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Arzneimittel und Therapie
Methylphenidat gegen Altersdepression
Kurzzeittherapie überzeugt in Kombination mit Citalopram
Die Altersdepression wird als schwere depressive Störung von Erwachsenen über 60 Jahren definiert. Sie ist oftmals mit weiteren Begleiterkrankungen und kognitiver Dysfunktion assoziiert. Neben Veränderung der Lebensgewohnheiten wie vermehrte körperliche Aktivität und Verbesserung des Ernährungszustandes kommen auch psychotherapeutische Interventionen und medikamentöse Therapien zum Einsatz. Am häufigsten werden selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI), Bupropion und Mirtazapin verordnet. Trotz allem sprechen über die Hälfte der Betroffenen nicht ausreichend auf die antidepressive Medikation an – so steigt das Risiko für psychosoziale Beeinträchtigungen, Rückfälle und Mortalität. Alternative Therapieoptionen sind zur Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten notwendig.
Psychostimulans im Test
Das Psychostimulans Methylphenidat ist zur Behandlung des Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndroms (ADHS) in Tagesdosen bis maximal 80 mg bei Erwachsenen zugelassen. Seit Jahren wird es auch im Off-Label-Use zur Therapie der Altersdepression eingesetzt – obwohl die Evidenz nicht eindeutig belegt ist. Ziel des aktuellen systematischen Reviews von Smith et al. war es, die Wirksamkeit und Sicherheit von Methylphenidat zur Behandlung der Depression im Alter zu beurteilen. Hierzu wurden die Datenbanken PubMed (1946 bis Dezember 2020) und Embase (1947 bis Dezember 2020) gesichtet. Dabei wurden ausschließlich randomisiert-kontrollierte und Open-label-Studien, in denen Methylphenidat zur Depressionsbehandlung Erwachsener im Alter über 60 Jahre eingesetzt wurde, herangezogen. Insgesamt wurden fünf prospektive Studien mit 234 Studienteilnehmern in die Auswertung eingeschlossen. Die Studiendauer schwankte zwischen acht und 16 Wochen; die Teilnehmer erhielten entweder Methylphenidat alleine oder in Kombination mit Citalopram.
Signifikante Symptomverbesserung
In allen Studien konnte gezeigt werden, dass sowohl die Mono- als auch die Kombinationstherapie geeignet sind, die depressiven Symptome signifikant zu verbessern. In einer Studie konnte jedoch festgestellt werden, dass die Remissionsrate unter der Kombinationstherapie signifikant höher war als unter Methylphenidat oder Citalopram alleine. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Angstzustände, Konzentrationsstörungen, Sedierung, Schlafstörungen, Mundtrockenheit, Diarrhö und Polyurie.
Laut den Studienautoren ist Methylphenidat am effektivsten wirksam, wenn es gleichzeitig mit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Citalopram kombiniert und kurzzeitig initial verabreicht wird – das Ansprechen und die Remission werden so schneller erreicht. Dabei sollte die Methylphenidat-Dosis zu Beginn niedrig (2,5 mg bis 5 mg/Tag) gewählt und langsam alle ein bis zwei Wochen auf 10 bis 20 mg/Tag in Abhängigkeit der individuellen Ansprechrate erhöht werden. Die Citalopram-Dosierungen lagen in den untersuchten Studien bei 10 bis 60 mg/Tag und somit zum Teil über der Maximaldosis von 20 mg/Tag für Erwachsene über 60 Jahren, wodurch das Risiko für QT-Zeit-Verlängerungen steigt.
Weitere Studien notwendig
Die Aussagekraft der Studienergebnisse ist jedoch begrenzt – so wurde in allen Studien eine gleichzeitige Anxiolyse-Therapie mit Lorazepam oder Chlorpromazin gestattet. Außerdem umfassten die Studien nur eine kleine Studienpopulation, und auch die Dauer war ohne Follow-up-Verlauf begrenzt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Methylphenidat besonders in Kombination mit Citalopram dazu beitragen kann, depressive Symptome im Alter zu verbessern. Es sind jedoch größere klinische Langzeitstudien erforderlich, um zu einem abschließenden Ergebnis zu gelangen und daraus künftige Therapieempfehlungen ableiten zu können. |
Literatur
Smith KR, Kahlon CH, Brown JN, Britt RB. Methylphenidate use in geriatric depression: A systematic review. Int J Geriatr Psychiatry 2021; doi:10.1002/gps.5536
Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH; 2019
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