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Arzneimittel und Therapie
Elektrolytspiegel aus dem Gleichgewicht
Thiazid-Nebenwirkungen treffen besonders Ältere und Frauen
Thiazide hemmen im frühen distalen Tubulus den Na+/Cl--Cotransporter, wodurch es zur vermehrten Diurese von Wasser, Natrium-, Chlorid-, Magnesium- und Kalium-Ionen kommt. Die einzelnen Vertreter unterscheiden sich hauptsächlich in ihrer Eliminationskinetik: So weist beispielsweise Hydrochlorothiazid mit sechs bis zwölf Stunden eine deutlich geringere Halbwertszeit als Chlortalidon (z. B. Hygroton®) mit 40 bis 60 Stunden auf. Dass unter einer Einnahme dieser Diuretika Elektrolytstörungen, Synkopen und Stürze auftreten können, ist bekannt. In welchem Ausmaß dies der Fall ist und ob dies für jedes Thiazid gleichermaßen gilt und auf alle Patienten zutrifft, wurde in einer Studie des Bürgerspitals Solothurn (Schweiz) untersucht. Basierend auf den Daten aller Notfallaufnahmen innerhalb von zwei Jahren wurde eine Kohorte von rund 20.000 Patienten, bei denen aktuelle Elektrolytwerte vorlagen, näher betrachtet. Dabei wurden unter anderem die Einnahme von Thiaziden sowie Synkopen und Stürze als Einweisungsgrund festgehalten.
Warum Frauen vermutlich häufiger betroffen sind
Insgesamt 1604 Patienten – das waren 7,9% der Gesamtpopulation – hatten zum Zeitpunkt der Einlieferung Thiazide eingenommen. Vergleiche mit adjustierten Vergleichsgruppen führten zu folgenden Aussagen:
Bei Patienten unter einer Thiazid-Einnahme kam es signifikant häufiger zu Hyponatriämien (22,1%) und Hypokaliämien (19%) als bei Patienten, die keine Thiazide eingenommen hatten (9,8% bzw. 11,0%). Das größte Risiko für solche Entgleisungen der Natrium- und Kalium-Spiegel wiesen Frauen und ältere Personen auf. Bereits in Untersuchungen an Mäusen konnte gezeigt werden, dass weibliche Tiere mehr Thiazid-Rezeptoren als männliche aufwiesen. Da bei den Mäusen nach Ovarektomie die Rezeptorendichte um mehr als 20% abnahm, wird auch ein Zusammenhang mit den weiblichen Sexualhormonen diskutiert. Zudem traten erwartungsgemäß unter einer Thiazid-Einnahme überproportional häufig Synkopen (6,2% vs. 3,1% in der Vergleichsgruppe; p < 0,0001) oder Stürze (20,5% vs. 7,0% in der Vergleichsgruppe; p < 0,0001) auf. Neben der Thiazid-bedingten Blutdrucksenkung sehen die Studienautoren diese auch im Zusammenhang mit den auftretenden Hyponatriämien.
Geringstes Risiko unter Hydrochlorothiazid
In einer weiteren Analyse wurden mögliche Risikofaktoren für das Auftreten von Elektrolytstörungen, Synkopen und Stürzen unter der Einnahme von Thiaziden untersucht. Dabei konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden: Eine Thiazid-Einnahme war der stärkste unabhängige Prädiktor für das Auftreten von Hyponatriämien und Hypokaliämien (Odds Ratio [OR] 1,55 bzw. 2,45; p < 0,0001). Dabei war das Risiko für solche Ereignisse nicht bei allen Thiazid-Vertretern gleich ausgeprägt. So war die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Elektrolytstörungen unter der Einnahme von Chlortalidon am höchsten (OR für Hyponatriämien 7,63 und OR für Hypokaliämien 22,7). Am geringsten war das Risiko bei Hydrochlorothiazid (OR von 2,28 bzw. 2,23). Dazwischen lagen Metolazon [in Deutschland nicht im Handel] (OR 4,93 bzw. 2,6) und Indapamid (OR 3,49 bzw. 4,7). Das Risiko für Elektrolytstörungen stieg mit höherer Dosis.
Bei Neuverordnung Elektrolytstatus überprüfen
Aufgrund dieser Erkenntnisse raten die Studienautoren zu einer zurückhaltenden Verordnung von Thiaziden. Vor allem bei Frauen und älteren Patienten ist Vorsicht geboten, zumal eine chronische Hyponatriämie die Entwicklung einer Osteoporose fördern kann. Ist ein Thiazid dennoch erforderlich, sollten bei Neuverordnung die Elektrolyte überprüft und ein Thiazid mit geringeren Auswirkungen auf den Elektrolythaushalt gewählt werden. |
Literatur
Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH; 2019
Ravioli S et al. Risk of electrolyte disorders, syncope and falls in patients taking thiazide diuretics: results of a cross-sectional study. The American Journal of Medicine 2021; doi: 10.1016/j.amjmed.2021.04.007
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