Arzneimittel und Therapie

Entwarnung für Makrolide

Beunruhigende Ergebnisse zu Fehlbildungen widerlegt

Makrolide gehören zu den am häufigsten verordneten Antibiotika während der Schwangerschaft. 2020 veröffentlichte Daten ließen ein erhöhtes Risiko für schwere Geburtsfehler im Vergleich zur Penicillintherapie vermuten. Um evidenzbasierte Therapieempfehlungen geben zu können, wurde nun eine weitere groß angelegte Kohortenstudie durchgeführt.

Makrolide – wie Azithromycin, Clarithromycin und Erythromycin – sind häufig bei bakteriellen Infektionen der oberen und unteren Atemwege indiziert. Aufgrund ihres ähnlichen Wirkspektrums zu Penicillinen können sie bei Patienten mit Penicillinallergie eingesetzt werden. Auch in der Schwangerschaft stellen sie eine Alternative zum Antibiotikum der Wahl, Phenoxymethylpenicillin (PMP), dar. Eine 2020 veröffentlichte britische Kohortenstudie gab Anlass zur Befürchtung, dass der Einsatz von Makroliden in der Schwangerschaft weniger sicher sein könnte als bislang gedacht. Die Ergebnisse zeigten ein erhöhtes Risiko (relatives Risiko: 1,55) für schwere angeborene Fehlbildungen nach einer Makrolid-Therapie im Vergleich zu Penicillinen. Vor allem kardiovaskuläre (im ersten Trimester) und genitale Defekte (in allen Trimestern) traten verstärkt auf.

Foto: AntonioDiaz – stock.adobe.com

Unabhängige Studienpopulation

Bevor grundsätzlich neue klinische Empfehlungen zu Makrolid-Verordnungen in der Schwangerschaft gemacht werden, sollten diese Ergebnisse in einer unabhängigen Population bestätigt werden. Aus diesem Grund wurde eine weitere groß angelegte retrospektive Kohortenstudie in Dänemark durchgeführt, in der ein möglicher Zusammenhang einer Makrolid-Therapie in der frühen Schwangerschaft mit dem Risiko für schwere angeborene Fehlbildungen untersucht werden sollte. In die Auswertung flossen alle aufgezeichneten Schwangerschaften in Dänemark zwischen Januar 1997 und Dezember 2016 mit ein. Anhand der persönlichen Identifikationsnummer, die jeder dänische Bürger besitzt, konnten Daten von unterschiedlichen landesweiten Datenbanken vereint werden. Über das nationale Register für Arzneimittelstatistiken wurden die Daten von allen belieferten Verordnungen über Penicillin und Makrolide aus sämtlichen Apotheken Dänemarks erhalten.

Makrolid, Penicillin oder kein Antibiotikum

Insgesamt hatten 13.017 Probandinnen während des ersten Trimesters mindestens eine belieferte Verordnung über ein Makrolid-Antibiotikum (Azithromycin 36,2%, Clarithromycin 3,6%, Erythromycin 41,9%, Roxithromycin 18,2%, Spiramycin 0,0%) erhalten. Paarweise zugeordnet wurden diese mit Müttern verglichen, die im ersten Trimester mit Phenoxyme­thylpenicillin behandelt worden waren. Zudem erfolgte ein Vergleich mit Frauen, die kurz vor der Schwangerschaft (sechs Monate bis einen Monat vorher) ein Makrolid-Antibiotikum eingenommen hatten, sowie mit Frauen, die gar keine Antibiotika in der Schwangerschaft eingenommen hatten.

Als Outcome wurde jede Art von schweren Fehlbildungen sowie spezifische Subgruppen derer (z. B. kardiale, nervale oder genitale Fehlbildungen) betrachtet, die im ersten Lebensjahr des Kindes nach dem EUROCAT-Klassifizierungssystem (European Surveillance of Congenital Anomalies) diagnostiziert wurden. Ausgeschlossen wurden schwere Fehlbildungen mit bekannten Ursachen und weniger schwerwiegende Fehlbildungen gemäß der EUROCAT-Liste.

Ergebnisse, die beruhigen

Die Ergebnisse zeigen im Gegensatz zur vorhergehenden britischen Studie kein erhöhtes Risiko für schwere angeborene Fehlbildungen. Dies gilt sowohl im Vergleich mit den mit Phenoxymethylpenicillin therapierten Frauen als auch im Vergleich mit der Einnahme von Makroliden vor der Schwangerschaft bzw. dem Ausbleiben einer Antibiotikatherapie während der Schwangerschaft. So traten in der Makrolid-Kohorte mit 457 Fällen (35,1 pro 1000 Schwangerschaften) nicht signifikant häufiger schwere Fehlbildungen auf als in der Penicillin-Vergleichsgruppe (481 Fälle; 37,0 pro 1000 Schwangerschaften). Weiterhin wurde in keiner der zwölf untersuchten Subgruppen von Fehlbildungen ein erhöhtes Risiko durch den Makrolidgebrauch in der Schwangerschaft gefunden. Auch wirkstoffbezogen fand man keine Risikoerhöhung für die untersuchten Makrolide.

Unterschiedliche Aussagekraft

Vergleicht man die beiden Studien, so fällt auf, dass die dänische Studie eine deutlich aussagekräftigere Stichprobe umfasst. In der britischen Studie von 2020 wurden 6,9% der Gesamtbevölkerung eingeschlossen, von denen insgesamt 2170 Frauen in der Schwangerschaft Makrolide eingenommen hatten. Dagegen wurden bei der aktuellen dänischen Studie die gesamten Bevölkerungsdaten angeschaut und mit 13.017 Frauen knapp sechsmal mehr Fälle ausgewertet. Einen weiteren Unterschied stellt die Art der Datenerhebung dar. Die englische Studie wertete die Daten eines Registers aus, in das Ärzte ihre Diagnosen manuell eintragen müssen. In Dänemark hingegen werden alle Diagnosen automatisch und digital in dem ausgewerteten Register gespeichert. Die Autoren schätzen die statistische Aussagekraft der Studie als hoch und die limitierenden Faktoren sowie potenzielle Confounder als niedrig ein. Ein Grund für eine Änderung der Handlungsempfehlungen zur Antibiose bei schwangeren Patientinnen liegt daher aktuell nicht vor. |

Literatur

Andersson NW et al. Association between use of macrolides in pregnancy and risk of major birth defects: nationwide, register based cohort study. The BMJ 2021;372:n107

Apothekerin Leonie Naßwetter

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