Aus den Ländern

Mehr Essen, mehr Alkohol, mehr online, weniger Sport

10. Suchtkooperationstag NRW nimmt Suchtverhalten während der Pandemie unter die Lupe

Am 1. September 2021 fand der 10. Kooperationstag Sucht und Drogen NRW unter dem Motto „Gemeinsam handeln – Vernetzung stärken“ online statt. Der Fokus wurde auf die Aspekte wie gelingende Partizipation gestaltet werden kann, wie die Corona-Pandemie sich auf den Suchtmittelkonsum ausgewirkt hat und welche kurz-, mittel- und langfristigen Konsequenzen sie besonders für junge Menschen nach sich zieht, gerichtet. In drei Fachvorträgen wurde das Thema beleuchtet.

Zu „Partizipationsmöglichkeiten in der Suchthilfe“ sprach Prof. Dr. Gerhard Trabert von der Hochschule RheinMain und Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e. V. Dabei stellte er die Notwendigkeit einer wertschätzenden partizipierenden Kommunikation mit suchterkrankten Menschen heraus. Das Verhältnis zu diesen Patienten sollte durch Verantwortung, ­Authentizität, Integrität und Gleichwürdigkeit geprägt sein. Gerade für Menschen mit sequenzieller Trauma­tisierung – Arbeitsverlust, Wohnungsverlust, Suchterfahrung – sind eine durch affektive Sympathie geprägte Ansprache und Unterstützung sehr wichtig. Ebenso ist es für suchterkrankte Menschen Teil der Partizipa­tion Bedeutung für andere zu haben – im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

Mehr als ein Drittel steigerte Alkoholkonsum

PD Dr. Anne Koopmann von der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim, berichtete über eine Studie zu „Veränderungen des Konsum- und Gesundheits­verhaltens in der Pandemie – welche Nachwirkungen werden wir erleben?“ Aus vorherigen Pandemien ist bereits bekannt, dass durch einen Lockdown Veränderungen hinsichtlich Stress­resilienz, Agoraphobie, posttraumatischen Belastungssymptomen, Waschzwängen und die Zunahme von Alkoholabhängigkeiten noch bis zu drei Jahre nach einer Pandemie beobachtet werden können. An der Studie in Deutschland haben sich vor allem Frauen und Menschen mit einem höheren Bildungsgrad beteiligt. Dabei zeigte sich zum Beispiel jetzt schon deutlich, dass mehr als ein Drittel der Befragten ihren Alkoholkonsum gesteigert haben. Bei etwa 20 Prozent war der Alkoholkonsum reduziert. Ebenso zeigte sich eine Steigerung des Onlinekonsums bei über 50% der Befragten. Während des Lockdowns wurde zudem tendenziell mehr gegessen und weniger Sport getrieben.

Düstere Zukunft

Im dritten Vortrag, gehalten von Prof. Dr. Paul Plener von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Medizinische Universität Wien, zum Thema „Jugend und Corona – Krise und Entwicklung“, stand die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Fokus. Vor allem durch fehlende soziale Kontakte mit Gleichaltrigen und typische Freizeitbetätigungen gab es erhöhte Fall­zahlen an Schlaflosigkeit, Angst und Depressionen im Vergleich zu Zahlen die 2018 im Rahmen der KiGGS-Studien veröffentlicht wurden. Mehr als ein Drittel deutscher und über 40% österreichischer Jugendlicher beurteilen die Zukunft als düster. Im Vortrag wurden auch die Ergebnisse einer Umfrage unter österreichischen Lehrlingen vorgestellt. In dieser Gruppe sind Ängste und Depressionen sowohl bei Auszubildenden, die ihre Stelle wegen Corona verloren haben, als auch bei Auszubildenden mit Kurzarbeit oder Freistellungen deutlich ausgeprägt. Bei Kindern zeigte sich, dass Homeschooling und Homeoffice keine erfolgreiche Kombination darstellen. Für Kinder sind vor allem altersadäquate Erklärungen der Umstände und ein authentischer Umgang mit den Un­sicherheiten und Unwägbarkeiten durch die Eltern wichtig. Außerdem ist auch in dieser Altersgruppe der Mangel an Bewegung ein Problem. Gerade in der aktuellen Phase empfahl Professor ­Plener deshalb, Kinder verstärkt zu ­sozialen und sportlichen Aktivitäten anzuleiten.

Im zweiten Teil der Veranstaltung bestand die Möglichkeit, sich in zehn moderierten Projektboxen über aktuelle Programme und Projekte der Suchthilfe in NRW zu informieren.

Der Suchtkooperationstag findet regelmäßig im Zwei-Jahresrhythmus statt und wird mit Förderung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS), durch die Ärzte- und Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, der Psychotherapeutenkammer NRW, die Freie Wohlfahrtspflege NRW, die Suchtkooperation NRW mit der Geschäftsstelle und den vier Landesfachstellen „Frauen und Familie – Bella Donna der Suchtkooperation NRW“ sowie den Landschaftsverbänden Westfalen-Lippe und Rheinland gemeinsam organisiert. |

Dr. Constanze Schäfer, AK Nordrhein

Die Unterlagen zum 10. Sucht­kooperationstag und weitere Informationen sind unter www.wissensuchtwege.de zu finden.

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