Die Seite 3

Lückenbüßer

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Es war schon eine besondere Plusminus-Sendung, die die ARD am 19. Mai 2021 ausgestrahlt hat! Dort hat man ins benachbarte Ausland geschaut und kommt zu dem sensationellen Schluss: „Impfen in Deutschlands Apotheken könnte eine gute Idee sein!“

Das ist nun wahrlich kein besonders neuer Erkenntnisgewinn, aber uns allen ist bewusst, dass eine starke ärzt­liche Lobby die Umsetzung dieser guten Idee in die Tat mit Macht zu verhindern versucht. Entsprechend eiert auch unser Bundesgesundheitsminister rum, will die Möglichkeit der Impfungen in Apotheken nicht ausschließen, will sie vielleicht ermöglichen, aber dann nur vorübergehend. O-Ton Spahn: „Wenn wir in eine Situation kämen, wo wir mit den Ärzten nicht mehr alles verimpft kriegten, dann müsste man sicherlich miteinander schauen, ob und in welchen anderen Bereichen wir vorüber­gehend dann auch anderen heilkund­lichen Berufen das Impfen möglich ­machen.“

Dieses Beispiel entlarvt einmal mehr, welche Rolle Spahn den Apotheken wohl nicht nur in der Pandemie ­zubilligen möchte: Wenn alle Stricke reißen, nichts mehr geht, dann dürfen Apotheken vor Ort den Lückenbüßer spielen – siehe Herstellung von Desinfektionsmitteln, Masken verteilen, Coronatests durchführen, das Impfstoff­logistik-Chaos bewältigen, in Zukunft dann auch für sichere elektronische Impfausweise sorgen und eventuell vielleicht oder vielleicht auch nicht der Impfkampagne durch Impfen in Apotheken zum Erfolg verhelfen. Das alles nach Möglichkeit für lau oder kleines Geld, in jedem Fall schlechter honoriert als die gleiche, ärztlich durchgeführte Tätigkeit – siehe Testen. Mit den Apothekerinnen, den Apothekern lässt sich das ja machen! Dabei zeigen diese Possenspiele einmal mehr, dass die vollmundigen Bekenntnisse von Jens Spahn zur Apotheke vor Ort schlicht und ergreifend wohl nicht mehr als ­Lippenbekenntnisse sind.

Wann steht unser Berufsstand endlich auf, befreit sich aus der Position des devoten Lückenbüßers, sagt einfach einmal geschlossen nein, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen und fordert ebenfalls geschlossen und mit spürbarem Nachdruck endlich selbstbewusst und unmissverständlich mehr Respekt, eine wertschätzende Behandlung und eine adäquate Honorierung ein? Zaghafte Forderungen sind da einfach zu wenig. Das zeigt einmal mehr die Vergütungskürzung für die Impfstoffverteilung wenige Stunden nachdem ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in einem WDR-Radiobeitrag am 19. Mai – immerhin versuchsweise öffentlichkeitswirksam – auf die dramatische Unterfinanzierung hingewiesen hatte.

Dr. Doris Uhl

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