Arzneimittel und Therapie

Hilfe für die entzündete Haut

Tralokinumab bietet neue Perspektiven bei atopischer Dermatitis

Am 14. September findet der vierte Welt-Neurodermitis-Tag statt, der auf das häufig unterschätzte Krankheitsbild und die verminderte Lebensqualität der Betroffenen aufmerksam machen soll. Seit Juni diesen Jahres steht mit Tralokinumab eine neue Therapieoption bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis zur Verfügung. Der Antikörper hemmt gezielt das für die Pathogenese relevante Schlüsselinterleukin-13.

Die atopische Dermatitis ist die häufigste chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die bis zu 20% der Kinder und bis zu 8% der Erwachsenen betrifft. Charakteristisch sind Entzündungen der Haut, ausgeprägte Hauttrockenheit und quälendes Jucken, verbunden mit Schlafstörungen und einer deutlichen Reduktion der Lebensqualität. Die Pathogenese der atopischen Dermatitis ist multifaktoriell und beruht auf einem genetisch bedingten Barrieredefekt der Haut, einer Dysbiose des kutanen Mikrobioms sowie auf einer Th2-dominierten Immunantwort. Die T-Zell-Balance verschiebt sich in Richtung von Th2-Zellen, welche unter anderem die Zytokine Interleukin(IL)-4 und IL-13 sezernieren. Diese spielen eine Schlüsselrolle im Krankheitsgeschehen der atopischen Dermatitis. Zum einen fördern sie die Barriereschädigung und bewirken über eine gesteigerte Kollagenbildung eine epidermale Hautverdickung, zum anderen reduzieren sie die Produktion von Filaggrin und führen zur Reduktion antimikrobieller Peptide. Aufgrund der geschwächten Immunabwehr haben Keime wie Staphylococcus aureus und Herpesviren leichteres Spiel. IL-4 und IL-13 rekrutieren darüber hinaus auch Mastzellen und eosinophile Granulo­zyten, womit sie das Entzündungsgeschehen in der Haut weiter anheizen. Wichtig zu wissen: Eine gesteigerte Expression von IL-13 korreliert eindeutig mit dem Schweregrad einer atopischen Dermatitis.

Foto: Gina Sanders/AdobeStock

Neue Optionen für Härtefälle

Lange Zeit war die systemische Therapie auf unspezifische Immunsuppressiva (Corticoide, Ciclosporin) mit ­erheblichen Nebenwirkungen beschränkt. Basierend auf den neu ­gewonnenen pathophysiologischen Erkenntnissen kommen nun jedoch zunehmend gezielte und innovative Therapieoptionen zum Einsatz. Davon profitieren vor allem Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis, für die eine topische Corticoid-Behandlung allein nicht zur Krankheitskontrolle ausreicht. Einen entscheidenden Durchbruch in der Langzeitbehandlung der Neurodermitis brachte 2017 das Biologikum Dupilumab (Dupixent®). Der IL-4-Rezeptor alpha-Antikörper hemmt sowohl IL-4- als auch IL-13-Signalwege. Die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von Dupilumab in einer Dosierung von 300 mg alle zwei Wochen subkutan wurde in mehreren Phase-III-Studien belegt. Seit Juni 2021 erweitert nun ein weiteres Biologikum das Therapiespektrum bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis: der vollhumane, monoklonale IgG4-Antikörper Tralokinumab (Adtralza® 150 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Leo Pharma). Er blockiert spezifisch das für die Pathogenese relevante Schlüsselzytokin IL-13, verhindert somit die IL-13-vermittelte Signalübertragung und die entzündungs­fördernden Effekte.

Drei Studien auf einen Schlag

Gleich drei randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studien (ECZTRA 1 – 3) konnten die Wirksamkeit und Sicherheit von Tralokinumab nachweisen. Eingeschlossen waren insgesamt fast 2000 erwachsene Patienten mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis. Während ECZTRA 1 und 2 als Monotherapiestudien durchgeführt wurden, durften die Patienten in ECZTRA 3 Tralokinumab bei Bedarf mit einem topischen Corticosteroid kombinieren. In allen drei Studien erhielten die Patienten bis Woche 16 entweder initial 600 mg und dann alle zwei Wochen 300 mg Tralokinumab oder ein Placebo. Die primären Endpunkte waren ein Investigator´s Global Assessment (IGA)-Score von 0 oder 1 (erscheinungsfreie oder fast erscheinungsfreie Haut) sowie eine 75-prozentige Verbesserung des Eczema Area and Severity Index (EASI-75).

Die Ergebnisse sahen wie folgt aus: In ECZTRA 1 und 2 erreichten nach Woche 16 signifikant mehr Patienten unter Tralokinumab einen IGA-Score 0/1 (ECZTRA 1: 15,8 vs. 7,1%, ECZTRA 2: 22,2 vs. 10,9%) sowie einen EASI-75 (25,0 vs. 12,7% bzw. 33,2 vs. 11,4%). Diese Tralokinumab-Responder wurden dann weiterbehandelt mit 300 mg alle zwei oder vier Wochen oder mit Placebo. Die Mehrheit sprach bis Woche 52 weiterhin auf den Antikörper an, selbst wenn das Dosisintervall auf vier Wochen verlängert wurde. Insgesamt benötigten weniger Patienten unter Tralokinumab eine Notfalltherapie mit Corticoiden oder Ciclosporin als unter Placebo. Zudem sorgte der IL-13-Hemmer bereits nach kurzer Zeit für vermindertes Jucken sowie für einen verbesserten Schlaf und eine allgemein gesteigerte Lebensqualität.

Gute Verträglichkeit

Die ECZTRA 3-Studie spiegelte eher Real-World-Bedingungen, nämlich den Start einer Biologika-Therapie bei aktiven Hautläsionen add-on zu topischen Corticoiden. In der Studie mit 380 Patienten erreichten nach 16 Wochen mehr als die Hälfte unter Tralokinumab plus topischem Corticosteroid einen EASI-75 (56,0 vs. 35,7% unter Placebo). Nach Woche 32 waren es unter fortgesetzter zwei- oder vierwöchiger Applikation sogar rund 90 Prozent. Auch ließ das Jucken deutlich nach, und der Verbrauch an topischen Corticoiden halbierte sich. Insgesamt zeigten die Phase-III-Studien, dass Patienten eine signifikante Verbesserung der Hautsymptome sowie der Lebensqualität erreichen können, wenn allein IL-13 gehemmt wird. Tralokinumab stellt also eine gut verträgliche Langzeit-Behandlungsmöglichkeit bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis dar. Positiv ist auch, dass die Applikation mitunter auf ein vierwöchiges Intervall ausgedehnt werden kann. Zudem wurde Tralokinumab in allen drei Studien gut vertragen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Infektionen der oberen Atemwege, Reaktionen an der Injektionsstelle sowie Konjunktividen.

Schmieren, schmieren, schmieren ...

Neben all den innovativen Arzneimitteln sollte man aber in allen Stadien der Neurodermitis eine adäquate Basistherapie nicht vergessen. Worauf bei der Basispflege geachtet werden muss, um dem lästigen Juckreiz und Ekzemschüben Herr zu werden, lesen Sie im Artikel „Stabile Schutzschicht“ in der DAZ 2019, Nr. 44, S. 48. Wer gerne mehr über die Behandlung der atopischen Dermatitis und anderer Hauterkrankungen wissen will, kann sich kostenlos beim Dermagipfel unter https://akademie.dav-medien.de/derma-gipfel/ anmelden. Noch bis Februar 2022 stehen dort fünf spannende Videovorträge mit Punktezertifikat für Sie bereit.

Praxisrelevante Informationen

Zum Einsatz kommt das neue Biologikum Tralokinumab zunächst nur bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis. Die Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern unter 18 Jahren ist bisher noch nicht belegt. Während der Schwangerschaft ist die Anwendung vorsichtshalber zu vermeiden, Stillen ist gegebenenfalls zu unterbrechen. Lebendimpfstoffe und attenuierte Lebendimpfstoffe dürfen nicht gleichzeitig mit Tralokinumab angewendet werden. Die Applikation erfolgt subkutan in Bauch oder Oberschenkel, initial 600 mg (vier Injektionen zu 150 mg an unterschiedlichen Injektionsstellen), danach alle zwei (bis vier) Wochen 300 mg. Aus­zusparen sind verletzte Hautstellen, Narbengewebe oder Hämatome. Die Fertigspritze darf nicht geschüttelt werden. Nach der Entnahme aus dem Kühlschrank sollen die Spritzen vor der Injektion über 30 Minuten Zimmertemperatur annehmen.

Ein Ausblick

Effektive und sichere Langzeittherapien zur Behandlung der mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis waren lange Zeit rar. Doch derzeit drängen viele innovative Wirkstoffe auf den Markt – neben dem Biologikum Dupilumab sowie den Januskinase-Inhibitoren Baricitinib (Oluminant®) und Upadacitinib (Rinvoq®, Zulassung durch die europäische Kommision am 24. August 2021) nun auch der IL-13-Hemmer Tralokinumab. Und zahlreiche weitere Kandidaten zur Behandlung der atopischen Dermatitis befinden sich in der Pipeline der Pharmaunternehmen. Aber bei all dem Hype um die neuen Biologika und small molecules darf nicht übersehen werden, dass keiner der neuen Wirkstoffe in der Lage ist, die Gesamtheit aller Patienten gleichermaßen mit hohem Erfolg zu behandeln. Statt einer vermeintlichen Standardtherapie sollte daher vielmehr eine personalisierte Medizin in den Fokus rücken. So ließen sich zukünftig anhand von Biomarkern unterschiedliche Phänotypen der AD stratifizieren und mit passenden Wirkstoffen therapieren. Damit erhielte jeder Patient das richtige Medikament, in der richtigen Dosis, zum richtigen Zeitpunkt, so Professor Thomas Bieber, Uniklinikum Bonn. |

Literatur

Bieber T. Editorial: Neue Therapieansätze bei der atopischen Dermatitis. JDDG 2019; www.readcube.com/articles/10.1111%2Fddg.13822; Abruf am 2.September 2021

Streikiene L, Hofmann SC. Update zu Pathogenese und Therapie Atopische Dermatitis. hautnah dermatologie 2021;37(4); www.springermedizin.de/dermatologische-therapieverfahren/dermatologische-diagnostik/atopische-dermatitis/19390004; Abruf am 2. September 2021

Anhang I Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Adtralza, Informationen der europäischen Arzneimittelagentur, www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/adtralza-epar-product-information_de.pdf; Abruf am 2. September 2021

Wollenberg A et al. Tralokinumab for moderate-to-severe atopic dermatitis: results from two 52-week, randomized, double-blind, multicentre, placebo-controlled phase III trials (ECZTRA 1 and ECZTRA 2). Br J Dermatol 2021;184(3):437-449; doi: 10.1111/bjd.19574

Silverberg JI et al. Tralokinumab plus topical corticosteroids for the treatment of moderate-to-severe atopic dermatitis: results from the double-blind, randomized, multicentre, placebo-controlled phase III ECZTRA 3 trial. Br J Dermatol 2021;184(3):450-463; doi: 10.1111/bjd.19573

Apothekerin Dr. Ines Winterhagen

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