Arzneimittel und Therapie

Cannabidiol gegen Frauenbeschwerden

Breites Einsatzspektrum in der Gynäkologie

Neben Tetrahydrocannabinol zählt Cannabidiol zu den am besten untersuchten Inhaltsstoffen der Cannabisblüten. Wie Erfahrungen aus der Praxis und Anwendungsbeobachtungen zeigen, scheint Cannabidiol auch bei einigen gynäkologischen Beschwerden hilfreich zu sein.

Die Blüten und Blütenextrakte von medizinisch verwendetem Cannabis (Medizinal-Cannabis) enthalten mehr als einhundert verschiedene Cannabinoide, darüber hinaus Terpene (z. B. Myrcen, Limonen), antioxidativ wirkende Flavonoide und weitere biologisch aktive Substanzen. Am besten erforscht sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Forschungen der letzten Jahre haben auch gezeigt, dass Terpene die Wirkung der Phytocannabinoide unterstützen. Dieses synergistische Zusammenspiel der Cannabis-Inhaltsstoffe wird als Entourage-­Effekt (entourage – franz. Gefolge, Umgebung) bezeichnet. Während Tetrahydrocannabinol ausschließlich an Rezeptoren des Endocannabinoidsystems vom Typ CB1 angreift, ist Cannabidiol ein Partialagonist an CB1- und CB2-Rezeptoren. Nach bisherigen Erkenntnissen vermittelt Cannabidiol analgetische und antiinflammatorische, darüber hinaus beispielsweise auch anxiolytische, antipsychotische und immunstimulierende Wirkungen. Außerdem besitzt es schlaffördernde Eigenschaften, ohne die Schlafarchitektur zu verändern, erläuterte die Gynäkologin Dr. med. Gudrun Lorenz-Eberhardt, Graz (Österreich), anlässlich des virtuellen 2. Medicinal Cannabis Congress am 4. Juni 2021. Eine psychoaktive Wirkung und ein Missbrauchspotenzial besitzt CBD nicht. Aufgrund dieser Eigenschaften eröffnen sich für Cannabidiol in der Gynäkologie verschiedene Einsatzmöglichkeiten.

Foto: The Colonel/AdobeStock

Medizinisch genutzte Cannabis-Pflanzen werden durch Kreuzung von Cannabis sativa mit C. indica und C. ruderalis gewonnen, um bestimmte Eigenschaften zu erreichen. Ziel ist es unter anderem, dass die Pflanzen schnell und gleichmäßig wachsen und viele Blüten ansetzen, die das jeweils gewünschte Verhältnis von THC und CBD enthalten. Auch die Optimierung des Verbrauchs an Nährstoffen, Wasser und Energie spielt beim kommerziellen Anbau von Medizinal-Cannabis eine Rolle.

Cannabidiol bei Dysmenorrhö

Die Rationale für einen Einsatz von CBD bei Dysmenorrhö ist eine Hemmwirkung auf die Kontraktilität der ­Gebärmuttermuskulatur. Außerdem bewirkt CBD nach bisherigen Erkenntnissen Veränderungen in der Wahrnehmung von Schmerzzuständen. Lorenz-Eberhardt empfiehlt Patientinnen mit Dysmenorrhö, bereits einige Tage vor Menstruationsbeginn ein bis zwei Pipetten eines 5- bis 10%igen Cannabidiol-Öls an die Wangenschleimhaut oder unter die Zunge zu applizieren und vor dem Schlucken etwa eine halbe Minute im Mund zu behalten. Eine halbe Stunde danach sollte kein Wasser getrunken werden. Die Wirkung setzt etwa 15 bis 20 Minuten nach der Einnahme ein. Diese Behandlung kann auch zusätzlich zu anderen Therapien, beispielsweise der Einnahme von Mönchspfeffer-Präparaten oder Akupunktur, angewendet werden. Während einer schmerzhaften Monatsblutung ist eine weitere Option, Cannabidiol-Öl direkt auf einen Tampon zu geben, sodass es von der Vaginalschleimhaut aufgenommen werden kann. Bei Patientinnen mit Dysmenorrhö, die Cannabidiol anwendeten, beobachtete die Gynäkologin eine Reduktion des Schmerzmittel­gebrauchs, eine Verbesserung der Lebensqualität und eine Reduktion der Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage.

Cannabidiol bei vulvovaginaler Atrophie

In der Prämenopause kommt es aufgrund des Abfalls der Estrogen-Spiegel bei Frauen häufig zu Hitzewallungen, Schweißausbrüchen oder Schlafstörungen. Als besonders belastend werden Veränderungen im Scheidenbereich empfunden, die aus morphologischen und funktionellen Veränderungen im Vaginalepithel resultieren. Dazu zählen z. B. ein vulvovaginales Trockenheitsgefühl, Brennen und Schmerzen bei Geschlechtsverkehr oder die Neigung zu Scheideninfektionen. Für Frauen, die eine hormonfreie Behandlung dieser Beschwerden wünschen, kann Cannabidiol eine Option sein. In einer Anwendungsbeobachtung wurde bei 756 Frauen im Alter zwischen 45 und 82 Jahren mit vulvovaginaler Atrophie und bei 543 Frauen zwischen 18 und 45 Jahren mit rezidivierenden Kolpitiden (mindestens drei Scheideninfektionen innerhalb der vergangenen sechs Monate) die Effektivität von 1%iger Cannabidiol-haltiger Pflegecreme und 0,5%igen Cannabi­diol-haltigen Vaginalsuppositorien geprüft. Die Scheidenzäpfchen wurden in der Apotheke nach Individualrezeptur mit Hartfett als Grund­lage hergestellt. Die Teilnehmerinnen wendeten über drei Monate jeden zweiten Abend ein Scheidenzäpfchen und tagsüber die Pflegecreme an. Subjektiv empfanden alle Frauen eine Symptomlinderung, 75% von ihnen berichteten über eine Abnahme ihrer Beschwerden. Bei der gynäkologischen Untersuchung zeigten sich unter anderem eine deutliche Abnahme der Verletzlichkeit der Vaginalwände und weniger Mikroblutungen (Petechien). Bei rezidivierenden Kolpitiden wurde Cannabidiol mit einer Lactobazillen-­Therapie kombiniert.

Literaturtipp

Cannabis – es geht weiter!

Im März 2017 trat das „Cannabis-Gesetz“ in Kraft, zur Erleichterung vieler Patienten, die Cannabis als ihre letzte Chance sehen. Falsche Erwartungen, hohe bürokratische Hürden in der Verschreibung und Unsicherheiten im Umgang mit Blüten und Co. haben der anfänglichen Euphorie einen Dämpfer versetzt. Doch das Interesse ist nach wie vor ungebrochen. Die wichtigsten Fragen sind:

  • Welche Sorten und Darreichungsformen von Cannabis sind verfügbar?
  • Wem wird was auf welcher recht­lichen Grundlage verschrieben?
  • Welche Indikationen sprechen auf Cannabis an?
  • Wie sind Anwendung, Wirkung und Nebenwirkungen für den Patienten?
  • Wie gestalten sich Beschaffung, Lagerung und Prüfung in der Apotheke?

Neu in der 2. Auflage sind die Kapitel „Rezeptur und Labor“ mit praktischen Tipps zur Verarbeitung, Kennzeichnung und Dokumentation Cannabis-basierter Medikamente und das Kapitel „FAQ“. Der medizinische Teil wurde erweitert und die Liste Cannabis-­basierter Medikamente sowie deren Bezugsquellen aktualisiert.

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Von Klaus Häußermann, Franjo Grotenhermen und Eva Milz

Cannabis
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Deutscher Apotheker Verlag 2018

 

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Cannabidiol bei Vulvodynie

Unter Vulvodynie versteht man chronische Vulvaschmerzen unbekannter Ursache, die über mindestens drei Monate bestehen. Körperliche Ursachen sind nicht erkennbar, die mikrobio­logische Untersuchung der Vaginalschleimhaut auf Bakterien, Viren oder Pilze liefert negative Ergebnisse. Die Patientinnen berichten über Missempfindungen am Scheideneingang, stechend brennende Schmerzen im Vulvovaginalbereich, gehäuften imperativen Harndrang sowie Schmerzen am Rücken und im Unterbauch beim Sitzen. Als Ursachen für dieses Krankheitsbild vermutet man eine Verspannung der Beckenbodenmuskulatur mit gestörter Schmerzwahrnehmung, myo­fasziale Triggerpunkte und eine Tonuserhöhung der Muskulatur mit einhergehender entzündlicher Reaktion. Der Einsatz von Cannabidiol kann bei diesen Patientinnen zusätzlich zu physiotherapeutischen und psychotherapeutischen Maßnahmen zur Entspannung des Beckenbodens beitragen.

CBD bei menstruationsbedingter Migräne und Narbenschmerzen

Auch bei menstruationsbedingter Migräne oder Spannungskopfschmerz gibt es gute Erfahrungen mit Cannabidiol. In diesen Indikationen wird die Sub­stanz entweder oral oder lokal mittels eines Rollers im Stirn- und Nacken­bereich angewendet. Auch bei Narbenschmerzen, zum Beispiel nach Brustoperationen aufgrund eines Mammakarzinoms, hat sich die lokale Anwendung bewährt. Bei Mamma­karzinom-Patientinnen, aber auch bei Patientinnen mit anderen Erkrankungen, ist zu beachten, dass Cannabidiol durch das Cytochrom-P450-System der Leber verstoffwechselt wird, hauptsächlich über CAP3A4 und CYP2C19. Deshalb sind Wechselwirkungen möglich, beispielsweise ein verringerter Abbau von Tamoxifen bei gleichzeitiger oraler Einnahme von Cannabidiol. |

Literatur

Lorenz-Eberhardt G. Erfahrungen mit CBD als natürliche Alternative zu Schmerzmitteln mit Schwerpunkt Gynäkologie. Vortrag beim 2. Medicinal Cannabis Congress, 4. Juni 2021

Häußermann H, Grotenhermen F, Milz E. Cannabis Arbeitshilfe für die Apotheke. 2. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2018

Teuscher E, Lindequist U, Melzig MF. Biogene Arzneimittel. 8. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2020

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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