirrung. Darum begrüßte Daniels, dass einige Hersteller neben den vorgeschriebenen standard terms die dermatologische Bezeichnung als Teil des Namens angeben. Bedauerlicherweise orientiere sich die Austauschbarkeit bei der Arzneimittelauswahl und beim Abschluss von Rabattverträgen an den standard terms, bei denen derselbe Begriff für verschiedene technologische Konzepte stehen könne. |
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