Aus den Ländern

Höhen und Tiefen der Pandemie­bekämpfung

Online-Kammerversammlung in Schleswig-Holstein

KIEL (tmb) | Die Hoffnung auf mehr Honorar für Corona-Impfstoffe, schlechte Aussichten für Corona-Tests und ein differenzierter Rückblick auf die bisherige Pandemie waren zentrale Themen bei der Online-Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 9. Juni. Außerdem diskutierte die Versammlung über ein Modellprojekt für Grippeimpfungen und beschloss das „regulierte Herunterfahren“ der QMS-Zertifizierungen sowie Dynamisierungen für Renten und Anwartschaften im Versorgungswerk.

Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen erklärte, dass er noch eine Reaktion des Bundesgesundheitsministeriums zum Apothekenhonorar für die Corona-Impfstoffe erwartet. Die bisher aus­gebliebene Honorarerhöhung sei ein Affront gegen die Apothekerschaft. Jede Woche gelte es seitenweise Änderungen umzusetzen. Dies mit 6,58 Euro pro Vial zu vergüten, „geht an der Wirklichkeit komplett vorbei“, so Christiansen.

Foto: imago images/Rene Traut

Schnell reagiert haben die Apotheken, als es 2020 Engpässe bei Desinfektionsmitteln gab – sie stellten diese selbst her. Eine der vielen geschulterten Tätigkeiten, die nicht wirklich gewürdigt wurden.

Erfahrungen aus der Pandemiebekämpfung

In seinem Bericht erklärte der Kammerpräsident: „Arzneimittelversorgung lässt sich nicht aus dem Home­office sicherstellen.“ Zugleich betonte er die zahlreichen bürokratischen Belastungen für die Apotheken. Dennoch würden sie in der Pandemie vielfältige zusätzliche Aufgaben schultern. Dabei stellte Christiansen dar, was gut lief und wo die Zusammenarbeit mit anderen problematisch war. Die Apotheken hätten eine Vorreiterrolle bei der Installation von Spuckschutzwänden übernommen und sehr schnell Des­infektionsmittel hergestellt. Schon im Sommer 2020 hätten sie angeboten, die Verteilung von Schutzausrüstung zu übernehmen, seien aber nicht gehört worden. Später sei die Maskenverteilung „übers Knie gebrochen“ worden. Außerdem habe eine Arbeitsgruppe von Apothekern in Schleswig-Holstein ein schlüssiges Konzept zur Rekonstitution des Biontech-Impfstoffes vorgeschlagen, das vom Land aber nicht angenommen wurde. Dass in den Impfzentren in Schleswig-Holstein keine Apotheker eingesetzt würden, sei nicht nur der angeblich fehlenden Transportstabilität, sondern auch dem Druck der Ärzteschaft zu verdanken, erklärte Christiansen. ­Eine erfolgreiche Aktion auf Landesebene seien dagegen die zweimal wöchentlichen Corona-Tests bei Lehrern und Kindergartenmitarbeitern gewesen. Fast 200 Apotheken hätten dies in kürzester Zeit umgesetzt. Die Abrechnungen dafür hätten die Geschäftsstelle jedoch an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht. Christiansen betonte, dass die Kammer den vollen Betrag von über 4,9 Millionen Euro ohne Abrechnungsgebühr an die Apotheken weitergereicht habe. Aus diesen Tests seien später die Bürgertests und die Tests für Touristen in Modellregionen geworden. So habe das flächendeckende Apothekennetz auch zum Entstehen der Modellregionen beigetragen.

Zur Maskenverteilung beklagte Christiansen, dass die Marketingaktionen einiger „schwarzer Schafe“ dazu geführt hätten, dass alle Apotheken unter Generalverdacht gestellt worden seien. Zu den Corona-Tests kritisierte er die unterschiedliche Honorierung von Ärzten und Apotheken und die geplante Honorarkürzung. Wie damit die Qualität zu steigern sei, bleibe ihm schleierhaft. Vielmehr würden zahlreiche Apotheken diese Aktivitäten nun einstellen. Christiansen forderte: „Statt wie geplant das Honorar abzusenken, sollte der Bundesgesundheitsminister dafür sorgen, dass die Tests nur durch wirkliches Fachpersonal durchgeführt und angemessen und gerecht honoriert werden.“ Als Fazit betonte Christiansen die großen Leistungen des Gesundheitssystems in der Pandemie: „Wir sind keine Kostenverursacher, wir sind unverzichtbar.“ Daher habe es das System verdient, gestärkt zu werden.

In der Diskussion verteidigte Christiansen die Öffentlichkeitsarbeit der ABDA gegen die Kritik, die Apotheker seien zu wenig wahrnehmbar. Christiansen verwies auf eine frühere Äußerung von ABDA-Pressesprecher Dr. Reiner Kern, die Apotheker dürften sich dabei nicht mit den Ärzten vergleichen. Zur Position, die Apotheker würden in der Pandemie Aufgaben als „Lückenbüßer“ erfüllen, entgegnete Christiansen: „Ich fühle mich nicht als Lückenbüßer.“

Modellprojekt von AOK und Gehe zur Grippeimpfung

Außerdem wurde über das Modell­projekt der AOK Nordwest und des Pharmagroßhändlers Gehe zu Grippeimpfungen diskutiert. Christiansen hatte dazu berichtet, die Ärztekammer habe ihn daraufhin in ihre Kammerversammlung eingeladen, um zu erklären, was die Apotheker in die Lage versetze zu impfen. Daraufhin habe er daran erinnert, dass der Bundes­gesundheitsminister den Apothekern diese Aufgabe übertragen möchte, ohne dass diese darum gebeten hätten. In der Kammerversammlung der Apothekerkammer ging es allerdings darum, warum das Modellprojekt von einem Großhandel organisiert wird und wer sich daran beteiligen kann. Christiansen erklärte dazu, dass die Apothekerkammer und der Apothekerverband derzeit keine Kapazitäten für ein solches Projekt hätten. In der weiteren Diskussion wurde betont, dass das Projekt auf Beitrittsverträgen beruhe. Es sei daher offen für weitere Krankenkassen und für alle Apotheken aus der Modellregion, auch wenn sie keine Gehe-Kunden sind.

QMS-Zertifizierung wird ­„heruntergefahren“

Die Kammerversammlung beschloss, die QMS-Zertifizierungen durch die Kammer auslaufen zu lassen. Denn das Interesse an Zertifizierungen sei deutlich zurückgegangen, weil Apotheken zwar über ein QMS, aber nicht über eine Zertifizierung verfügen müssten, erklärte Jutta Clement, Lei­terin der Fortbildungsakademie der Kammer. Daher sei ein „reguliertes Herunterfahren“ angebracht. Daraufhin werden beantragte Zertifizierungen und Rezertifizierungen noch bis Ende 2021 abgearbeitet, aber keine neuen Anträge mehr angenommen.

Renten und Anwartschaften erhöht

Der Geschäftsführer des Versorgungswerkes der Kammer, Dr. Stefan Zerres, stellte das Ergebnis des Versorgungswerkes für 2020 vor. Die Nettorendite von 3,71 Prozent sei „sehr ordentlich“, insbesondere angesichts der Pandemie. Der größere Teil des Ergebnisses werde in die Zinsreserve eingestellt. Die Kammerversammlung folgte dem Vorschlag von Zerres zur Ver­wendung des weiteren Überschusses und beschloss, sowohl die Renten als auch die Anwartschaften um jeweils 1,5 Prozent zu erhöhen. |

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