Beratung

Tetanus-Gefahr ist nicht gebannt

Mit aktiver Immunisierung gegen die gefürchteten Toxine

Dank umfassender Impfungen sowie der verbesserten Lebensbedingungen werden in Europa in den letzten Jahren nur wenige Fälle von Wundstarrkrampf berichtet. Doch die Gefahr ist immer da: die Sporen von Clostridium tetanikönnen auch durch kaum sichtbare Bagatellverletzungen z. B. bei der Gartenarbeit in den Körper eindringen. Weltweit starben 2006 ca. 290.000 Menschen an Tetanus, davon 250.000 an neonatalem Tetanus, der bei Neugeborenen und Säuglingen insbesondere in Entwicklungsländern auftritt.

Erreger und Pathophysiologie

Tetanus – auch Wundstarrkrampf genannt – wird durch das Bakterium Clostridium tetani verursacht. Bei diesem handelt es sich um ein grampositives, obligat anaerobes, bewegliches Stäbchenbakterium. C. tetani bildet Sporen aus, welche überall im Erd­boden vorkommen und dort jahrelang überleben können, sofern sie nicht Sonnenlicht ausgesetzt sind. Gegenüber Hitze und Desinfektionsmitteln sind diese Sporen unempfindlich. Ein weiteres Reservoir stellen Fäkalien von Pferden und anderen Tieren da [1]. Durch jede Wunde – auch durch kleine Bagatellverletzungen – können Sporen in den Körper gelangen. Die Sporen entwickeln sich zu einer vegetativen Form des Bakteriums, welches unter anaeroben Bedingungen in der Lage ist, zwei verschiedene Toxine zu bilden: Tetanolysin und Tetanospasmin. Das gebildete Tetanospasmin bindet an spezifische Akzeptoren an der motorischen Endplatte. Von dort erfolgen die neuronale Aufnahme und der anschließende Transport ins Rückenmark. In den Neuronen des Rückenmarks hemmt Tetanospasmin die Ausschüttung von in­hibitorischen Transmittern (Glycin, GABA), was an Muskeln zu einem erhöhten Tonus sowie den gefürchteten Spasmen führt [2].

Verbreitung

Tetanus-Sporen sind weltweit verbreitet. Die Inzidenzen in der Bevölkerung weisen große regionale Unterschiede auf und hängen in erster Linie von der Zahl der durchgeführten Immunisierungen ab. Vor allem in Ländern mit schlechter medizinischer Versorgung gibt es immer noch viele Todesfälle durch Tetanus, schätzungsweise sterben jährlich zwischen 210.000 und 290.000 Menschen daran. Besonders betroffen sind Neugeborene in Entwicklungsländern. Ungefähr 5 bis 7% der Todesfälle bei Neugeborenen sind auf Tetanus zurückzuführen. Nach Schätzungen der WHO sind im Jahr 2017 knapp 31.000 Neugeborene an Tetanus gestorben, was einer Reduktion von 85% gegenüber dem Jahr 2000 entspricht. In Europa ist Tetanus heute selten geworden. Das höchste Risiko haben ältere, nicht oder nur teilweise geimpfte Menschen. In Deutschland werden jährlich weniger als 15 Erkrankungen gemeldet [1, 3, 4].

Diagnose und Symptome

Die Diagnose wird über die klinischen Symptome gestellt. Bei ausreichender Impfung ist eine Erkrankung unwahrscheinlich. Ein Toxin-Nachweis kann mittels Tierversuch durch Injektion von Patientenserum in eine Maus erfolgen. Diese Art der Diagnostik sollte jedoch nur nach strenger Indikationsstellung nach Ausschluss anderer Erkrankungen erfolgen [1].

Es gibt drei klinische Formen des Tetanus:

  • generalisierter Tetanus
  • lokalisierter Tetanus
  • zephaler Tetanus

Der generalisierte Tetanus ist die häufigste Form des Tetanus in Mitteleuropa. Nach einer mittleren Inkubationszeit von acht Tagen (mindestens vier bis maximal 30 Tage nach Verletzung) kommt es zu einem typischen Gesichtsausdruck mit Trismus (Spastik der Kau­muskulatur) und einem fixierten Lächeln (Risus sardonicus). Dazu tritt eine spastische Tonuserhöhung von Nacken- und Rückenmusku­latur (Opisthotonus) auf, die zu Frakturen der Wirbel führen kann. Schmerzhafte Muskelkontraktionen am ganzen Körper, Atemwegs­obstruktion durch einen Stimm­ritzenkrampf sowie häufig schwere Funktionsstörung des autonomen Nervensystems (Tachykardie, Hypertonie und Schwitzen) vervollständigen innerhalb von 24 Stunden das klinische Bild eines generalisierten Tetanus. Gering­fügige äußere Reize wie Lärm, Licht oder Berührung können Reflexkrämpfe auslösen. Der klinische Verlauf des generalisierten Tetanus ist variabel, die Zahl der Todesfälle bei Krankenhausaufenthalten beträgt 20 bis 70%, in west­lichen Ländern 10 bis 20%.

Foto: Science Photo Library / NYPL / Science Source

Wundstarrkrampf Die Toxine binden sich an die Rezeptorganglioside der Neuronen und wandern etwa 5 mm pro Stunde entlang der peripheren Nerven bis zum Zentralnervensystem. Die tonischen Spasmen der Skelettmuskulatur führen zum charakteristischen Opisthotonus (Rückwärtskrampf), hier eine Illustration von 1824.

Tetanus neonatorum ist eine generalisierte Form von Tetanus, die bei Neugeborenen auftritt und weltweit die häufigste Form. Durch unzu­reichende Hygiene während der Geburt kommt es zur Kontamina­tion des Nabelschnurstumpfes mit Clostridium-tetani-Sporen. Ist die Mutter nicht gegen Tetanus geimpft, hat auch das Neugeborene keinen passiven Schutz. Nach zwei bis 14 Tagen kommt es dann zu den typischen Symptomen des generalisierten Tetanus.

Bei einem lokalisierten Tetanus beschränken sich die Symptome auf die Extremität, in der sich die Wunde befindet. Diese sind vor allem Steifheit so wie Spasmen der in der Nähe der Wunde liegenden Muskeln. Allerdings kann ein lokalisierter Tetanus in einen genera­lisierten Tetanus übergehen. Ein lokalisierter Tetanus tritt vor allem bei Teilimmunität auf.

Ein zephaler Tetanus tritt typischerweise infolge einer Verletzung an Kopf oder Nacken sowie nach einer Mittelohrentzündung auf. Die Inkubationszeit beträgt hier nur ein bis zwei Tage. Charakteristisch sind eine Schwäche der mimischen Muskulatur bis hin zur Lähmung (durch eine Lähmung des Nervus fascialis) sowie Risus sardonicus und Trismus [2, 4].

Schnelles Handel erforderlich

Die Behandlung des Tetanus beruht auf drei Säulen:

  • der Identifizierung des Eintritts­ortes und Wundtoilette,
  • der Neutralisierung von noch nicht gebundenem Toxin sowie
  • einer supportiven und symptoma­tischen Behandlung.

Zur Vermeidung einer fortgesetzten Tetanospasmin-Produktion muss zunächst die Wunde, durch welche die C.-tetani-Sporen in den Körper gelangt sind, gründlich gereinigt werden. Abgestorbenes Gewebe wird chirurgisch entfernt. Zur Reduktion des zirkulierenden Toxins wird humanes Tetanus-Immunglobulin (hTIG) verabreicht. Mittels antibiotischer Therapie (vor allem mit Metronidazol) erfolgt die Abtötung von Clostridium tetani. Zur Behandlung der Spasmen werden Benzodiazepine und andere Muskel­relaxanzien wie z. B. Baclofen eingesetzt. Darüber hinaus ist meist eine umfassende Intensivtherapie zur Erhaltung der Vitalfunktionen nötig. In Abhängigkeit von der Menge des vorliegenden Toxins kann die Wirkung vier bis zwölf Wochen anhalten. Da eine durchgemachte Tetanuserkrankung keinen Schutz vor einer erneuten Infektion bietet, sollte nach Stabi­lisierung des Patienten eine aktive Immunisierung mit Tetanus-Toxoid (TTX-Td) durchgeführt werden [1, 2].

Auf einen Blick

  • Tetanus wird durch das Bakterium Clostridium tetani verursacht.
  • Sporen von C. tetani können durch jede Wunde eindringen.
  • Tetanospasmin hemmt Ausschüttung inhibitorischer Transmitter.
  • Daraus resultierende Symptome sind Spasmen und Tonuserhöhung der Muskeln.
  • Symptome können genera­lisiert oder lokalisiert auf­treten je nach Immunstatus des Patienten.
  • Die Therapie erfolgt durch Wunddebridement, humanes Tetanus-Immunglobulin, Antibiose und Muskelrelaxanzien.
  • Die Impfung gehört zur Standardimpfung der STIKO.

Impfung ist der beste Schutz

Die Impfung gegen Tetanus gehört gemäß den Empfehlungen der Stän­digen Impfkommission (STIKO) zu den Standardimpfungen. Jeder Säugling sollte nach Vollendung des zweiten Lebensmonats eine Grundimmu­nisierung erhalten. Die Gabe von drei Impfdosen erfolgt gemäß Impfkalender [5] im Alter von zwei Monaten, vier Monaten und elf Monaten. Bei Frühgeborenen sollte eine zusätzliche vierte Dosis im Alter von drei Monaten verabreicht werden. Im Vorschulalter (fünf bis sechs Jahre) erfolgt die erste Auffrischung, eine zweite im Alter von 9 bis 16 Jahren, danach sind Auffrischungen alle zehn Jahre ausreichend. Eine Impfung ist auch bei allen anderen Personen indiziert, die keine oder nur eine unvollständige Grundimmunisierung erhalten haben, oder wenn die letzte Auffrischimpfung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Es gilt, dass jede Impfung zählt und eine einmal erfolgte Grundimmunisierung auch bei Intervallen, die mehr als zehn Jahre betragen, nicht wiederholt werden muss. Das heißt, es werden nur fehlende Impfungen der Grundimmunisierung vervollständigt, ansonsten reicht eine einmalige Auffrischimpfung alle zehn Jahre [6]. Da Tetanussporen auch über Bagatellverletzungen in den Körper gelangen können, sollten Personen mit unklarem oder fehlendem Impfschutz auch bei einer geringfügigen Verletzung eine Tetanusimpfung erhalten [1].

BezeichnungIndikationAltersbeschränkung
BoostrixTdPa-Impfstoffab vier Jahren
Boostrix PolioTdPa-Impfstoff plus Poliomyelitisab drei Jahren
CovaxisTdPa-Impfstoffab vier Jahren
HexacimaDTPa-HepB-IPV + Hib-Impfstoffab sechs Wochen
HexyonDTPa-HepB-IPV + Hib-Impfstoffab sechs Wochen
InfanrixDTPa-Impfstoffab zwei Monaten
Infanrix hexaDTPa-HepB-IPV + Hib-Impfstoff
Infanrix-IPV+HibDTPa-IPV + Hib-Impfstoff
PentavacDTPa-IPV + Hib-Impfstoffab zwei Monate
RepavaxDTPa-IPV + Hib-Impfstoffab drei Jahren
RevaxisTd-IPV-Impfstoffab fünf Jahren
Td-ImmunTd-Impfstoffab fünf Jahren
Td Impfstoff MerieuxTd-Impfstoffab fünf Jahren
Td-purTd-Impfstoffab fünf Jahren
TdaP-ImmunDTPa-Impfstoff (reduzierter Antigengehalt)ab vier Jahren
VaxelisDTPa-HepB-IPV + Hib-Impfstoffab sechs Wochen
T: Tetanus, D/d: Diphtherie, Pa: Pertussis (azellulär), HepB: Hepatitis B, IPV: Polyomyelitis (Inaktiviert), Hib: Haemophilus influenzae Typ b

Der Impfstoff gegen Tetanus ist ein Totimpfstoff, so dass dieser auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden kann. Im ersten Drittel der Schwangerschaft sollte eine Impfung nur bei dringender Indikation erfolgen, da es in diesem Zeitraum häufig zu Spontanaborten kommt und diese dann fälschlicherweise mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden könnten [7]. In Deutschland sind zur Tetanusimpfung mehrere Präpa­rate auf dem Markt. Bei diesen handelt es sich um Kombinationsimpfstoffe, die zumindest noch einen Diphtherie-Schutz umfassen (s. Tab.). |

 

Literatur

[1] Ratgeber Tetanus. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand 27. November 2018, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Tetanus.html

[2] Diagnostik und Therapie in der Neurologie – Tetanus. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, AWMF Registernummer 030/104, Stand 31. August 2017

[3] Tetanus. Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), www.who.int/health-topics/tetanus#tab=tab_1

[4] Disease factsheet about tetanus. European Centre for Disease Prevention and Control (CDC), www.ecdc.europa.eu/en/tetanus/facts

[5] Impfkalender der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) 2020/21, Epidemiologisches Bulletin 2020;34:6,

[6] Schutzimpfung gegen Tetanus: Häufig gestellte Fragen und Antworten. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand 4. Juli 2016, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Tetanus/FAQ-Liste_Tetanus_Impfen.html

[7] Kann in der Schwangerschaft und Stillzeit geimpft werden. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand 26. März 2021, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_AllgemeineFragen/FAQ08.html

[8] Tetanus-Impfstoffe, Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/tetanus-wundstarrkrampf/tetanus-node.html, Abruf 16. März 2021

Apothekerin Dr. Sabine Fischer

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