Pandemie Spezial

COVID-19-Schnelltests unter der Lupe

Website und Kalkulator der Universität Heidelberg geben Hilfestellung

Inzwischen lassen sich überall Schnelltests erstehen. Doch welcher davon führt zu den besten Ergebnissen, und wie können Tests untereinander verglichen werden? Um die Entscheidung für einen Test zu erleichtern, hat eine Arbeitsgruppe der Universität Heidelberg eine Website zur qualitativen Beurteilung von COVID-19-Schnelltests erstellt. Zudem ermittelt dort ein Kalkulator die Aussagekraft eines Tests in Abhängigkeit der Inzidenz sowie die Anzahl falsch-positiver und falsch-negativer Ergebnisse.

Derzeit werden mehr als 200 COVID-19-­Schnelltests (antigen rapid diagnostic tests; Ag-RDTs) angeboten. Bei der Kaufentscheidung für einen Test ist das wichtigste Kriterium deren Qualität im Hinblick auf Sensitivität und Spezifität. Mehrere Institutionen haben bereits Listen erstellt, um die Entscheidung zu erleichtern (s. Kasten „Listen über Antigen-Tests“). Eine im August publizierte Arbeit hat die Aussagekraft von 61 Schnelltests unter die Lupe genommen. Dazu erfasste eine internationale Arbeitsgruppe mit Wissenschaftlern des Zentrums für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg in einem systematischen Review die derzeit kommerziell er­hältlichen COVID-19-Schnelltests und beurteilte deren Spezifität und Sensitivität anhand bereits publizierter Hersteller-unabhängigen Studien. Lagen mehr als vier Studien zu einem Test vor, wurden diese mithilfe einer Metaanalyse ausgewertet. Schluss­endlich wurden 133 Studien mit ins­gesamt 112.323 Proben überprüft. Die im August veröffentlichte Arbeit greift auf Studien bis Ende April zurück, jedoch erfolgt eine wöchent­liche Aktualisierung zu jedem Schnelltest, deren Ergebnisse unter „www.diagnosticsglobalhealth.org“ einsehbar sind.

Listen über Antigen-Tests

  • Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bietet eine Liste von Antigen-Tests zum direkten Nachweis von SARS-CoV-2 an. Die Liste führt diejenigen Tests auf, die sich laut Herstellerangaben gemäß den Vorgaben des Medizinproduktegesetzes rechtmäßig in Europa bzw. Deutschland im Verkehr befinden und alle vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Abstimmung mit dem Robert Koch-­Institut (RKI) festgelegten Mindest­kriterien für Antigen-Tests erfüllen. Testsysteme, die diese Kriterien erfüllen, sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 TestVO (Testverordnung) erstattungsfähig. https://antigentest.bfarm.de/ords/f?p=110:100:3314057987641:::::&tz=2:00
  • Eine vergleichende Evaluierung der Sensitivität von Tests verschiedener Hersteller stellt das Paul-Ehrlich-­Institut zur Verfügung. Wenn sich zeigt, dass ein Test diese Evaluierung besteht, wird er in der Liste „Vergleichende Evaluierung der Sensitivität von SARS-CoV-2 Antigenschnelltests“ des Paul-Ehrlich-Instituts aufgeführt. Erfüllt ein Test diese Evaluierung nicht, wird er aus der Liste des BfArM gestrichen. www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/testsysteme.html?nn=13577266
  • Die Leitlinie der Weltgesundheits­organisation WHO bewertet den aktuellen Wissensstand zu SARS-CoV-2-­Schnelltests systematisch und entwickelt darauf basierende Empfehlungen für ihre Verwendung. Grundsätzlich kann die Leitlinie weltweit angewandt werden, richtet sich aber besonders an Ressourcen-schwache Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. https://extranet.who.int/pqweb/sites/default/files/documents/210430_EUL_SARS-CoV-2_product_list.pdf
  • Erste herstellerunabhängige Evaluierungsstudien im Preprint deuten darauf hin, dass zwischen verschiedenen kommerziell erhältlichen Testsystemen erhebliche Leistungsunterschiede bestehen. www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.05.11.21257021v1

Der letzte Abruf der genannten Seiten erfolgte am 27. August 2021

Sensitivität und Spezifität zwischen 71,2 und 98,9%

Die Arbeit kommt unter anderem zu folgenden Ergebnissen:

  • Auf alle Proben bezogen, lag die gepoolte Sensitivität und Spezifität zwischen 71,2% und 98,9%.
  • Die Sensitivität stieg auf 76,3% an, wenn die Analyse nur diejenigen Studien einbezog, die die Anweisungen der Hersteller befolgten.
  • Auf alle Tests bezogen, stieg deren Sensitivität auf 95,8%, wenn die Analysen nur Proben mit hoher Viruslast berücksichtigten.
  • Auf alle Proben bezogen lag die Sensitivität bei 83,8%, wenn die Tests innerhalb der ersten Woche nach Symptombeginn durchgeführt wurden. Wurden die Tests nach einer Woche durchgeführt, lag die Sensitivität nur noch bei 61,5%.
  • Die höchsten Sensitivitäten wurden bei anterioren nasalen Abstrichen erzielt. Auf alle Proben bezogen, lag die Sensitivität hier bei 75,5% im Vergleich zu 71,6% bei einer nasopharyngealen Gewinnung.
  • Der Antigen-Test der Firma LumiraDx zeigte mit 88,2% die höchste Sensitivität.
  • Von den sofort einsatzbereiten Tests hatte Standard Q nasal (SD Biosensor) mit 80,2% die höchste Sensitivität.

Fazit der Autoren

Trotz der Heterogenität der ausgewerteten Daten konnte gezeigt werden, dass viele Schnelltests sieben von zehn Personen erkennen, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind. Werden die Tests nur bei Personen in der ersten Woche nach Symptombeginn verwendet, steigt diese Quote auf acht von zehn. Bei Vorliegen einer hohen Viruslast werden im Schnitt sogar 9,5 von zehn Erkrankten identifiziert. Somit lässt sich mithilfe der Tests diejenige Personengruppe herausfiltern, die am wahrscheinlichsten für weitere Übertragungen verantwortlich ist. Ferner konnte gezeigt werden, dass es sehr gute Schnelltests gibt, die nur wenig falsch-positive Ergebnisse produzieren. Die Evidenzanalyse zeigte aber auch, dass es eine hohe Variabilität zwischen den Tests gibt, die sich nicht in den Angaben der Hersteller widerspiegelt, sondern nur in unabhängigen Studien.

Hilfestellung bei der Auswahl

An der Universität Heidelberg wurde die Website „www.diagnosticsglobalhealth.org“ entwickelt, in der die Ergebnisse von Evidenzanalysen zur Aussagekraft von Schnelltests wöchentlich aktualisiert und eingepflegt werden. Derzeit (Stand 27. August 2021) sind rund 70 Schnelltests aufgeführt. Neben den Werten zur Sensitivität und Spezifität finden sich Angaben und direkte Links zu den Studien, die zur Analyse herangezogen wurden (s. Abbildung 1).

Abb. 1:Evidenzanalysen zur Aussagekraft von SchnelltestsBeispielhaft ausgewählt wurde der Test Standard Q nasal (SD Biosensor; vertrieben von Roche). Die Qualität der Studie wird nach den QUADAS-Kriterien (Quality Assessment of Diagnostic Accuracy Studies included in Systematic Reviews) beurteilt; Industrieabhängigkeit oder –unabhängigkeit werden ebenfalls aufgeführt. Ferner gehen aus der Tabelle der Umfang der Proben sowie deren Gewinnung (z. B. AN = anterior nasal, MT = mid-turbinate) hervor.

 

Abb. 2: Beispiele des Kalkulators der Universität Heidelberg, der die Aussagekraft eines Schnelltests in Abhängigkeit der Inzidenz ermittelt.

Auf derselben Website findet sich ein Link zu einem Kalkulator, um die Aussagekraft eines Tests in Abhängigkeit der Inzidenz zu ermitteln und die Anzahl falsch-positiver und falsch-­negativer Ergebnisse zu erhalten. Dazu zwei Beispiele (s. Abb. 2): (A) Bei einer Inzidenz von 70,3 und einer Test-Sensitivität von 95% und einer Test-Spezifität von 99,9% liegt ein falsch-positives Ergebnis vor. Diese Werte können im Kalkulator geändert werden, und in Abhängigkeit von Inzidenz sowie Spezifität und Sensitivität erhält man die neue Anzahl falsch positiver und falsch negativer beziehungsweise richtig positiver und richtig negativer Werte. Ferner werden die negativen und positiven prädiktiven Werte angezeigt. Steigt, wie in Beispiel (B) gezeigt, die Inzidenz auf 200 und liegt die Sensitivität bei 70%, die Spezifität bei 95%, erhöht sich die Zahl der falsch-positiven Ergebnisse auf 50. |

Literatur

Rapid antigen tests for the diagnosis of a SARS-CoV-2 infection. Informationen des Uniklinikums Heidelberg, www.klinikum.uni-heidelberg.de/diagnostics-global-health, Abruf am 27. August 2021

Brümmer LE et al. Accuracy of novel antigen rapid diagnostics for SARS-CoV-2: A living systematic review and meta-analysis. PLoS Med 18(8): e1003735.doi: 10.1371/journal.pmed.1003735

Test-Kalkulator, https://diagnostics-global-health.github.io/rechner/, Abruf am 27. August 2021

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Weiterer Beitrag des Pandemie Spezials in DAZ 2021, Nr. 35

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