Arzneimittel und Therapie

Gut schlafen mit Daridorexant?

Was man von dem Orexin-Blocker erwarten kann

Schlafstörungen – ein leidvolles Thema im Apothekenalltag. Der Wunsch nach erholsamem Schlaf ist groß, notfalls auch mit medikamentöser Unterstützung. So greifen viele regelmäßig zu den altbekannten und oft auch risikobehafteten Sedativa. Neue Therapieoptionen wären wünschenswert. In den Startlöchern steht der neue Orexin-Antagonist Daridorexant.

Mehr als 20% der Erwachsenen leiden regelmäßig unter Schlafstörungen – die Lebensqualität der Betroffenen ist dadurch oft erheblich eingeschränkt. Nach der International Classification of Sleep Disorders (ICSD) werden Schlafstörungen in sechs Hauptgruppen unterteilt. Dabei wird zwischen Insomnien (Ein- und/oder Durchschlafstörungen), Hypersomnien (Tagesschläfrigkeit, z. B. bei Narkolepsie), Parasomnien (Auffälligkeiten während des Schlafens, z. B. Schlafwandeln), zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen und schlafbezogene Bewegungs- und Atmungsstörungen unterschieden. Die Insomnien sind am häufigsten vertreten – die Prävalenz liegt bei 10 bis 15%. Sie können entweder primär als eigenständiges Krankheitsbild oder sekundär infolge anderer Erkrankungen (z. B. chronische Schmerzen) entstehen.

Foto: leszekglasner/AdobeStock

Schnelle Hilfe ist gefragt

Kommt es regelmäßig zu einem nicht erholsamen Schlaf, fühlen sich die Betroffenen erheblich in der Bewältigung ihres Alltags eingeschränkt. Es kommt unter anderem zu Konzentrationsstörungen, Erschöpfung und Antriebsmangel. Die Betroffenen suchen daher schnell nach einer Lösung ihres Problems und fragen gezielt nach Schlafmitteln. Phytotherapeutika und sedierende Antihistaminika stehen in der Selbstmedikation zur Verfügung. Darüber hinaus werden häufig auch Benzodiazepine und Z-Substanzen verordnet. Dabei sollten Tabletten nicht die erste Wahl sein – zunächst sollte nach der Ursache der Schlafstörungen gesucht werden und Maßnahmen der „Schlafhygiene“ (z. B. späte und üppige Mahlzeiten am Abend vermeiden) ergriffen werden. Die Einnahme von Sedativa sollte – wenn überhaupt – nur kurzfristig und bei klarer Indikationsstellung erfolgen. Bei Missbrauch muss verstärkt mit Hang-over-Effekten am nächsten Tag sowie Abhängigkeit gerechnet werden.

Wunsch nach neuen Therapeutika

Der Wunsch nach neuen Wirkprinzipien zur Linderung von Schlafstörungen ist groß – Hoffnungsschimmer ist der Wirkstoff Daridorexant. Er wurde ausschließlich zur Behandlung von Insomnien entwickelt und greift im Orexin-System an. Über die beiden Neuropeptidhormone Orexin A und Orexin B und ihre Rezeptoren (OX1R und OX2R) wird der Schlaf-Wach-Rhythmus gesteuert. Die beiden Hormone fördern den Wachzustand. Arzneistoffe, die die Orexin-Wirkung durch Rezeptorblockade antagonisieren, sollen den Schlaf fördern und die nächtlichen Wachphasen reduzieren. In Deutschland ist noch kein entsprechender Arzneistoff zugelassen.

Daridorexant im Test

Daridorexant wirkt als dualer Orexin-Rezeptor-Antagonist. Das Schweizer Pharmaunternehmen Idorsia hat die ersten positiven Ergebnisse zweier Phase-III-Studien des Wirkstoffs im Rahmen des SLEEP Kongresses (Kongress der American Academy of Sleep Medicine und der Sleep Research Society) im Juni 2021 vorgestellt. In beiden Studien wurden insgesamt mehr als 1850 Patienten mit Insomnien eingeschlossen – 40% der Teilnehmer waren 65 Jahre oder älter. Die Studien wurden an 160 Zentren in 18 Ländern über je drei Monate durchgeführt. In der ersten Studie erhielten die Teilnehmer täglich Daridorexant in einer Dosis von 25 mg bzw. 50 mg oder Placebo. In der zweiten placebokontrollierten Studie lag der Dosisbereich zwischen 10 und 25 mg Dari­dorexant. Als primäre Endpunkte ­wurden der Effekt auf die Aufrecht­erhaltung des Schlafes und die Leistungsfähigkeit am Tag untersucht. ­Gemessen wurden die Effekte objektiv in einem Schlaflabor mittels der Polysomnografie und subjektiv über ein Patiententagebuch.

Narkolepsie als Folge eines Orexin-Mangels

80 bis 90% aller Narkolepsie-Patienten weisen einen Mangel an Orexin auf (Typ-1-Narkolepsie). Dieser wiederum führt zu den typischen Symptomen wie Tonusverlust der Skelettmuskulatur und Schlafattacken, die wenige Minuten bis zu einer Stunde andauern können. Der Orexin-Mangel resultiert wahrscheinlich aus der auto­immunen Zerstörung Orexin-­haltiger Neurone im Hypothalamus. Dagegen weisen Narkolepsie-Patienten vom Typ 2, dessen Ursache immer noch ­unklar ist, normale Orexin-Werte auf und erleiden keinen Tonusverlust der Muskulatur.

Bessere Leistungsfähigkeit

In beiden Studien konnte gezeigt werden, dass Daridorexant im Vergleich zu Placebo signifikant die Schlafzeiten erhöhte und die Tages-Leistungsfähigkeit verbesserte – der Nutzen war auch im dritten Monat der Studie anhaltend. Die Wirksamkeit war im Dosisbereich von 25 bis 50 mg am größten – in der 10-mg-Dosierung konnten zwar numerische Verbesserungen jedoch ohne statistische Signifikanz gezeigt werden. Unerwünschte Ereignisse traten bei über einem Drittel der Teilnehmer auf. Am häufigsten wurde über Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Müdigkeit und Nasopharyngitis berichtet. Restwirkungen am nächsten Morgen wurden von den Studienteilnehmern mithilfe der visuellen Analogskala beurteilt; zwei Teilnehmer berichteten über suizidale Gedanken. Hingegen konnten Rebound-Effekte oder Entzugserscheinungen nach Absetzen der Therapie nicht festgestellt werden.

Fazit

Die ersten Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit von Daridorexant sind positiv – Langzeitergebnisse fehlen. Das Wirkprinzip ist interessant – bleibt abzuwarten, ob Daridorexant die Behandlung von Schlafstörungen revolutioniert und zur Sprunginnovation wird. |

Literatur

Schlafstörung. Informationen der DocCheck Medical Services GmbH. verfügbar unter: https://flexikon.doccheck.com/de/Schlafst%C3%B6rung, Abruf am 01. Juli 2021

Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH; 2019

Grandjean CM et al. A dual, equipotent, and insurmountable antagonist of both orexin-1 and orexin-2 receptors. Sleep 2021; Volume 44, Abstract Supplement

Heidenreich S et al. A benefit-risk assessment of daridorexant for the treatment of insomnia using patient preference data from two phase 3 trials. Sleep 2021; Volume 44, Abstract Supplement

Idorsia announces positive results in the second phase 3 study of daridorexant, Pressemitteilung der Idorsia Ltd. 6 Juli 2021

Leger D et al. Absence of Withdrawal Symptoms and Rebound Insomnia Upon Discontinuation of Daridorexant in Patients with Insomnia. Sleep 2021; Volume 44, Abstract Supplement

Orexin-Rezeptor-Antagonisten. Informationen der PharmaWiki GmbH, www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Orexin-Rezeptor-Antagonisten, Abruf am 01. Juli 2021

Zammit G et al. Daridorexant Improves Total Sleep Time (TST) in Insomnia Patients Without Altering the Proportion of Sleep Stages. Sleep 2021; Volume 44, Abstract Supplement

Apothekerin Dr. Martina Wegener

Das könnte Sie auch interessieren

Zulassungsempfehlung für neuartiges Schlafmittel

Endlich einschlafen mit Daridorexant?

EMA empfiehlt neuartiges Schlafmittel Quviviq

Endlich einschlafen mit Daridorexant?

Schlafstörungen adäquat mit bekannten und neuen Wirkstoffen behandeln

Nicht mehr schlaflos durch die Nacht

Die Differenzialtherapie einer schweren Insomnie

Ausgeschlafen

Was wir nach 25 Jahren über Orexine wissen

Aktives Leben mit dem Essen harmonisieren

Vertreter der Orexin-Rezeptorantagonisten hemmt übermäßige Wachheitssignale

Innovatives Schlafmittel Daridorexant

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.