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Die Last mit der Lust

Sexuelle Dysfunktion ist eine komplexe Angelegenheit

rs | Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach? Auf den Dualismus lassen sich Lustprobleme selten reduzieren. Hinter Libidoverlust verbirgt sich oft ein komplexes Geflecht von Beziehungs-, Selbstwert- und gesundheitlichen Aspekten. Was bei der neurophysiologischen Basis der Lust, ihren iatrogenen und hormonellen (Stör-)Faktoren eine Rolle spielt und welche therapeutischen Ansätze es gibt, erläuterte mit dem gebotenen Temperament Prof. Dr. Thomas Herdegen, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie an der Universität Kiel.

Vor die Beschäftigung mit Strategien gegen den Lustverlust stellte Her­degen die Analyse: Ist das Lustempfinden gestört, oder fehlt der geeig­nete Rahmen? Gibt es überhaupt den Willen – die Lust auf die Lust? Will man/frau die isolierte Lust – oder wird sie nur in einem ganzheitlichen, Sehnsüchte stillenden Kontext erstrebt? Dass die Geschlechter gerade in letzterer Frage ungleich veranlagt sind, zeigt ein Blick ins Hirn: Neuroanatomisch sind die Sexualzentren Hypothalamus (sexuelle Aktivität), zentrales Höhlengrau (Aggression), ventrales Tegmentum (Appetenz, Libido) und der Nucleus preopticus (Dominanzzentrum) beim Mann schlicht größer ausgeprägt bzw. aktiver. Bei der Frau nehmen das limbische System (Gefühlsverarbeitung, romantische Erinnerung), der Gyrus cinguli anterior (sexuelle Bedenken) und der präfrontale Cortex (emotio­nale Kontrolle) den größeren Raum ein. Modulierend wirken Hormone des weiblichen Zyklus. Estrogen wirkt pan-zyklisch luststeigernd, mit einem Höhepunkt beim Eisprung, wobei die Einnahme der Antibabypille die Rhythmik aufhebt. Das „Kuschel­hormon“ Oxytocin, ein Neuropeptid aus dem Hypothalamus, wirkt eher sozial als sexuell verstärkend, ist also zur Luststeigerung ungeeignet.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Prof. Dr. Thomas Herdegen blickte pharmakologisch auf den Lustverlust.

Für die sexuelle Aktivität auch der Frau spielt das stimulierende Testosteron eine mindestens ebenso große Rolle wie das Estrogen. Beide Hormone sinken in der Peri- und Postmeno­pause ab. In dieser Phase kann bei Frauen mit Libidoverlust laut Leit­linien gynäkologischer Fachgesellschaften (DGGG 2020, AWMF-Nr.015-602) eine Testosterontherapie erwogen werden, sofern eine Hormonersatztherapie mit Estrogen und/oder Progesteron (HRT) nicht geholfen hat. Allerdings fehlt ein in adäquater Dosis für Frauen zugelassenes Testosteronpräparat. Einen Ausweg böten Magistral­rezepturen, z. B. 3 mg/Hub mikronisiertes Testosteron. Bei urogenitalen „Lustkillern“ wie Scheidentrockenheit, Dyspareunie, Brennen und Juckreiz können lokale Estrogene und Lubrikativa hilfreich sein.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Beratung für Frau und Mann

Auch bei Männern sinkt altersbedingt die Hormonsynthese, jedoch entwickelt sich die „Andropause“ 15 bis 20 Jahre später als die weibliche Menopause und verläuft hoch variabel. Ob eine Androgensubstitution beim Mann Sinn macht, muss individuell entschieden werden; die Studienlage zu den Effekten von Testosteron, Dehydroepi­androsteron (DHEA, Vorläufer für Testosteron und Estrogen) und Dihydrotestosteron ist widersprüchlich. Eine klare Indikation ergibt sich allein aus einem Hypogona­dismus, dessen klinische Kenn­zeichen nicht nur in Libidoverlust, sondern auch in einer Abnahme von Muskelmasse und -kraft und einem „verweiblichten“ adipösen Habitus bestehen. „Für beide Geschlechter gilt: Sexualstörungen per se lassen sich oftmals nicht einfach nur durch Testosteron beheben,“ betonte Herdegen. Nur aus Sicht des Corpus cavernosum lässt sich der Lustkiller erektile Dysfunktion quasi monokausal angehen, mit PDE-5-Inhibitoren.

Sind Arzneimittel schuldig?

In der Apotheke lassen sich anhand des Medikationsplans iatrogene Auslöser sexueller Dysfunktion identifizieren. Klassische Lustkiller sind etwa Dauertherapien mit Glucocorticoiden und Opioiden. Libidomindernd können Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhi­bitoren (SSRI) und Neuroleptika (durch Dopaminblockade und Prolaktin-Erhöhung) wirken. Weiterhin nannte Herdegen vasokonstriktorische Substanzen wie Noradrenalin, Thiazide und Beta-2-Blocker. Gewisse Drogen wie THC/Dronabinol oder Alkohol können eine luststeigernde Wirkung entfalten, doch andererseits gilt: „Alcohol increases desire, but inhibits performance!“ |

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