Beratung

Aber bitte ohne Sahne!

Was bei Lactose-Intoleranz zu beachten ist

Gegen Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfälle oder Verstopfung gibt es zahlreiche Präparate für die Selbstmedikation. Doch vor dem schnellen Griff in die Sichtwahl sollten die Symptome der Betroffenen genauer hinterfragt werden. Treten diese häufig nach dem Essen auf, könnte eine Lactose-Intoleranz vorliegen.

Bei allen Magen-Darm-Beschwerden, die regelmäßig auftreten und/oder mit starken Schmerzen verbunden sind, ist zunächst eine ärztliche Abklärung zu empfehlen. Schwerwiegende Erkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder ein Tumor müssen dabei ausgeschlossen werden. Häufig vermuten Betroffene, dass es sich bei der Lactose-Intoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit) um eine Lebensmittelallergie handelt, was nicht der Fall ist. Vielmehr besteht bei der Lactose-Intoleranz ein Mangel des Dünndarmenzyms Lactase (β-Galactosidase), das die Lactose aus der Nahrung in die Monosaccharide Galactose und Glucose spaltet. Fehlt dieses Enzym, gelangt die Lactose in den Dickdarm, wo sie von anaeroben Bakterien zu Milchsäure, Methan, Wasserstoff, Kohlendioxid und weiteren Abbauprodukten umgewandelt wird, die die typischen Sym­ptome hervorrufen. Je nachdem, wie viel Restaktivität der Lactase vorliegt, können Betroffene geringe Mengen Milch oder Milchprodukte noch vertragen. Von der Lactose-Intoleranz, die zu den Malabsorptionsstörungen gehört, abzugrenzen sind Milcheiweißallergien, bei denen bereits kleinste Mengen der Lebensmittel zu allergischen Reaktionen führen. Es handelt sich dabei um Immunglobulin-E- oder zellulär vermittelte allergische Reaktionen, die im Säuglingsalter auftreten, sich nach dem ersten Lebensjahr aber häufig zurückbilden.

Foto: arinahabich/AdobeStock

Wenn Schlagsahne nicht vertragen wird, könnte eine Lactose-Intoleranz dahinter stecken. Sie zählt zu den häufigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Die Prävalenz in Europa wird auf 15 bis 20% geschätzt.

Evolutionsvorteil durch ­Milchviehhaltung?

Physiologisch besitzen Säuglinge eine hohe Lactase-Aktivität, um die Milchzucker-reiche Muttermilch verdauen zu können. Nach dem Abstillen verringert sich normalerweise die Enzymproduktion. Die Fähigkeit, auch im jugendlichen und erwachsenen Alter ausreichend Lactase bilden zu können, wird als Lactase-Persistenz bezeichnet. Ursache ist eine Mutation in der Genregion der Lactase, die vor mehreren Tausend Jahren stattgefunden hat, weitervererbt wurde und wahrscheinlich in zeitlichem Zusammenhang mit dem Beginn der Milchviehhaltung steht. Forscher erklären damit die unterschiedliche geografische Verteilung der Lactose-Intoleranz. Am verbreitetsten ist die Fähigkeit, lebenslang Milch ohne gastrointestinale Beschwerden trinken zu können, in Nordeuropa. So liegt die Prävalenz der Lactose-Intoleranz in Skandinavien nur bei etwa 5 bis 10%, im Mittelmeerraum dagegen zwischen 70 und 80% und in Asien und vielen Teilen Afrikas zwischen 70 und 100%.

Diagnostik bringt Klarheit

Zu den typischen Symptomen einer Lactose-Intoleranz zählen krampf­artige Bauchschmerzen, Völlegefühl, Übelkeit, Diarrhö, Obstipation, Meteorismus und Flatulenz. Häufig, aber nicht immer, treten sie in relativ kurzem Abstand zu einer Mahlzeit auf. Darüber hinaus berichten Betroffene von Symptomen, die nicht primär mit Magen-Darm-Problemen in Verbindung gebracht werden, beispielsweise Kopfschmerzen, chronische Müdigkeit, Schwindel oder Konzentrationsstörungen. Für die Beratung in der Apotheke eignet sich ein von Experten entwickelter Fragebogen (s. Kasten „Wie wahrscheinlich ist eine Lactose-Intoleranz?“). Mit ein­fachen Fragen kann so ermittelt werden, ob es wahrscheinlich ist, dass die Beschwerden auf eine Lactose-­Intoleranz zurückzuführen sind.

Wie wahrscheinlich ist eine Lactose-Intoleranz?

Mit einfachen Fragen kann ermittelt werden, ob Beschwerden möglicherweise auf eine Lactose-Intoleranz zurückzuführen sind. Werden mindestens fünf der folgenden Fragen mit „Ja“ beantwortet, ist die Wahrscheinlichkeit hoch und eine entsprechende ärztliche Diagnostik zu empfehlen:

  • Ich leide häufig nach dem Essen an Bauchschmerzen.*
  • Ich habe immer wieder Blähungen.*
  • Ich habe immer wieder Durchfälle oder schmierige Stühle.
  • Die Beschwerden treten meistens 30 Minuten bis drei Stunden nach dem Essen auf.
  • Wenn ich Milch trinke oder auch wenn ich Milchprodukte esse, treten meine Beschwerden auf bzw. nehmen sie zu.
  • Ich habe eine Abneigung gegen Milch.
  • Bei meinen Eltern, Großeltern oder Geschwistern wurde bereits eine Lactose-Intoleranz diagnostiziert.
  • Meine ethnischen Wurzeln liegen in Südeuropa, Asien, Afrika oder Südamerika.
  • Im Urlaub in Südeuropa, Asien, Afrika oder Südamerika nehmen meine Beschwerden meist ab.

* Bei Frauen gelten mit „Ja“ beantwortete Fragen nur, wenn die Beschwerden unabhängig vom Menstruationszyklus auftreten.

(nach [Smollich M, Vogelreuter A. Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2018])

Als Goldstandard zur Diagnose der Lactose-Intoleranz hat sich der Wasserstoffatemtest etabliert. Er beruht darauf, dass beim bakteriellen Abbau von unverdautem Milchzucker im Dickdarm unter anderem Wasserstoff entsteht. Dieser gelangt über die Darmwände in die Venen und wird schließlich über die Lunge abgeatmet. Beim Test wird der Anstieg der H2-Konzentration im Vergleich zum Ausgangswert bestimmt.

Die individuelle Lactose-Schwelle ermitteln

Die Lactose-Intoleranz ist nicht heilbar. Ihre Behandlung stützt sich auf zwei Säulen:

  • eine Lactose-arme Ernährung und
  • eine individuell angepasste Supplementation mit Lactase.

Mit einer üblichen Ernährung nehmen wir täglich ca. 20 bis 30 g Lactose auf. Je nach Ausmaß der Lactase-Restaktivität kann bereits mit einer Lactose-­armen Diät (8 bis 10 g Lactose/Tag) oder erst mit einer Lactose-freien Ernährung (< 0,1g Lactose/Tag) Beschwerdefreiheit erreicht werden. Die individuelle Lactose-Toleranzschwelle wird ermittelt, indem einige Tage eine streng Lactose-freie Diät eingehalten wird, bei der neben Milch- und Milchprodukten auch alle Lebensmittel zu meiden sind, die „versteckte“ Lactose enthalten, denen Milchpulver oder Lactose zugesetzt wurde. Im Abstand von wenigstens zwei Tagen werden dann Lebensmittel mit steigendem Lactose-Gehalt aufgenommen, bis nicht mehr akzeptable Beschwerden auftreten.

Häufig befürchten Betroffene, dass die Einnahme von Tabletten mit dem Hilfsstoff Lactose zu Magen-Darm-Beschwerden führen kann. Tatsächlich sind die darin enthaltenen Mengen so gering, dass nur bei schwerer Lactose-Intoleranz Symptome zu befürchten sind.

Auch in zahlreichen Milchprodukten sind die Lactose-Mengen so niedrig, dass sie von Betroffenen in geringen Mengen verzehrt werden können. Dazu zählen Käse, vor allem Hartkäse wie Parmesan, sowie Joghurt. Bei dessen Herstellung wird Milchzucker durch die Joghurtkulturen zu Milchsäure vergoren und dadurch der Lactose-Anteil stark reduziert. Ein weiterer Vorteil für Betroffene ist, dass heute fast jedes Lebensmittelgeschäft Lactose-freie Milch sowie Erzeugnisse daraus anbietet. Bei der Herstellung inkubiert man Kuhmilch mit biotechnologisch aus Mikroorganismen gewonnener Lactase. Mindestens 98% der Lactose werden dabei abgebaut. Daran schließt sich eine Pasteurisierung an. Obwohl das Lebensmittel nach dieser Behandlung als Lactose-frei deklariert werden darf, enthält es noch einen Lactose-Gehalt, der unter der analytischen Nachweisgrenze von 0,1% liegt und bei Betroffenen in der Regel keine Beschwerden verursacht. Da die Endprodukte D-Glucose und D-Galactose jedoch eine höhere Süßkraft als Lactose besitzen, schmeckt Lactose-freie Milch süßer als herkömmliche Kuhmilch. Wer das nicht akzeptieren möchte, kann auf eine Vielzahl von pflanzlichen Milchalternativen zurückgreifen (s. Kasten „Pflanzendrinks als Milchalternative“).

Pflanzendrinks als Milchalternative

Foto: aamulya/AdobeStock

Laut Gesetz müssen Getränke auf Basis von Getreide wie Hafer und Reis, Hülsenfrüchten wie Soja und Erbsen, Mandeln oder Nüssen als Drinks bezeichnet werden. Umgangssprachlich wird häufig der Begriff Pflanzenmilch verwendet. Das Angebot ist sehr vielfältig. Während Hafer-, Soja-, Mandel- und Reisdrinks die Produktpalette dominieren, sind auch Kokos-, Erbsen-, Süßlupinen-, Walnuss- oder Hanfdrinks erhältlich. Neben dem namensgebenden Ausgangsstoff und dem Hauptbestandteil Wasser sind häufig Zusätze wie Sonnenblumen- oder Rapsöl, Meersalz, (Rohr)Zucker, Vanilleextrakt, Calcium-Salze oder die Calcium-reiche Meeresalge Lithothamnium calcareum enthalten. Bei Verbrauchern spielen bei der Kaufentscheidung neben Geschmacksvorlieben („Barista-Haferdrink“ für den Kaffee) die Nährstoffzusammensetzung und häufig auch Umweltaspekte eine Rolle. So erreichen Sojadrinks den Eiweißgehalt der Kuhmilch oder liegen sogar darüber, wohingegen Haferdrinks eiweiß- und fettarm sind. Sie enthalten jedoch natürlicherweise Zucker, der bei der Herstellung aus der Stärke entsteht. Wegen einer möglichen Beimischung von Weizen oder Roggen beim Anbau und bei der Ernte sind Haferprodukte nicht glutenfrei. Für eine Glutenfreiheit müssen in den Herstellerbetrieben bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Für Zöliakie-Patienten sind Reisdrinks eine Alternative. Wegen des hohen Wasserverbrauchs beim Anbau und langer Transportwege schneidet Reis allerdings hinsichtlich der Ökobilanz schlechter ab als das einheimische Getreide Hafer. Auch Soja für Pflanzendrinks stammt heute zum Teil aus Anbaugebieten in Deutschland. Pflanzliche Milchalternativen, zum Beispiel aus Hafer oder Mandeln, lassen sich auch einfach selbst herstellen. Im Internet finden sich unter Stichworten wie „Pflanzendrinks selbstgemacht“ zahlreiche Rezepte.

Supplementation mit Lactase

Bei Fertigprodukten oder beim Essen außer Haus ist der Lactose-Gehalt der Speisen häufig nicht bekannt. Für diese Fälle kann die Apotheke Lactase-Präparate empfehlen, die in verschiedenen Formen und unterschiedlichen Enzymaktivitäten erhältlich sind (s. Tab.). Üblicherweise wird in den Präparaten das Enzym Tilactase verarbeitet, das mikrobiologisch aus dem Schimmelpilz Aspergillus oryzae gewonnen wird. Wenn Kunden mit Lactose-Intoleranz zusätzlich an einer Fructose-Malabsorption leiden, sollten ihnen keine Präparate mit Zuckeraustauschstoffen wie Sorbit oder Xylit empfohlen werden. Lactase-haltige Kapseln können Gelatine enthalten und sind daher ungeeignet für Kunden, die aus religiösen oder anderen Gründen auf tierische Produkte verzichten möchten.
 

Tab.: Produkte mit Lactase bzw. Tilactase (Auswahl) Die Aktivitäten der Lactase-Präparate werden in FCC (Food Chemical Codex) angegeben. Das ist eine Maßeinheit der Food and Drug Administration (FDA) für die Effektivität chemischer Substanzen in Nahrungsmitteln. 1000 FCC-Einheiten entsprechen einer Enzymaktivität, die ausreicht, um in vitro 5 g Milchzucker zu hydrolysieren. Das entspricht dem Lactose-Gehalt von 100 ml Milch. In vivo sind für die Spaltung dieser Lactose-Menge bis zu 5000 FCC-Einheiten erforderlich. NEM: Nahrungsergänzungsmittel, AM: Arzneimittel
Produktname (FCC-Einheiten)
Darreichungsform
Einstufung
Doppelherz® Lactase (4500)
Tabletten
NEM
Laluk® (4500)
Kapseln
NEM
Lactostop® (3300; 5500; 14.000)
Tablette
NEM
Lactostop® (9000)
Sticks
Lactrase® (1500; 3300; 6000; 12.000; 18.000)
Kapseln
NEM
Lactrase® (6000; 18.000)
Tabletten
Lactrase® vegetarisch (3300)
Kapseln
Taxofit® Lactase sofort (7000)
Schmelztabletten
NEM
Tilactamed® (2000)
Kautabletten
AM

In den Packungsbeilagen oder im Internet finden sich Tabellen mit Angaben zum durchschnittlichen Milchzuckergehalt von Lebensmitteln. Die Hersteller von Lactase-Präparaten geben an, wie viel Gramm Lactose mit einer Tablette oder Kapsel umgesetzt werden können. Lactase-Supplemente werden während des Essens oder kurz davor eingenommen. Dabei ist zu beachten, dass das Enzym temperaturempfindlich ist. Temperaturen unter 8 °C bzw. über 50 °C können seine Aktivität verringern. Auch Eisen-Ionen können die Lactase-Aktivität reduzieren, deshalb ist ein Einnahmeabstand von drei Stunden zwischen Eisen- und Lactase-Präparaten zu beachten. |

Literatur

Smollich M, Vogelreuter A. Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Lactose – Fructose – Histamin – Gluten. 2., überarbeite erweiterte Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2018

Gebrauchs- und Fachinformationen der genannten Präparate

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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