- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 35/2021
- „Wir leben in einer ...
Aus den Ländern
„Wir leben in einer Phase der digitalen Pubertät“
Professor Bernhard Pörksen bei der 13. Vortragsveranstaltung der Apothekerstiftung Westfalen-Lippe
Die Vorstandsvorsitzende der Apothekerstiftung, Gabriele Regina Overwiening, beschrieb in der Begrüßung und Hinführung zum Vortrag, dass die von Pörksen detektierte Erregtheit, die erstmals bei der Wahl von Donald Trump so richtig sichtbar geworden sei, inzwischen auch hierzulande Einzug gehalten habe, beispielsweise auch in den berufspolitischen Diskurs: „Diese Erregtheit kulminiert mitunter in Aggression und verbindet sich oft mit dem Wunsch nach einer allmächtigen Führungsfigur, die alles so regelt, dass sich jede Sorge für uns in Wohlgefallen auflöst. Und die vor allem keine Fehler macht“, so Overwiening. Die Kammerpräsidentin und Stiftungsvorstandsvorsitzende weiter: „Wir erleben es derzeit auch im Bundestagswahlkampf: Da wird nicht mehr um die großen Zukunftsthemen Klimawandel, Gerechtigkeit, Digitalisierung gestritten, sondern um fehlerhafte Lebensläufe, ein Lächeln zur falschen Zeit oder die Optik von Werbeplakaten und Videos.“
Wenn Geschwindigkeit wichtiger wird als Informationsgehalt
Hier zeige sich, dass wir uns derzeit noch in einer Phase der digitalen Pubertät befänden, konstatierte Bernhard Pörksen, als er in seinem Vortrag direkt an den Befund von Overwiening anknüpfte. Die damit verbundenen Gefahren für eine liberale Gesellschaft zeigte er an einer Vielzahl von Beispielen auf: Wenn Geschwindigkeit wichtiger wird als Informationsgehalt, wenn Empfehlungen und selbst Videosequenzen mit immer neuen technischen Möglichkeiten gefälscht und Social-Media-Kanäle mit einer Welle von Fake News verschmutzt werden, dann bedürfte es in Analogie zum längst entstandenen Umweltbewusstsein auch eines Öffentlichkeitsbewusstseins. Pörksen: „Hier entsteht für unsere Gesellschaft ein neuer Bildungsauftrag. Die Eine-Millionen-Euro-Frage lautet: Wie können wir der Hassrede und der Propaganda entgegentreten und gleichzeitig den Glauben an das demokratische Ideal der Mündigkeit erhalten?“
Immer nahm Bernhard Pörksen, der noch bis Mitte Oktober in Los Angeles forscht und sich dabei unter anderem auch auf die Spuren der Pioniere der digitalen Kommunikation begibt, in seinem Vortrag auch Bezug zum Gesundheitswesen. In der Corona-Pandemie hätten Fake News Hochkonjunktur gehabt, mit zum Teil tragischen Folgen, wie er am Beispiel eines amerikanischen Taxifahrers deutlich machte, der den dumpfen Parolen der Corona-Leugner folgte und seine Frau verlor. „Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben“, hatte schon der Schriftsteller Philip K. Dick festgestellt. Oder um mit Bernhard Pörksen zu sprechen: „Fake News können unter den Bedingungen der Pandemie tödlich sein.“
Das Thema Kommunikation und Digitalisierung bleibt für die Apothekerstiftung relevant: Seit dem 1. März dieses Jahres und noch bis zum 31. März des kommenden Jahres fördert die Stiftung das Projekt „Künstliche Intelligenz für Pharmazeuten“, das von PD Dr. Oliver Koch am Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Münster umgesetzt wird. |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.