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„Wo gute Versorgung stattfindet, soll auch angemessen vergütet werden“
Die DAZ im Gespräch mit den Unionsvertretern Michael Hennrich und Karin Maag
Die Stuttgarterin Karin Maag legte nach drei Wahlperioden zum 1. Juli ihr Bundestagsmandat nieder. Seitdem ist sie unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Michael Hennrich, seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags, möchte dagegen im Parlament bleiben. Weil er über die CDU-Landesliste nicht abgesichert ist, strebt er in seinem Wahlkreis Nürtingen wieder das Direktmandat an. Ein Selbstläufer ist das aber nicht, wie Hennrich direkt zu Beginn des Gesprächs klarstellt: „Man hat ja erlebt, dass sich in Baden-Württemberg die Stimmenanteile sehr massiv verändert haben. Es sieht zwar jetzt besser aus. Aber man kann Stand heute nicht sicher sagen, dass ich dem nächsten Deutschen Bundestag angehören werde. Ich muss um mein Direktmandat kämpfen.“
Wie bewerten die beiden Gesundheitspolitiker nun rückblickend die vergangene Legislaturperiode? Abgesehen von der herausfordernden Corona-Krise beschreibt Maag sie als „Digitalisierungsjahre“. Man habe im Gesundheitssystem – vor allem in der ambulanten Versorgung – viel erreichen können, obwohl es insgesamt ein schwieriger Prozess gewesen sei. Hennrich erklärt, dass die Pandemie sowohl der Politik als auch der Öffentlichkeit etwas sehr Wichtiges deutlich gemacht habe: „Medizinische Versorgung hat einen Wert und ist nicht nur ein Kostenfaktor.“ Insgesamt habe er gespürt, dass es von vielen Seiten mehr Wertschätzung für das Gesundheitssystem gibt. „Der Stellenwert der Gesundheitspolitik war in den letzten beiden Jahren noch nie so hoch wie in den 20 Jahren davor.“ Diese positive Entwicklung hat sich seiner Meinung nach auch auf das Selbstverständnis der Apotheker ausgewirkt: „Die Apothekerinnen und Apotheker waren sich in den letzten Jahren immer wieder unsicher, was ihr Stellenwert im System ist.“ Doch hier habe es einen Paradigmenwechsel gegeben: Spätestens durch die Corona-Krise habe der Berufsstand deutliche Wertschätzung erfahren. „Es ist nicht selbstverständlich, wie sich die meisten Apotheken eingebracht haben, um diese Pandemie zu bekämpfen“, ergänzt Maag. In den Wahlkreisen hätten die Vor-Ort-Versorger nicht gewartet, bis irgendwelche Anordnungen aus der Politik kamen. „Die haben organisiert, ohne dass es eine Veranlassung gegeben hat.“
„Herzensanliegen“ Rx-Versandverbot blieb unerfüllt
Abseits der Pandemie wurde mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG), das im vergangenen Dezember nach langem Ringen in Kraft getreten ist, eine historisch bedeutende Apothekenreform eingeläutet. Sie verbietet EU-Versendern Rx-Boni für GKV-Versicherte und ermöglicht die Einführung vergüteter pharmazeutischer Dienstleistungen. „Leider Gottes konnten wir nicht das Herzensanliegen umsetzen“, sagt Hennrich rückblickend. „Wir hätten schon gerne das Versandhandelsverbot über die Wupper gebracht.“ Der CDU-Politiker hatte diese Absicht damals auch bei der endgültigen Abstimmung im Parlament vorgetragen. Immerhin sei man nicht, wie von der FDP-Fraktion gefordert, auch noch vom tatsächlichen Boni-Verbot abgewichen und hätte einen sogenannten Boni-Korridor von wenigen Euro zugelassen. Hennrich glaubt, dass das VOASG in den nächsten Jahren für Rechtssicherheit und -klarheit sorgen wird. „Es geht um strukturelle Verbesserungen, den Einstieg in die pharmazeutischen Dienstleistungen, das E-Rezept sowie die Modellvorhaben zu den Grippeimpfungen.“ Maag merkt an, dass durch die Digitalisierung ohnehin sehr viel im Fluss sei. „Es gibt keinen Stillstand.“ Doch sie sieht die Apotheker in der Bringschuld: Sie müssten auf die Politik zugehen und sagen, ob und wo es bei Dienstleistungen oder beim E-Rezept Veränderungsbedarf gebe.
Keine offene Baustelle
Es wirkt, als ob die Bundestagswahl 2021 für die Union apothekenpolitisch bequemer laufen könnte als noch vier Jahre zuvor. Im Wahlprogramm wird lediglich die Absicht formuliert, dass alle Bürger einen digitalen, wohnortnahen und möglichst barrierefreien Weg unter anderem zu Apotheken haben sollten. Ansonsten geht es vor allem um die Arzneimittel- und Medizinprodukteproduktion. Im Jahr 2017 schrieb man sich noch konkret das Rx-Versandverbot ins Programm. „In der Tat gibt es aktuell keine offene Baustelle und keinen zwingenden Handlungsbedarf“, sagt Hennrich. „Kann ja auch mal gut sein aus Sicht der Apotheker“, fügt er augenzwinkernd hinzu.
Doch wird eine Bundesregierung mit Beteiligung der CDU angemessen auf beispielsweise Marktverschiebungen durch das E-Rezept reagieren? Darauf Hennrich: „Die Problematik um den E-Rezept-Token ist das beste Beispiel, dass wir etwas tun, wenn gezeigt wird, dass Handlungsbedarf herrscht.“ Im Mai hatte der Bundestag das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz (DVPMG) verabschiedet. Darin brachte die Große Koalition unter anderem ein gesetzlich verankertes Makel- und Zuweisungsverbot für den E-Rezept-Token auf den Weg. „Wir sind permanent gefordert, den Markt zu beobachten, ob die gleichlangen Spieße zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern tatsächlich eingehalten werden.“
Nachhaltigkeit und Klimaschutz ganz oben auf der Agenda
Für Hennrich ist auch die Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. Ende September 2019, als man sich noch öffentlich zu Demonstrationen für Klimaschutz traf, tagte in Berlin das „Klimakabinett“ und in den Medien wurde viel über die Klimamaßnahmen der Großen Koalition berichtet. Im Gespräch mit der DAZ erklärte Hennrich damals überraschend, warum auch Versandhändler, Apotheker und Großhändler ihre Arbeitsweisen ändern sollten, und dass er sich über eine Reduzierung der Großhandelstouren freuen würde. Das Interview sorgte in der Branche für große Aufmerksamkeit und zum Teil auch für Empörung. Doch Hennrich bleibt bei seinen Visionen: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich da was tut.“ Es sei ein Irrglaube, zu denken, es verändert sich nichts. Wenn sich in Deutschland die meisten Branchen und Bereiche grundlegende Gedanken zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz machen müssen, dann dürften sich die Apotheker und Großhändler davon nicht ausnehmen. „Die höchsten Emissionen werden im Straßenverkehr erreicht, also muss es ein Umdenken bei der Lagerhaltung und den Großhandelstouren geben.“ Für Vorschläge sei man jederzeit sehr offen. „Die Apotheker müssen sagen, welchen Beitrag sie leisten können“ so Hennrich. Er habe schon Signale aus den Spitzenorganisationen der Apotheker vernommen, dass entsprechende Vorschläge und Konzepte erarbeitet werden. Nachhaltigkeit und Klimaschutz: „Die nächste Legislaturperiode wird diese Überschrift haben – egal, wer an der Regierung ist“, prophezeit der Gesundheitspolitiker.
Auf die Frage, ob die Apotheken abseits der neuen, vergüteten Dienstleistungen in den nächsten Jahren eine Anpassung des Packungshonorars erwarten dürfen, erklärt die neue G-BA-Vertreterin Maag: „Die Krankenkassen schreiben deutlich rote Zahlen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da beim Thema Honorare der Leistungserbringer ganz viel Luft ist.“ Mit einem Sonderzuschuss von 7 Milliarden Euro aus Steuergeldern will die Bundesregierung die gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr unterstützen. Doch die Situation sei keine Gefahr für die neuen Dienstleistungen an sich. „Dafür war das Thema zu groß und bedeutend“, so Maag.
Hennrich versucht den Leistungserbringern trotz der angespannten Finanzlage eine Perspektive zu verschaffen: „Unser Ziel muss sein, dass wir die hohe Motivationslage, die wir in vielen Gesundheitsberufen haben, auch halten.“ Apotheken, die innovativ seien und sich engagieren, sollten dies spüren. „Dort wo gute Versorgung stattfindet, soll auch angemessen vergütet werden“, erklärt der CDU-Politiker, „die reine Erhöhung des Fixums ist und war dabei nie das beste Instrument.“ So habe er aus Richtung der Krankenkassen bereits zurückgemeldet bekommen, dass sie die Botendienstvergütung als ein Instrument ansehen, das sich bewährt habe.
Mit Blick auf die Novellierung der Approbationsordnung sagt Hennrich, hier biete sich die Chance, „dass das, was sich die Apotheker jetzt als Standing erarbeitet haben, Niederschlag in die Ausbildung findet.“ Allerdings sei in den Gesprächen, die er in den letzten Jahren mit Standesvertretern geführt habe, vom Thema Approbationsordnung nie die Rede gewesen. Der CDU-Politiker sieht die Apotheker hier in der Bringschuld: „Wenn wir nichts hören, dann gehen wir davon aus, dass alles seinen guten Weg geht.“ Und Maag ergänzt: „Wissensvermittlung muss andersherum laufen. Es wäre schlimm, wenn die Politik vorgeben müsste, was in der Approbationsordnung steht. Politik verschließt sich keinen guten Ideen.“ |
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