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Arzneimittel und Therapie
Die Folgen des Bottroper Zyto-Skandals
Mehr Zubereitungen und frühere Rezidive
Derzeit ist nicht davon auszugehen, dass es der Bottroper Apotheker Peter Stadtmann auf bestimmte Patienten abgesehen hatte, sondern nach Zufallsprinzip manipulierte. Die Hinweise legen nahe, dass rund die Hälfte der in seiner Apotheke abgegebenen Zubereitungen unterdosiert war. Noch konnte nicht abschließend geklärt werden, wie lang der Betrug in die Vergangenheit zurückreicht und welchen konkreten Schaden die Patienten dabei nahmen.
Geschädigte Patienten?
Autoren einer aktuellen Kohortenstudie wollten diese Fragen wissenschaftlich beleuchten. Dafür untersuchten Forscher um Professor Dr. Ulrike Haug vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie, ob und wann bei Brustkrebspatientinnen Rezidive auftraten und welche Patienten mit nicht-soliden Tumoren (Leukämien) verstarben. Dafür griffen sie auf Abrechnungsdaten von vier gesetzlichen Krankenkassen zwischen 2004 und 2016 zurück. Zunächst selektierten sie die Krebspatienten, die ihre Arzneimittel aus der Apotheke von Peter Stadtmann bezogen hatten. Anschließend ordneten sie diesen bis zu vier Kontrollpatienten zu, die ihre Zytostatika zwar von anderen Apotheken erhalten hatten, aber hinsichtlich des Alters, des Zeitpunkts der Diagnose und anderer Kriterien möglichst vergleichbar waren. Insgesamt verglichen die Studienautoren 255 Brustkrebspatientinnen mit 979 Kontrollfällen und 149 Patienten mit nicht-soliden Tumoren gegen 581 Kontrollpatienten. Patienten, deren Arzneimittel Mitarbeiter der Alten Apotheke Bottrop hergestellt hatten, erhielten um ein Drittel häufiger Zytostatika. Brustkrebspatientinnen, die ihre Arzneimittel bei Peter Stadtmann bezogen hatten, erlitten ebenso wie die Kontrollgruppe mit einer 26%-igen Wahrscheinlichkeit ein Rezidiv. Dieses trat jedoch im Vergleich drei Monate früher auf als bei den Kontrollpatienten. Bei den Leukämiepatienten konnten die Forscher keinen signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe feststellen.
Schadensersatz fraglich
Die Studienautoren mutmaßen, dass bei Verlaufskontrollen bei Versorgung durch die Bottroper Apotheke häufiger ein zu geringer Therapieeffekt festgestellt wurde, weshalb die Zytostatika über einen längeren Zeitraum verschrieben werden mussten. Wenn Stadtmann tatsächlich nach dem Zufallsprinzip vorgegangen wäre, wäre so die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Patienten doch noch Zubereitungen mit voller Dosierung erhalten hätten. Dies könnte wiederum erklären, warumbetroffene Patienten – im Gruppenvergleich – nicht häufiger Rückfälle erlitten. Die Tatsache, dass bei Bottroper Brustkrebspatientinnen Rezidive früher auftraten, könnte mittelfristig deren Überlebenswahrscheinlichkeit beeinflusst haben. Doch diese Frage müsste in einer weiteren Studie mit längerem Beobachtungszeitpunkt geklärt werden.
Die Autoren betonen, dass die Ergebnisse keine Aussagen über Einzelfälle zulassen. Derzeit versuchen Betroffene des Skandals um manipulierte Zytostatika, Schadensersatz einzufordern. Doch die Chancen stehen schlecht, da das bundesweit gültige Opferentschädigungsgesetz nur greift, wenn individuelle Schädigungen eindeutig nachweisbar sind. Dies dürfte im Falle des Bottroper Apothekers schwer sein. Zudem läuft ein Insolvenzverfahren gegen den Apotheker. |
Literatur
Haug U. Zusammenfassung: Studie zum Vergleich der Krankheitsverläufe von Krebspatientinnen und -patienten („Alte Apotheke Bottrop“ vs. andere Apotheken).
Feldwisch-Drentrup H. Studie zum Zyto-Skandal – Bottroper Krebspatienten erhielten durchschnittlich deutlich mehr Infusionen. DAZ.online 2021, News vom 14. April 2021.
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