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Medizin
Maßgeschneiderte Pharmakotherapie
Was bei Menschen mit Down-Syndrom zu beachten ist
Das Down-Syndrom ist eine genetische Anomalie, bei der das Chromosom 21 nicht zweimal, sondern dreimal (Trisomie) im Erbgut vorhanden ist [1]. Deswegen spricht man hier auch von „Trisomie 21“. Benannt ist das Syndrom nach dem britischen Arzt John Langdon Haydon Down (1828 – 1896), der diesen Symptomenkomplex zuerst beschrieb [1]. Früher wurde das Down-Syndrom wegen der damit verbundenen typischen Gesichtsphysiognomie mit schräg gestellten Augen und flacher Nasenwurzel auch als „Mongolismus“ oder „mongoloide Idiotie“ bezeichnet ‒ Begriffe, die aus Gründen des Rassismus bzw. der Diskriminierung nicht mehr verwendet werden sollten. Die Häufigkeit des Down-Syndroms bei der Geburt hängt weitgehend davon ab, wie hoch in dem betreffenden Land die Abtreibungsrate ist. Grundsätzlich schwankt die Inzidenz zwischen 1/400 und 1/3000 Lebendgeburten [2]. In Deutschland leben etwa 30.000 bis 50.000 Menschen mit Down-Syndrom [3]. Dabei wächst das Risiko, ein Baby mit Down-Syndrom zu bekommen, mit dem Alter der Mutter: Bei 35- bis 40-jährigen Frauen wird 1 von 260 Kindern mit Down-Syndrom geboren, bei 40- bis 45-jährigen bereits 1 von 50 [3].
Verschiedene Formen von Trisomie 21
Je nach Art der Erbgutveränderung können vier Formen des Down-Syndroms unterschieden werden [1, 4]:
- Freie Trisomie 21: Hier liegt das Chromosom 21 in allen Körperzellen dreifach und in freier Form vor, das heißt es sind insgesamt pro Zelle 47 statt der üblichen 46 Chromosomen vorhanden (Abb. 1A). Ursache einer freien Trisomie ist eine sogenannte Non-Disjunction, eine nicht korrekte Trennung der homologen Chromosomen oder der Schwesterchromatiden während der ersten bzw. der zweiten meiotischen Teilung (Reifeteilung der Keimzellen). In 70% der Fälle tritt die Non-Disjunction bei der ersten Teilung und in 20% bei der zweiten Teilung der mütterlichen Eizelle auf (Abb. 2). Seltener kommt es während der väterlichen Spermatogenese zu einer derartigen Störung. Die freie Trisomie 21 ist mit einer Rate von 95% weitaus die häufigste Form der Erbgutveränderung beim Down-Syndrom.
- Translokationstrisomie 21: Hier sind die Erbinformationen des Chromosoms 21 ebenfalls in jeder Körperzelle dreifach vorhanden. Allerdings ist eines der drei Chromosomen mit einem anderen Chromosom (häufig dem Chromosom 14) verbunden (Abb. 1B). Dieser Typ der Trisomie 21 wird in etwa der Hälfte der Fälle von einem Elternteil vererbt, bei der anderen Hälfte ist eine Neumutation die Ursache der chromosomalen Störung. Rund 4% der Menschen mit einem Down-Syndrom haben Translokationstrisomie 21.
- Mosaik-Trisomie 21: Hier ist das Chromosom 21 nur in einem Teil der Körperzellen dreifach vorhanden. Ursache ist eine Non-Disjunction, die jedoch nicht während der Meiose auftritt, sondern im Verlauf der Mitose, das heißt während der Teilung von Körperzellen. Eine Mosaik-Trisomie 21 ist bei etwa 1% der Menschen mit Down-Syndrom nachweisbar.
- Partielle Trisomie 21: Hier liegt das Chromosom 21 zwar wie üblich in allen Körperzellen zweifach vor, allerdings ist ein Teil des Chromosoms 21 verdoppelt, wodurch dieses etwas länger ist. Diese Form kommt äußerst selten vor. Je nach Ausmaß der genetischen Störung sind die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt.
Diagnose
Pränataldiagnostik. Bereits vor der Geburt kann festgestellt werden, ob das Kind ein Down-Syndrom aufweist. Anhaltspunkte hierzu liefern nicht-invasive Verfahren wie Sonografie (Messung der Nackentransparenz, Nasenbeinmessung, Vermessung des Fötus) und Untersuchungen des mütterlichen Bluts (Triple-Test zwischen der 15. und 18. Schwangerschaftswoche: Erniedrigte Werte für freies Östriol und Alpha-1-Fetoprotein und ein erhöhter Wert für humanes Choriongonadotropin weisen auf ein Down-Syndrom hin) [1, 4, 5]. Diese Untersuchungen erlauben aber keine sichere Diagnose. Eine weitere, relativ neue nicht-invasive Methode ist der Nachweis einer Trisomie 21 anhand von kindlichen DNA-Fragmenten im mütterlichen Blut, die mittels molekulargenetischer und bioinformatischer Methoden untersucht werden (nicht-invasive Pränataltests, NIPT) [6]. Diese Verfahren haben eine hohe Sensitivität und Spezifität von jeweils über 99% [7]. Durch invasive Untersuchungen, bei denen die Chromosomen des Kindes direkt analysiert werden, kann ein Down-Syndrom sicher diagnostiziert werden. Dabei wird Probenmaterial aus der Plazenta (Chorionzottenbiopsie), durch eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) oder eine Entnahme des fetalen Bluts (Nabelschnurpunktion) gewonnen [1, 4, 5]. Diese Verfahren sind sehr aussagekräftig, allerdings auch mit einem gewissen Risiko für das Kind verbunden.
Postnataldiagnostik. Nach der Geburt haben Säuglinge mit Down-Syndrom charakteristische körperliche Merkmale, die auf die genetische Anomalie hinweisen. Eine Chromosomen-Analyse des kindlichen Bluts kann dann die Diagnose bestätigen. Mit weiterführenden Untersuchungen wie Herzultraschall und Bluttests können typische, häufig mit dem Down-Syndrom verbundene Störungen (z. B. Herzfehler) erkannt werden [8, 9].
Symptome
Menschen mit Down-Syndrom können mehrere charakteristische morphologische Merkmale aufweisen, von denen einige in Abb. 3 dargestellt sind. Hinzu kommen helle, weiße Flecken an der Außenseite der Iris (Brushfield-Flecken), ein schmaler hoher Gaumen, unterentwickelte Zähne und Kiefer, instabile Kopfgelenke, durchgehende Furche in den Handflächen (Vierfingerfurche), stark überstreckbare Gelenke, Anomalien der Rippen sowie Fettleibigkeit (Adipositas) [1]. Darüber hinaus ist das Down-Syndrom häufig mit verschiedenen Organfehlbildungen und anderen Störungen bzw. Erkrankungen verbunden (Tab. 1) [1, 4, 5]. Nicht alle dieser Komplikationen sind bei jedem Menschen mit Down-Syndrom vorhanden und zudem können die klinischen Merkmale bei den einzelnen Betroffenen sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
betroffenes Organ/System | Störungen/Folgeerkrankungen |
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Herz |
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Atemwegssystem |
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Magen-Darm-Trakt |
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zentrales Nervensystem |
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urogenitales System |
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Blut |
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endokrines System |
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Immunsystem |
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Augen |
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Ohren |
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Pharmakotherapie bei Patienten mit Down-Syndrom und verschiedenen Komorbiditäten
Das überzählige Chromosom 21 lässt sich bislang weder blockieren noch ausschalten. Das Down-Syndrom selbst ist somit derzeit nicht heilbar. Die Begleiterkrankungen wie angeborene Herzfehler, Epilepsie, Leukämie, Demenz und Atmungsstörungen können aber medikamentös behandelt werden. Bei der Pharmakotherapie von Patienten mit Down-Syndrom sind jedoch einige Faktoren zu beachten [10].
Angeborene Herzfehler. Menschen mit Down-Syndrom haben ein deutlich erhöhtes Risiko für einen angeborenen Herzfehler. Zum Zeitpunkt der Geburt sind 40% bis 60% davon betroffen, wobei die Häufigkeit je nach ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht variiert [11]. So haben doppelt so viele Frauen wie Männer einen atrioventrikulären Septumdefekt. Im Vergleich zu Down-Syndrom-Patienten mit weißer Hautfarbe ist bei doppelt so vielen Menschen mit schwarzer Hautfarbe, aber nur bei halb so vielen Patienten hispanischer Herkunft eine derartige Fehlbildung des Herzens nachweisbar [12].
Zur Pharmakotherapie von Menschen mit Down-Syndrom und einem unkorrigierten und zyanotischen Herzfehler empfiehlt die American Heart Association (AHA) eine Antibiotika-Prophylaxe, wenn diese sich einer zahnärztlichen Behandlung unterziehen müssen, bei der das Risiko einer vorübergehenden Bakteriämie besteht. So kann der Entwicklung einer infektiösen Endokarditis entgegengewirkt werden. Das betrifft alle zahnärztlichen Eingriffe, die mit einer Manipulation des Zahnwurzelbereichs oder des Zahnfleischgewebes sowie einer Perforation der Mundschleimhaut einhergehen [13]. Demgegenüber ist eine vorbeugende Gabe von Antibiotika nicht notwendig bei Patienten mit anderen angeborenen Herzfehlern oder bei denen, deren Herzfehler chirurgisch korrigiert wurden [13]. Bei der Anästhesie von Menschen mit Down-Syndrom sind angeborene Herzfehler ebenfalls ein wichtiger Risikofaktor, der berücksichtigt werden muss. Daher sollte der Patient vor einer Operation gezielt darauf hin untersucht werden [14]. Auch die Notwendigkeit einer perioperativen Endokarditisprophylaxe muss im Vorfeld eines chirurgischen Eingriffs abgeklärt werden [14].
Epilepsie. Menschen mit Trisomie 21 leiden vermehrt unter epileptischen Anfällen. Wenn alle Altersstufen betrachtet werden, liegt die Prävalenz von Epilepsien bei Down-Syndrom-Patienten zwischen 8% und 27%, wobei die Häufigkeit in höherem Alter zunimmt [15]. Eine schwerwiegende Komplikation bei Epileptikern ist der plötzlich auftretende, unerwartete Tod ohne Anhaltspunkt für ein Trauma oder einen Status epilepticus, der sogenannte SUDEP (engl. für Sudden Unexpected Death in Epilepsy) [16]. So ist Epilepsie mit zwei- bis dreifach erhöhter Mortalität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung verbunden, wobei der SUDEP für 7,5% bis 17% aller Todesfälle bei Epileptikern verantwortlich ist und die Inzidenz bei Erwachsenen zwischen 1 : 500 und 1 : 1000 Patientenjahren beträgt [16].
Epilepsien werden auch bei bestehender Trisomie 21 mit herkömmlichen Antikonvulsiva behandelt, wobei der Einsatz mehrerer Präparate wie Carbamazepin, Phenytoin und Valproinsäure erforderlich sein kann, um die Anfälle zu kontrollieren [10]. Allerdings gelten die gleichzeitige Behandlung mit mehreren Antiepileptika (medikamentöse Polytherapie) sowie der häufige Wechsel und die unregelmäßige Einnahme der Medikamente als Risikofaktoren für einen plötzlichen, unerwarteten Tod bei Epilepsie [16, 17]. Dies muss bei der antikonvulsiven Behandlung von Patienten mit Down-Syndrom berücksichtigt werden. Des Weiteren sollte beachtet werden, dass nach langfristiger Behandlung mit Valproat erhöhte Plasmaspiegel von Homocystein bei gleichzeitig reduzierter Folsäure-Konzentration im Blut von Patienten mit Trisomie 21 gefunden wurden [18]. Hier kann eine Supplementierung mit Folsäure indiziert sein, um eine Normalisierung der Homocystein-Werte zu erreichen und dadurch das Risiko für die Entwicklung kardiovaskulärer und neurologischer Störungen zu reduzieren [18]. Darüber hinaus haben Antikonvulsiva wie Carbamazepin und Phenytoin das Potenzial, bei einigen Down-Syndrom-Patienten andere Komorbiditäten bzw. die Auswirkungen der Trisomie 21 zu verschlechtern. So besteht das Risiko, dass die kognitiven Fähigkeiten unter diesen Therapien weiter reduziert werden [19]. Daher sind bei den Patienten regelmäßige Verlaufskontrollen der kognitiven Entwicklung indiziert [14]. Unter Carbamazepin können sich auch die Symptome der Hypothyreose, eine häufige Manifestation des Down-Syndroms, verstärken, sodass die betroffenen Personen erhöhte Dosen von L-Thyroxin benötigen [20]. Das Potenzial einer Pharmakotherapie mit Antikonvulsiva, bei Menschen mit Down-Syndrom solche unerwünschte Wirkungen hervorzurufen bzw. zu verstärken, kann eine schrittweise Titration bis zum Einsetzen der Wirkung sowie ein engmaschiges Monitoring erforderlich machen [10].
Leukämie. Kinder mit Trisomie 21 haben ein etwa zehn- bis 20-fach erhöhtes Risiko, an einer akuten myeloischen Leukämie (AML) oder einer akuten lymphatischen Leukämie (ALL) zu erkranken [21, 22]. Eine mögliche Ursache hierfür ist, dass auf dem Chromosom 21 mehrere Gene vorliegen, die für die Entstehung von Leukämie eine wichtige Rolle spielen und bei Menschen mit Trisomie 21 verstärkt exprimiert werden [22]. Auch ein veränderter Folat-Stoffwechsel beim Down-Syndrom kann zur Bildung einer Leukämie beitragen, da sich dies auf die Methylierung und damit auch auf die DNA-Mutationsraten auswirkt [22]. Eine weitere mögliche Erklärung ist ein allgemeiner Anstieg der genetischen Instabilität, der durch eine Trisomie 21 verursacht wird und das Auftreten von Leukämie-fördernden Mutationen erleichtert [22].
AML-Patienten mit Down-Syndrom erhalten in der Regel eine weniger intensive chemotherapeutische Behandlung als die übrigen Standardrisikopatienten [14]. Dabei werden die zu verabreichenden Zytostatika (z. B. die Anthrazykline Daunorubicin und Idarubicin) niedriger dosiert [23]. Ein Grund hierfür ist, dass Menschen mit Trisomie 21 aufgrund ihres veränderten Metabolismus nach einer Anthrazyklin-Therapie ein erhöhtes Risiko für Kardiotoxizität aufweisen [24, 25]. Zudem würde eine intensive Chemotherapie das beim Down-Syndrom ohnehin erhöhte Infektionsrisiko weiter steigern [23]. Andererseits sprechen AML-Patienten mit Down-Syndrom in der Regel besonders gut auf eine Chemotherapie an und haben somit auch eine sehr günstige Prognose [23, 26]. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Mutation des Gens für den Transkriptionsfaktor GATA1, der eine wesentliche Rolle bei der Zelldifferenzierung im Rahmen der Hämatopoese spielt, für die hohe Heilungsrate bei AML-Patienten mit Trisomie 21 zumindest mitverantwortlich ist [26]. Eine abgeschwächte Chemotherapie ist für diese Patienten aufgrund ihres guten Ansprechens also nicht nur ausreichend, sondern wegen der geringeren Nebenwirkungen sogar günstiger als eine intensivere Behandlung [23]. Für Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom und einer AML wurde Anfang 2021 eine neue Studie zur Optimierung der Behandlung begonnen. Ihr Ziel ist es, die Möglichkeit einer weiteren Therapiereduzierung bei Patienten mit guter Response zu überprüfen [27].
Demenz und psychische Störungen. Zunehmend mehr Menschen mit Trisomie 21 erreichen ein höheres Lebensalter, auch weil ihre Herzfehler immer häufiger korrigiert werden und Leukämien besser behandelt werden können. Damit tritt ein anderes gesundheitliches Problem in den Vordergrund: Die Betroffenen haben ein deutlich erhöhtes Risiko, frühzeitig an einer Demenz zu erkranken. So sind im Alter von 55 Jahren oder mehr über 60% aller Menschen mit Down-Syndrom wegen einer Demenz in ärztlicher Behandlung [28]. Eine Demenz gilt mittlerweile auch in 70% der Fälle als Todesursache bei älteren Menschen mit Down-Syndrom [29]. Als primärer Grund für das erhöhte Demenzrisiko bei Menschen mit Trisomie 21 gilt eine gesteigerte Beta-Amyloid-Produktion, da das Gen für das Amyloid-Vorläufer-Protein (APP) auf dem dreifach vorhandenen Chromosom 21 lokalisiert ist und somit überexprimiert wird [28]. Ablagerungen von Beta-Amyloiden im Gehirn (Plaques) wiederum begünstigen die Entstehung einer Alzheimer-Demenz. Zur medikamentösen Behandlung einer solchen Down-Syndrom-assoziierten Demenz (DSAD) können prinzipiell die Acetylcholinesterase-Hemmer Donepezil, Rivastigmin und Galantamin sowie der NMDA-Rezeptor-Antagonist Memantin eingesetzt werden [30]. In einer kleinen Studie an 15 DSAD-Patienten wurde nach drei- bis fünfmonatiger Behandlung mit Donepezil eine signifikante Verbesserung des Down-Syndrom-Demenz-Scores um 6,11 Skalenpunkte festgestellt, während sich der Wert in der unbehandelten Vergleichsgruppe um 1,67 verschlechterte (p = 0,03) [31]. In einer anderen Untersuchung konnte hingegen kein signifikant positiver Effekt durch die Donepezil-Therapie gefunden werden [32]. Patienten mit Down-Syndrom-assoziierter Demenz entwickelten unter Donepezil vermehrt Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Störungen und Harninkontinenz [10]. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass bei Menschen mit Trisomie 21 der Plasmaspiegel nach einer Behandlung mit Donepezil stärker ansteigt als bei einer Vergleichsgruppe von gesunden Probanden ohne Down-Syndrom. Ein möglicher Grund hierfür ist eine veränderte Pharmakokinetik bei den Down-Syndrom-Patienten. Daher schlagen die Autoren der Studie auch vor, Donepezil bei Patienten mit Down-Syndrom-assoziierter Demenz niedrig mit 3 mg/Tag zu dosieren, um so entsprechende Nebenwirkungen zu vermeiden [10]. Studien zur Wirksamkeit von Rivastigmin und Memantin konnten bisher keine signifikanten Verbesserungen der kognitiven Fähigkeiten von dementen Patienten mit Down-Syndrom nachweisen [33, 34]. Zu Galantamin liegen hierzu noch keine Studiendaten vor [30].
Menschen mit Down-Syndrom erhalten auch häufig Antidepressiva bzw. Antipsychotika, um die Symptome einer DSAD zu lindern bzw. um andere psychische Erkrankungen zu behandeln [10]. So ergab eine retrospektive Untersuchung, dass sich durch den Einsatz von Antidepressiva (98% Serotonin- und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) das Auftreten einer Demenz bei Menschen mit Down-Syndrom um durchschnittlich 1,31 Jahre verzögern lässt (p = 0,038) [35]. Im Rahmen einer Fallserie wurde die Effektivität von Antidepressiva wie Sertralin, Fluoxetin und Citalopram an vier Down-Syndrom-Patienten untersucht, die unter einer Zwangsstörung kombiniert mit Aggressionen, Depressionen und/oder Halluzinationen litten [36]. Im Ergebnis konnte bei jedem der untersuchten Patienten eine klinisch relevante Verbesserung durch die Pharmakotherapie erreicht werden [36]. Gleichzeitig berichtete keiner der Teilnehmer über signifikante Nebenwirkungen [36].
Down-Syndrom und eine Impfung gegen COVID-19
Für Menschen mit Down-Syndrom endet eine Infektion mit SARS-CoV-2 häufig tödlich: Eine Datenbankanalyse ergab ein etwa 25-fach höheres Mortalitätsrisiko [44]. Werden die mit dem Down-Syndrom assoziierten Komorbiditäten (Demenz oder angeborene Herzfehler) sowie die Betreuung in einem Pflegeheim als eigenständige Risikofaktoren für einen tödlichen Verlauf der Erkrankung herausgerecht, ist das Sterberisiko immer noch um den Faktor 10 erhöht im Vergleich zur übrigen Bevölkerung [44]. Menschen mit Trisomie 21 werden in Deutschland daher auch mit hoher Priorität (Priorisierungsgruppe 2) gegen COVID-19 geimpft [45]. Die Impfungen ebenso wie bei der übrigen Bevölkerung erfolgen nach dem Schema der Ständigen Impfkommission (STIKO), das heißt mit einem Impfabstand zwischen beiden Einzelimpfungen von sechs Wochen für mRNA-Impfstoffe (Biontech/Pfizer, Moderna) und zwölf Wochen für den Vektor-basierten Impfstoff von AstraZeneca [38, 46]. Für Personen unter 60 Jahren empfiehlt die STIKO mittlerweile, anstelle der zweiten Dosis der Vakzine von AstraZeneca eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs zwölf Wochen nach der Erstimpfung zu verabreichen [46]. Zu beachten ist, dass beim Down-Syndrom das Immunsystem häufig eingeschränkt bzw. fehlreguliert ist und es daher zu einer suboptimalen Immunantwort sowie einer vorzeitigen Abnahme des Impfschutzes kommen kann [38].
Respiratorische Störungen. Menschen mit Trisomie 21 leiden häufig unter Atmungsstörungen. Die Ursachen hierfür reichen von Atemwegsverengungen z. B. infolge einer Stenose der Luftröhre oder aufgrund von anatomischen Besonderheiten an Kiefer und Zunge über eine beeinträchtigte Immunität, die virale oder bakterielle respiratorische Infektionen begünstigt, bis hin zu seltenen strukturellen Läsionen wie z. B. dem Trachealbronchus, eine Anomalie des Atemwegssystems [37, 38]. Zusätzlich können andere Organsysteme wie das kardiovaskuläre System (z. B. pulmonale Hypertonie) oder das gastrointestinale System (z. B. gastroösophageale Refluxkrankheit) eine Rolle bei der Entstehung von respiratorischen Störungen spielen [37].
Je nach Art und Ausprägung der Atmungsstörung können eine Antibiotikatherapie oder die Behandlung mit inhalativen Bronchodilatatoren erforderlich sein [10]. Dabei kann die Metabolisierung der Wirkstoffe bei Patienten mit Down-Syndrom jedoch anders verlaufen als bei Menschen ohne Trisomie 21. So zeigen Fallberichte von sechs Säuglingen mit Down-Syndrom und Apnoe, die mit dem Bronchodilatator Theophyllin behandelt wurden, dass die kindlichen Patienten eine reduzierte Theophyllin-Clearance von 0,051 ± 0,035 l/kg Körpergewicht/Stunde aufwiesen, während die erwartete Clearance für Säuglinge ähnlichen Alters bei 0,089 bis 0,102 l/kg Körpergewicht/Stunde liegt. Die Autoren der Studie vermuteten, dass dies mit einem veränderten Spiegel des Wachstumshormons zusammenhängen könnte, der wiederum die Expression der Cytochrom-P450-Proteine und damit deren Funktion als metabolisierende Enzyme beeinflusst [10].
Kinder mit Down-Syndrom leiden häufig auch unter einer schlafbezogenen Atemstörung, der persistierenden obstruktiven Schlafapnoe, bei der es während des Schlafs wiederholt zur Verringerung oder dem kompletten Aussetzen der Atmung durch eine Verengung des Rachenraums kommt [39]. Hier kann mittels Entfernung der Gaumen- und Rachenmandeln (Adenotonsillektomie) eine Besserung oder sogar Heilung erzielt werden. Allerdings können Verengungen im Bereich des Kehlkopfs (arytenoide Obstruktionen), des Zungengrunds bzw. der Mandeln, die bei Kindern mit Down-Syndrom verstärkt ausgeprägt sind, zu einer höheren Misserfolgsrate der Adenotonsillektomie beitragen [39]. Daher sollte bei diesen Patienten vor dem operativen Eingriff routinemäßig eine medikamentös induzierte Schlafendoskopie in Betracht gezogen werden, um so vorab die anatomische Situation besser beurteilen zu können [39].
Auf einen Blick
- Das Down-Syndrom ist eine genetische Anomalie, bei der das Chromosom 21 nicht zweimal, sondern dreimal im Erbgut vorhanden ist.
- Mit dem Down-Syndrom sind verschiedene Symptome und Folgeerkrankungen assoziiert, z. B. morphologische Besonderheiten, Herzfehler, gastrointestinale Störungen, Anfallsleiden, Leukämien, Demenz und Atmungsstörungen.
- Down-Syndrom-Patienten mit einem unkorrigierten Herzfehler sollten bei zahnärztlichen Eingriffen eine Antibiotika-Prophylaxe erhalten.
- Patienten mit Down-Syndrom und Epilepsie werden mit klassischen Antikonvulsiva behandelt. Es muss das erhöhte Risiko bei einer medikamentösen Polytherapie beachtet werden.
- Bei AML-Patienten mit Down-Syndrom ist eine weniger intensive Chemotherapie indiziert, da die Betroffenen besonders anfällig für Nebenwirkungen sind, gleichzeitig aber eine gute Prognose haben.
- Auch bei Down-Syndrom-Patienten mit Demenz gibt es Hinweise darauf, dass Donepezil niedriger dosiert werden sollte.
- Infolge der komplexen Pathobiologie bei Menschen mit Down-Syndrom kann das Therapieansprechen verändert sein.
- Das soziale Umfeld von Menschen mit geistiger Behinderung kann die Adhärenz gegenüber Pharmakotherapien beeinflussen.
- Eine Impfung von Menschen mit Down-Syndrom gegen COVID-19 sollte nach dem Schema der STIKO erfolgen. Es kann jedoch zu einer suboptimalen Immunantwort sowie zur vorzeitigen Abnahme des Impfschutzes kommen.
Welche Faktoren sind noch zu berücksichtigten?
Menschen mit Down-Syndrom weisen eine komplexe Pathobiologie auf, sodass das Ansprechen auf Arzneimittel verändert sein kann. So treten beim Down-Syndrom gehäuft Fehlbildungen des Magen-Darm-Trakts auf, die chirurgisch korrigiert werden können. Gastrointestinale Operationen und Erkrankungen haben jedoch das Potenzial, die Wirkstoff- und Nährstoffabsorption zu beeinflussen, da dadurch der pH-Wert, die Magenentleerungen und die gesamte Darmoberfläche verändert werden können [40]. Auch die bei Menschen mit Down-Syndrom häufig vorkommende Zöliakie kann die Absorption von Arzneimitteln beeinflussen [41]. Solche Faktoren müssen mitberücksichtigt werden, wenn pharmakotherapeutische Optionen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit beurteilt werden.
Das soziale Umfeld von Menschen ist ein weiterer Faktor, der für die Pharmakotherapie von Patienten mit Down-Syndrom von Bedeutung ist. So wurde in einer Studie gezeigt, dass Menschen mit geistiger Behinderung (einschließlich Down-Syndrom-Patienten), die in einer Familie oder in semi-unabhängigen Wohnformen leben, eine geringere Adhärenz gegenüber einer antikonvulsiven Behandlung aufweisen, als Personen in einer Wohngruppe [42]. Eine wichtige Rolle spielen hier auch die Eltern von Kindern mit Down-Syndrom. Eine Untersuchung ergab, dass Erziehungsberechtigte von Mädchen mit Down-Syndrom eher bereit waren, diesen eine Impfung gegen das Papillomavirus zu verweigern, als Eltern von Mädchen ohne Trisomie 21 [43]. |
Literatur
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