Prisma

Kleptopharmakophagie

Wenn Schmetterlinge zu Vampiren werden

Foto: BOONCHUAY/AdobeStock

Auch der dunkle Tiger (Parantica agleoides) saugt die Larven verwandter Arten aus.

us | Schmetterlinge sind bunt und hübsch anzuschauen. Gleichzeitig wirken sie sehr zerbrechlich und ­haben wenige Mittel, um sich gegen Fressfeinde zur Wehr zu setzen. Manche Schmetterlinge setzen daher auf sekundäre Pflanzenstoffe, um sich zu verteidigen. Sie kratzen an Alkaloid-reichen Pflanzen, nehmen den austretenden Saft auf und werden durch die absorbierten Alkaloide (z. B. hepatotoxische Pyrrolizidine wie Retronecin) ungenießbar. Gleichzeitig können manche Arten die Alkaloide aber auch als Vorstufen für die Biosynthese von Pheromonen wie Danaidon und Hydroxydanaidal verwenden. Auf der zu Indonesien gehörenden Insel Sulawesi machten Biologen nun eine Entdeckung, die die harmlosen Flattertiere in einem anderen Licht erscheinen lässt. Sie beobachteten Schmetterlinge aus der Unterfamilie der Danainae dabei, wie sie nicht nur an Blättern, sondern auch an lebenden Schmetterlingsraupen verwandter Arten kratzten und diese dabei verwundeten. Dann saugten sie das mit Alkaloiden angereicherte Exsudat aus den Wunden auf. Beobachtungen über drei Tage hinweg zeigten, dass die Falter wiederholt dieselben verwundeten Larven aufsuchten. Aber auch an toten Raupen vergingen sich die Schmetterlinge. Dabei waren die Tiere oft so vertieft in ihre grausige Tätigkeit, dass sie sich von den Forschern berühren ließen, ohne aufzufliegen. Der größte Teil der Schmetterlinge, die sich an der Verstümmelung der Larven beteiligten, war männlich. Zwar existieren einzelne Berichte von Schmetterlingen, die sich an den Wunden anderer verwundeter Insekten labten. Dass sie dies jedoch an verwandten Arten tun, ist neu. Die Wissenschaftler tauften das Phänomen „Kleptopharmakophagie“ und schlugen als Alternative den Begriff „Nekropharmakophagie“ vor. |

Literatur

Tea YK et al. Kleptopharmacophagy: Milkweed butterflies scratch and imbibe from Apocynaceae-feeding caterpillars. Ecology 2021:e03532. doi: 10.1002/ecy.3532

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