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Arzneimittel und Therapie
Topisches Timolol gegen Hämangiome?
Alternative zu systemischer Propranolol-Therapie im Test
Infantile Hämangiome werden in der gleichlautenden Leitlinie definiert als proliferierende, dem Plazentargewebe in ihrer Antigenstruktur ähnliche Gefäßtumore. Die gutartigen Zellveränderungen wachsen in den ersten sechs bis neun Lebensmonaten und bilden sich dann aber meist im Kindesalter von alleine wieder zurück. Bei 80 bis 90% der Hämangiome ist die Regression im Alter von vier Jahren abgeschlossen. Kleine Hämangiome verschwinden meist vollständig, größere jedoch können Narben oder Pigmentstörungen hinterlassen. In der Zeit vor der Regression können aber auch kleinere Gefäßveränderungen Probleme bereiten. So behindern beispielsweise Hämangiome im Augenbereich die Augenöffnung und können zu Sehstörungen führen. Hämangiome im Anogenitalbereich neigen zur Ulzeration und rufen häufig Komplikationen wie Schmerzen, Blutungen, Infektionen und Dermatitiden hervor. Diese und weitere mögliche Komplikationen sowie die ästhetische Beeinträchtigung machen Hämangiome trotz der häufigen Rückbildung zu einem behandlungsbedürftigen Phänomen.
Die Leitlinie nennt als Mittel der Wahl die systemische Behandlung mit dem Betablocker Propranolol. Wird die Therapie innerhalb der ersten sechs Lebensmonate begonnen, weist sie eine Ansprechrate von 98% auf. Seit 2014 ist mit Hemangiol® ein entsprechender Saft mit 3,75 mg/ml Propranololhydrochlorid europaweit zugelassen. Zusätzlich gibt es eine NRF-Rezeptur für einen Saft mit einer Konzentration von 5 mg/ml. Aufgrund möglicher Nebenwirkungen wird auch bei einem gesunden Säugling und unauffälliger Familienanamnese vor dem Einsatz von Propranolol die Durchführung eines Elektrokardiogramms zur Abklärung eventueller angeborener Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen.
Lokale Betablocker-Therapie ...
Spanische Forscher haben vor Kurzem untersucht, ob eine frühzeitige topische Therapie mit Timolol-Lösung das Wachstum des Hämangioms und damit die Notwendigkeit einer oralen Propranolol-Therapie verhindern könnte. Dazu wurden 69 Hämangiom-Patienten im Alter von 10 bis 60 Tagen für 24 Wochen zweimal täglich mit 0,5%-iger Timolol-Lösung oder Placebo behandelt. Die Hämangiome wurden zu Beginn sowie nach zwei, vier, acht, zwölf, 24 und 36 Wochen fotografiert, um den Therapieerfolg zu bewerten. Nach 24 Wochen war zwar bei 42% der Timolol-Patienten und 36% der Placebo-Patienten das Hämangiom vollständig zurückgegangen, der Unterschied war aber statistisch nicht signifikant. Auch auf das Volumen und die Dicke des Blutschwämmchens hatte die Lokaltherapie keinen signifikanten Effekt. Lediglich bei der Farbaufhellung war Timolol in der vierten Behandlungswoche dem Placebo überlegen. Timolol war größtenteils so gut verträglich wie Placebo. Diese Ergebnisse zeigen eine mangelnde Wirksamkeit der topischen Timolol-Behandlung. Einzig die frühere Besserung der Farbe könnte für Familien ein Vorteil wegen der Verringerung des sozialen Stigmas von sichtbaren Hämangiomen sein.
... vs. systemische Alternative?
Die Suche nach einer besser verträglichen Alternative zu Propranolol geht also weiter. Vielversprechende Ergebnisse liefert eine neue Studie aus China. Hier wurden die Effektivität und Verträglichkeit einer systemischen Therapie mit Atenolol oder Propranolol bei 377 Patienten verglichen. Sie zeigte für Atenolol sowohl kurz- als auch langfristig eine ähnlich hohe Ansprechrate wie Propranolol. Jedoch traten unter Atenolol seltener Nebenwirkungen (44% der Patienten) auf als unter dem Standard-Betablocker (70%). |
Literatur
Infantile Hämangiome im Säuglings- und Kleinkindesalter. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kindechirurgie, Stand: Oktober 2020
Ji Y et al. Efficacy and Safety of Propranolol vs Atenolol in Infants With Problematic Infantile Hemangiomas, JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2021. doi:10.1001/jamaoto.2021.0454
Muñoz-Garza F et al. Efficacy and Safety of Topical Timolol for the Treatment of Infantile Hemangioma in the Early Proliferative Stage, JAMA Dermatol 2021. doi:10.1001/jamadermatol.2021.0596
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