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Prävention
Knochengesundheit ist Frauengesundheit
Die Weichen für Osteoporose werden früh gestellt
Osteoporose ist eine frauenspezifische Erkrankung, obwohl auch Männer davon betroffen sein können – allerdings mit geringerer Wahrscheinlichkeit. Durch die physiognomischen Veränderungen der Frau ist die Diagnose „manifeste Osteoporose“ oft eine Blickdiagnose und bedarf bei fortgeschrittener Erkrankung keiner apparativen Vermessung. Untersuchungen zufolge beträgt das durchschnittliche Lebenszeitrisiko einer 50-jährigen Frau, eine osteoporotische Fraktur zu erleiden, 40 bis 50%. Bei Männern ist das Risiko mit 20% deutlich geringer.
Es ist bekannt, dass Frauen nach der Menopause Osteoporose entwickeln. Folgerichtig rückt das Problem zu diesem Zeitpunkt in den therapeutischen Fokus. (s. Kasten „Therapeutische Möglichkeiten bei beginnender/manifester Osteoporose“).
Therapeutische Möglichkeiten bei beginnender / manifester Osteoporose
- Bisphosphonate (Alendronat, Risedronat, Ibandronat, Zolendronsäure)
- Estrogen- bzw. Progesteron-Ersatztherapie
- Calcium, Vitamin D3, Vitamin K2
- Calcitonin
- Parathormon
- Raloxifen
- Strontiumranelat
- Denosumab
- Romosozumab
- Anabolika
Allerdings ist es dann in manchen Fällen für ein wirklich erfolgreiches therapeutisches Einschreiten oft schon zu spät. Es können dann nur noch mit Knochenverlust verbundene Schmerzen gelindert werden, Knochen-aufbauende Substanzen angewendet sowie Wirbeleinbrüche chirurgisch versorgt werden. Dabei wäre es zielführender, manche, seit Jahren bestehende Erkrankungen in den Blick zu nehmen und eine Osteoporose-fördernde Medikation zu vermeiden.
Der Knochen als epigenetisches Organ
Die Entwicklung eines gesunden Knochens beginnt bereits intrauterin. Das fetale Skelett mit seinen Knochenkernen lässt sich schon in der Frühschwangerschaft im Ultraschall deutlich erkennen. Auch sind bereits erste Bewegungen durch das zarte Skelett des Feten darstellbar und der Anblick der ersten diskreten Bewegungen ihres Kindes erfreut die werdenden Eltern. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt formieren sich Knochenzellen und reagieren auf intrauterine Stimuli. Epigenetische Mechanismen greifen bereits in utero in das Knochenwachstum ein, und die Stimuli wirken bis in die Erwachsenenjahre des noch ungeborenen Kindes nach. Epigenetische Phänomene verändern nicht die Basensequenz der DNA, sondern die chemische Struktur der DNA-Basen bzw. die „Verpackung“ der DNA. Ein wichtiger Prozess ist dabei die DNA-Methylierung. Indem in bestimmten Genbereichen Methylgruppen an die Base Cytosin geknüpft werden, können das Faltungsmuster und der Dichtegrad beeinflusst und so die Aktivität und Funktionalität des genetischen Materials bestimmt werden. Die wichtigsten Einflüsse sind die mütterliche Ernährung, das Körpergewicht der Mutter und eine mögliche diabetogene Stoffwechsellage, exogene Noxen, die Vitamin-D3-Versorgung und der mütterliche Stress während der Schwangerschaft. In der Schwangerschaft hängt es unter anderem vom Folsäure-Haushalt der Mutter ab, ob bzw. wann und wie viele Methylreste an die DNA angehängt werden. Dass dies wichtig für die fetale Entwicklung vor allem des neuronalen Gewebes ist, wurde schon vielfach beschrieben [10]. Aber auch eine äußere Beeinflussung der Proteine, um die sich die DNA wickelt, kann die Buchstabenkombination der DNA lesbar oder unlesbar machen und somit dafür entscheidend sein, ob das entsprechende Protein gebildet wird oder nicht [11]. Auch können epigenetische Vorgänge intrauterin über die Enzymsysteme der Placenta (z. B. 11-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase) gesteuert werden und sind unter anderem vom Cortisol-Spiegel und damit vom mütterlichen Stress abhängig [12].
Auf ausreichende Calcium-Zufuhr achten
Mit Hinblick auf die fetale Knochenentwicklung spielen Calcium und Vitamin D3 bei der Ernährung in der Schwangerschaft eine zentrale Rolle. Die Calcium-Mobilisierung aus dem mütterlichen Knochen beginnt in der Schwangerschaft und setzt sich in die Stillperiode fort. Da Vitamin D den Calcium- und Phosphatstoffwechsel reguliert und die Aufnahme von Calcium aus dem Darm ins Blut sowie die Einlagerung in die Knochen unterstützt, sollten Vitamin D3 und Calcium in ausreichendem Maße vorhanden sein: Für die Mutter, die gerne (unbemerkt) und notwendigerweise „ihr“ Calcium aus „ihrem“ Knochen zur Verfügung stellt, und für den Fetus, der genug davon für eine gesunde Entwicklung bekommen muss. Eine ausreichende Calcium- und Vitamin-D3-Supplementierung in der Schwangerschaft ist für Mutter und Fetus eine zukunftsorientierte Maßnahme, denn sie gilt als eine der frühesten präventiven Maßnahmen für den Knochen. Für die Schwangere ist es dabei wichtig, dass ihre Depots nicht überstrapaziert werden, sondern durch gesunde Ernährung und gegebenenfalls Supplementierung aufgefüllt werden. Calcium gilt als eine Art Multifunktionär unter den Elementen und ist in jeder Zelle vorhanden. Es ist essenziell, um Knochen, Zähne, Nerven, Muskelzellen und ein gesundes Herz aufzubauen, um Entzündungen und Allergien zu bekämpfen und stellt die Fähigkeit zur Blutgerinnung sicher. Für Erwachsene, Schwangere und Stillende werden von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) 1000 mg Calcium/Tag empfohlen, Schwangere und Stillende unter 19 Jahre sollten 1200 mg Calcium/Tag aufnehmen. Eine „frauenspezifische“ Dosis bei der Calcium-Supplementierung wird nicht empfohlen, obwohl einiges dafür sprechen würde.
Der Knochen und der Säure-Basen-Haushalt
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der nicht schwangeren Frau ist das Säure-Basen-Gleichgewicht – und umso mehr bei der Schwangeren. Mit der westlich geprägten Ernährung werden pro Tag im Körper 50 bis 100 Milliäquivalente Säure gebildet. Dennoch wird der pH-Wert des Plasmas in sehr engen Grenzen konstant gehalten (Normbereich pH-Wert 7,35 bis 7,45). Der Organismus verfügt über mehrere Regulationsmechanismen, die Abweichungen vom pH-Sollwert verhindern bzw. kompensieren sollen. Dazu gehören die Säureausscheidung über Lunge und Nieren sowie die alkalischen Pufferreserven der Knochen. Vereinfacht gesprochen dient der Knochen als „riesengroße Zellen-durchsetzte Ionenaustauschsäule“ voller alkalischer Puffer. Als Grundprinzip kann festgehalten werden:
- im sauren Milieu (niedriger pH-Wert) sind die Osteoklasten aktiv,
- im alkalischen Milieu (hoher pH-Wert) die Osteoblasten.
Um einzuschätzen, wie einzelne Nahrungsmittel das Säure-Basen-Gleichgewicht im Organismus beeinflussen, wird die Nettoproduktion endogener Säuren (NEAP, net endogenous acid production) herangezogen, die das Verhältnis von Protein- zur Kalium-Aufnahme angibt und die ansäuernde Wirkung der Proteine und die alkalisierende Wirkung von Kalium-Ionen widerspiegelt. Ein niedriger NEAP-Wert ist mit einer hoher Knochendichte assoziiert bzw. eine Protein-reiche Kost kann das Frakturrisiko reduzieren. In einer 1999 publizierten Arbeit betrug das Risiko bei Patientinnen mit hohem Protein-Konsum nur rund 40% des Wertes, der bei Protein-armer Ernährung gefunden wurde [13]. Es sind dies Daten, die in der Postmenopause erhoben wurden, aber wenn in diesen Jahren eine positive Beeinflussung des Knochenstoffwechsels durch Steigerung der Protein-Zufuhr beobachtet werden konnte, ist es um so wahrscheinlicher, dass dies beim juvenilen Stoffwechsel ebenso zutreffend ist.
Im weiteren Lebensverlauf ist selbstverständlich die gesunde Ernährung immer ein wichtiger begleitender Faktor für den Knochen. Je gesünder der Mensch sich ernährt, desto gesünder ist auch der Knochen. Das Skelett sollte nicht nur unter dem Gesichtspunkt Stabilitätsfunktion betrachtet werden, sondern dem Knochen und dem Knochenmark obliegen noch eine Vielzahl von Funktionen. Das Knochenmark und die darin eingebetteten Zellen unterstützen das Immunsystem, sorgen für die Regeneration von geschädigtem Gewebe und sind die Quelle der Hämatopoese. Die Sexualhormone begleiten alle diese Funktionen in essenzieller Weise. Knochengesundheit ist Frauengesundheit.
Der Knochen in der Pubertät
Auch der Knochen macht eine Pubertät durch. Dies ist der Zeitraum für den jungen Menschen, in dem die peak-bone-mass (maximale Knochenmasse/-dichte) aufgebaut werden sollte, und am besten geschieht dies ohne Störfaktoren. Doch gerade die Pubertätsjahre sind prädestiniert für „Störungen“ aller Art. So beginnen Jugendliche oft mit dem Konsum von Nicotin, auch werden viele Phosphat-reiche Getränke (z. B. Cola), Protein-arme und Kohlenhydrat-reiche Nahrungsmittel aufgenommen. Häufig ändern sich in den Pubertätsjahren die Ernährungsgewohnheiten. Viele Mädchen legen ihre familien-tradierten, meist omnivoren Ernährungsgewohnheiten von einem Tag auf den anderen ab und werden Vegetarierinnen oder Veganerinnen. In einer breit angelegten Studie (German Vegan Studie) konnte unter Ermittlung der NEAP-Werte bei veganer Ernährungsform der Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt und den Knochen untersucht werden. Die Autoren kommen zum Schluss, „dass eine vegane Ernährung die Säure-Basen-Homöostase nicht beeinflusst. Im Hinblick auf die Knochengesundheit muss die Bedeutung dieses Ergebnisses weiter untersucht werden” [14]. Zwar scheint eine vegetarische oder vegane Ernährung keinen negativen Einfluss zu haben, wenn auf eine ausreichende Vitamin-D3- und Calcium-Zufuhr geachtet wird, ein stabiles Körpergewicht nicht gefährdet ist und es darüber hinaus nicht zu langen Phasen der Amenorrhoe kommt. Denn die Kombination aus Untergewichtigkeit und Amenorrhoe schadet nachweislich dem adoleszenten Knochenaufbau [15].
Auch Schlafunregelmäßigkeiten und Schlafmangel in der Pubertät können die Knochenbildung negativ beeinflussen. Die individuelle peak-bone-mass in diesen Jahren aufzubauen, ist aber sehr wichtig, weil dies der physiologische Zeitraum ist, in dem Bruchfestigkeit des Knochens (Architekturqualität) und die Knochenqualität (Materialqualität) determiniert werden.
Hormonelle Einflüsse
In der weiblichen Pubertät werden alle mitwirkenden Hormone des großen Hormonorchesters für die nächsten drei bis vier Jahrzehnte innerhalb von einem Zeitraum von drei bis sechs Jahren rekrutiert. Der Startschuss dazu wird bereits zwei bis drei Jahre vor der Menarche gelegt, wenn das Längenwachstum einsetzt. Dies ist dann das erste äußere Zeichen der hormonellen Vorbereitungen der (prä)pubertären Jahre. Mit der Etablierung eines 28-tägigen Menstruationszyklus ist der ganze Körper neu gefordert und jedes Organsystem wird darauf programmiert. Interessant ist, dass auch der Knochen sich zu einem „zyklischen“ Organ entwickelt. Der Knochen lernt, mit dem Zyklus „mitzuschwingen“ und unterliegt – angepasst an die beiden Zyklusphasen (Follikel-Phase und Luteal-Phase) einer Knochenresorption und einem Knochenanbau (siehe Abb.1). Dies ist ein wichtiger Prozess. Um die Ovulation um die Zyklusmitte vorzubereiten, muss Calcium aus dem Knochen bereitgestellt werden. Die erste Zyklushälfte wird Follikel-Phase (= Calcium-katabole Phase am Knochen) genannt, es reift der führende Follikel bis zur Ovulation heran und parallel dazu wird Calcium aus dem Knochen mobilisiert. Ohne Calcium ist keine Ovulation möglich. Der Follikel wird durch parakrine Faktoren mithilfe des Calciums „angedaut“ und es kommt dadurch zum Eisprung. Der Follikel unterliegt keiner mechanischen Ruptur im Sinne eines Aufplatzens, weil er an Größe zunimmt, dies wäre zu mechanistisch gedacht und widerspricht der Biologie.
Die nächsten zwei Wochen des Menstruationszyklus nutzt der Körper, um im Falle einer Befruchtung das intrauterine Milieu für die Implantation einer befruchteten Eizelle vorzubereiten und stärkt auch mithilfe des Progesterons wieder den Knochen (Luteal-Phase ist Knochensubstanz-Synthesephase). Die komplexe endokrinologisch-parakrine Symphonie muss über drei bis sechs Jahre gut einstudiert werden, um für die nachfolgenden Jahrzehnte geordnet funktionieren zu können. Dementsprechend anfällig ist das System im Aufbau. Vom endokrinologischen Standpunkt aus betrachtet, müsste über jedes Mädchen in der Pubertät „eine schützende Glashaube gestülpt werden“, damit alle hormonellen Verknüpfungen sich optimal entwickeln können. Dies entspricht selbstredend nicht der Wirklichkeit, denn „Gefahren“ für das Ausreifen von Knochen, Eierstöcken und Gebärmutter „lauern“ überall. Dazu zählen vor allem eine unzureichende und ungesunde Ernährung mit entsprechenden Auswirkungen auf das Gewicht (Adipositas und Untergewichtigkeit), ein übermäßiger Genuss von Nicotin, Alkohol und anderen Noxen, sowie die hormonelle Unterversorgung mit Estrogenen, Androgen und auch Progesteron. Um in den entscheidenden Jahren der Pubertät die maximale Knochenmineraldichte aufbauen zu können, sind körperliche Betätigung und Sport sehr wichtig, denn durch die mechanische Belastung des Knochens wird die Knochenneubildung gefördert. Bei zu geringer mechanischer Belastung des Knochens bilden Osteozyten vermehrt die knochenkatabole Substanz Sclerostin [1]. Aber auch hier ist wie bei der Ernährung auf das richtige Augenmaß zu achten. Das Zuwenig – aber auch das Zuviel – ist schlecht für den Knochen. Der Terminus Anorexia athletica beschreibt ein Extrem – die Gewichtsproblematik in Kombination mit krankhaften Ernährungsgewohnheiten. Aber auch Übergewichtigkeit und erst recht maligne Adipositas sind für den jugendlichen Knochenaufbau ein Problem. Die mesenchymalen Stammzellen differenzieren eher zu Adipozyten als zu Osteoblasten, so dass bereits in der Pubertät mehr viszerales Fett aufgebaut wird – einhergehend mit einer verringerten Knochendichte.
Der Knochen und hormonelle Kontrazeption in der Pubertät
Es stellt sich immer wieder die Frage, was hormonelle Kontrazeptiva am Knochen bewirken, wenn diese bereits ab dem 13. oder 14. Lebensjahr regelmäßig über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Die Studiendatenlage ist dazu eher bescheiden, und es wird teilweise kontrovers diskutiert ob hormonelle Kontrazeptiva „gut” oder „schlecht” für den Knochenaufbau in der Pubertät sind. Da das Thema „Hormonelle Verhütung in der Pubertät“ ein relevantes Thema ist und hunderttausende junge Mädchen weltweit betroffen sind, muss für diese Problematik sensibilisiert und auch gleichzeitig das Bedauern ausgedrückt werden, dass keine validen wissenschaftlichen Daten vorliegen. Somit kann auch den Betroffenen keine fundierte, prospektive Auskunft gegeben werden. Interessanterweise gibt es zum weniger oft verwendeten Medroxyprogesteronacetat (MPA) mehr Studiendaten als zu den oralen Ovulationshemmern, die weltweit die Bestseller in dieser Altersgruppe mit über 100 verschiedenen „Pillenpräparaten“ sind. Daten mit einem Beobachtungszeitraum von weniger als zwölf Monaten sind für Medroxyprogesteronacetat für junge Mädchen (16. bis 18. Lebensjahr) verfügbar. Sie zeigen, dass es bei einer Anwendung von Medroxyprogesteronacetat länger als zwölf Monate zu keinen Auswirkungen am Knochen kommt [2]. In einer anderen Studie, in der 12- bis 18-jährige Mädchen unter Medroxyprogesteronacetat-Anwendung für 240 Wochen untersucht wurden, konnte gezeigt werden, dass es zu einem substanziellen Knochenmasseverlust während des Applikationszeitraumes kam, der sich innerhalb von 60 Wochen nach Absetzen wieder auf den Ausgangswert normalisierte [3]. Wenn darüber hinaus diese jungen Mädchen auch noch eine schlechte Versorgung bzw. Produktion mit bzw. von Vitamin D3 und Parathormon hatten, war der Knochen noch mehr gefährdet [4]. In einer Studie mit 16- bis 18-Jährigen, die zwei verschiedene Ovulationshemmer einnahmen (Ethinylestradiol/Desogestrel und Ethinylestradiol/Cyproteronacetat), konnte über den Zeitraum von zwei Jahren keine signifikante Verschlechterung der Knochendichte beobachtet werden, aber die Autoren schließen mit der Bemerkung, dass es offen bleibt (Zitat: „remains unknown“), was eine darüber hinausgehende Anwendung für den Aufbau der Knochenmasse bedeuten würde [5]. Gibt es einen günstigen Zeitpunkt, um mit der Einnahme von Ovulationshemmern in der Pubertät zu beginnen, um nicht die Ausreifung der peak-bone-mass zu gefährden? Die Antwort dazu kann man nur indirekt aus einer Studie aus dem Jahre 2012 ableiten [6]. Breit angelegte Untersuchungen dazu gibt es in der internationalen Literatur leider nicht ausreichend genug. Aus der Studie von Ziglar et al. ist bekannt, dass die Bildung der pubertären Knochenmasse im Zeitraum von einem Jahr vor der Menarche bis drei Jahre danach am höchsten ist [6]. In diesen vier Jahren läuft der Knochenanbau mit der höchsten Geschwindigkeit und sollte ungestört ablaufen. Ein zu geringer Aufbau an Knochenmasse wird in dieser Studie als unabhängiger Risikofaktor für Osteoporose in späteren Jahren bezeichnet. Im Abstract dieser Studie ist zu lesen: „Orale Kontrazeptiva unterdrücken die endogene Estradiol-Produktion durch Unterdrückung der Hypothalamus-Hypophysen-Ovarial-Achse. Somit etablieren und erhalten orale Kontrazeptiva durch den Ersatz von endogenem Estradiol durch Ethinylestradiol neue Hormonspiegel. Der frühe Beginn und die Verwendung einer sehr niedrigen Dosis von Ethinylestradiol wirft die Möglichkeit auf, dass der Aufbau von Knochenmasse zu einem kritischen Zeitpunkt der Knochenmineralisierung bei jungen Frauen oder Heranwachsenden gefährdet sein könnte.”
Die Studienlage wird deutlich umfangreicher je älter die Studienteilnehmerinnen sind, die verschiedene hormonelle Ovulationshemmer anwenden. Dort finden sich auch Daten die zeigen, dass keine Beeinträchtigung der Knochenmineralisierung zu erwarten ist, wenn die Anwendung jenseits des 19. Lebensjahres beginnt – vorausgesetzt die junge Frau hat sich bis dahin hormonell gesund entwickelt [7]. Aus den Studien können somit nur indirekte Rückschlüsse für begünstigende und nachteilige Ursachen gezogen werden, die für eine gesunde Knochenentwicklung ausschlaggebend sind. Zur Frage, ob kombinierte orale Kontrazeptiva mit einem Frakturrisiko assoziiert sind, schreibt die aktuelle S3-Leitlinie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose: „Insgesamt sind die Effekte heterogen und gering, so dass die Leitliniengruppe keine Einbeziehung bei der Beurteilung des Frakturrisikos empfiehlt [16]“. Die S3-Leitlinie „Hormonelle Empfängnisverhütung“ äußert sich zum Einfluss des Zeitpunkts der Einnahme von kombinierten oralen Kontrazeptiva auf die Frakturrate: „Ob sich hieraus eine erhöhte Inzidenz der Osteoporose bzw. osteoporoseassoziierter Frakturen ableiten lässt, ist derzeit noch offen“ [17]. |
Literatur
[1] Delgado-Calle J, Sato AY, Bellido T. Role and mechanism of action of sclerostin in bone. Review Bone 2017;96:29-37, doi: 10.1016/j.bone.2016.10.007. Epub 12. Oktober 2016
[2] Zhang M-H, Zhang W, Zhang A-D, Yang Y, Gai L. Effect of depot medroxyprogesterone acetate on bone mineral density in adolescent women. Chin Med J (Engl) 2013;126(21):4043-4047
[3] Harel Z, Cole Johnson C, Gold MA, Cromer B, Peterson E et al. Recovery of bone mineral density in adolescents following the use of depot medroxyprogesterone acetate contraceptive injections. 2010;81(4):281-91, doi: 10.1016/j.contraception.2009.11.003, Epub 14. Dezember 2009
[4] Harel K, Wolter MA,Gold B, Cromer A, Bruner M, Stager L. Inadequate vitamin D status in adolescents with substantial bone mineral density loss during the use of depot medroxyprogesterone acetate injectable contraceptive: a pilot study. J Pediatr Adolesc Gynecol Multicenter Study 2010;23(4):209-214, doi: 10.1016/j.jpag.2009.11.004, Epub 14. Mai 2010
[5] Gai L, Jia Y, Zhang M, Gai P, Wang S, Shi H et al. Effect of two kinds of different combined oral contraceptives use on bone mineral density in adolescent women Randomized Controlled Trial. Contraception 2012;86(4):332-326, doi: 10.1016/j.contraception.2012.01.009, Epub 24. Februar 2012
[6] Ziglar S, Hunter TS. The effect of hormonal oral contraception on acquisition of peak bone mineral density of adolescents and young women. Review J Pharm Pract 2012;25(3):331-340, doi: 10.1177/0897190012442066, Epub 9. Mai 2012
[7] Massaro M, Di Carlo C, Gargano V, Formisano C, Bifulco G, Nappi C. Effects of the contraceptive patch and the vaginal ring on bone metabolism and bone mineral density: a prospective, controlled, randomized study. Contraception 2010;81(3):209-214, doi: 10.1016/j.contraception.2009.09.011. Epub 29. Oktober 2009
[8] Cummings SR, San Martin J, McClung MR, Siris ES, Eastell R, Reid IR, Delmas P, Zoog HB, Austin M et al. FREEDOM Trial. Denosumab for prevention of fractures in postmenopausal women with osteoporosis Randomized Controlled Trial. N Engl J Med 2009;361(8):756-765, doi: 10.1056/NEJMoa0809493, Epub 11. August 2009
[9] Rautiainen S, Manson JE, Lichtenstein AH, Sesso HD. Dietary supplements and disease prevention - a global overview. Nat Rev Endocrinol 2016;12(7):407-420, doi: 10.1038/nrendo.2016.54, Epub 6. Mai 2016, PMID: 27150288 Review
[10] Spork P. Der zweite Code. Epigenetik – oder wie wir unser Erbgut steuern können. Rowohlt Verlag GmbH 2009
[11] Huber J. Liebe lässt sich vererben. Wie wir durch unseren Lebenswandel die Gene beeinflussen können. ZS Verlag Zabert Sandmann 2010
[13] Munger RG, Cerhan JR, Chiu BC. Prospective study of dietary protein intake and risk of hip fracture in postmenopausal women. Am J Clin Nutr 1999;69(1):147-152, doi: 10.1093/ajcn/69.1.147. PMID: 9925137
[14] Ströhle A, Waldmann A, Koschizke J, Leitzmann C, Hahn A. Diet-dependent net endogenous acid load of vegan diets in relation to food groups and bone health-related nutrients: results from the German Vegan Study. Ann Nutr Metab 2011;59(2-4):117-126, doi: 10.1159/000331572, Epub 2. Dezember 2011
[15] Fitzpatrick KK, Lock J. Anorexia nervosa. BMJ Clin Evid 2011 11;2011:1011, PMID: 21481284
[16] Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern. Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e. V., AWMF-Register-Nr.: 183/001, Stand: 2017
[17] Hormonelle Empfängnisverhütung. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) e. V., Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) und Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG). AWMF-Registernummer 015/015, Stand: September 2020, Version 1.2
1 Kommentar
Knochengesundheit ist Frauengesundheit
von Uwe Rodemeister am 02.05.2021 um 16:29 Uhr
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