Arzneimittel und Therapie

Ein neuer, alter Bekannter

Erstes Eszopiclon-haltiges Hypnotikum seit 1. April erhältlich

mp | Nachdem 2009 der Zulassungsantrag für ein Eszopiclon-haltiges Schlafmittel kurzfristig zurückgezogen worden war (s. Kasten), ist mit Luniviva® nun das erste Fertigarzneimittel mit diesem Wirkstoff in Deutschland verfügbar. Gegenüber dem Racemat-Gemisch punktet Eszopiclon laut Hersteller durch eine niedrigere Dosierung, eine schnellere Freisetzung sowie einen geringeren Hangover-Effekt.

Lunivia® mit dem Wirkstoff Eszopiclon (bzw. (S)-Zopiclon) ist seit dem 1. April erhältlich und zugelassen zur üblicherweise kurzzeitigen Behandlung von schwerwiegenden Schlafstörungen bei Erwachsenen. Eszopiclon ist das Eutomer, also das wirksamere Enantiomer des racemischen Gemischs Zopiclon. Im Vergleich zum weniger wirksamen Distomer (R)-Zopiclon besitzt es eine 50-fach höhere Affinität zur Bindungsstelle, der α-Untereinheit des GABAA-Rezeptors und kann deshalb in einer geringeren Dosis von 1 mg, die gegebenenfalls erhöht werden kann, verabreicht werden. Z-Substanzen wie Eszopiclon greifen abseits der Bindungsstelle des endogenen Liganden γ-Aminobuttersäure (GABA) am GABAA-Rezeptor an, einem in der Zellmembran verankerten Chlorid­-Ionenkanal. So erhöhen sie die Öffnungswahrscheinlichkeit des Ionen­kanals. Weil die Chloridionen-Konzentration extrazellulär höher ist als in der Zelle, strömen mehr negativ geladene Ionen in die Zelle ein. Dadurch kommt es zur Hyperpolarisation der Zelle, die Signalweiterleitung unterbleibt – und der Patient wird müde. Für das Distomer (R)-Zopiclon, das in gleichen Teilen wie Eszopiclon im racemischen Gemisch enthalten ist, sind keine spezifischen unerwünschten Wirkungen belegt. Somit ist Eszopiclon nicht besser verträglich als das racemische Gemisch. Laut Hersteller wurde lediglich ein geringer ausgeprägter Hangover-Effekt dokumentiert. Studien zufolge wird Eszopiclon zudem rascher aus dem Arzneimittel freigesetzt als das racemische Gemisch und ist daher schneller wirksam. Als Nebenwirkungen können unter anderem eine schlechtere Koordination und Reaktionszeit sowie eine beeinträchtigte Gedächtnisleistung auftreten.

Foto: Hennig Arzneimittel

Eszopiclon ist in den Stärken 1, 2 und 3 mg erhältlich.

Häufig Fehler bei der Therapie

Etwa jeder zehnte Erwachsene leidet unter einer schweren Insomnie, die einer Behandlung bedarf. Eine schwere Insomnie liegt vor, wenn Patienten schon seit mindestens drei Jahren eine Einschlaflatenz über 30 Minuten haben und die Probleme mehr als dreimal pro Woche auftreten. Die Beschwerden bessern sich auch im Urlaub oder am Wochenende nicht. Nach fünf Jahren persistierender Insomnie steigt die Mortalität der Patienten stark an. In Deutschland nehmen nur 5% der Menschen mit Schlafstörungen Schlafmittel ein, und trotzdem werden häufig Fehler gemacht, kritisiert Professor Ingo Fietze, Schlafmediziner am Charité Berlin, bei der von Henning Arzneimittel veranstalteten Pressekonferenz. In der Folge werden Hypnotika bei einigen Patienten zu früh, bei anderen Patienten viel zu spät verordnet. Z-Substanzen eignen sich sowohl zur Therapie von Einschlaf- als auch von Durchschlafstörungen. Bei älteren Patienten sollte laut Fitze anstelle der Z-Substanzen zunächst eine Therapie mit Melatonin oder Doxepin versucht werden. Leiden die Patienten zeitgleich unter Depressionen, können Mirtazapin und Doxepin eingesetzt werden.

Erfolgreich imzweiten Anlauf

Bereits 2009 hatte der amerikanische Pharmahersteller Sepracor Pharmaceuticals bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA einen Zulassungsantrag für Eszopiclon eingereicht, diesen aber wieder zurückgezogen. Grund dafür war, dass der Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP dem Wirkstoff nicht den Status „neue Wirksubstanz“ zuerkennen wollte und somit der Hersteller nicht von einer zehnjährigen Marktexklusivität profitiert hätte.

Eine große Herausforderung bei der Therapie schwerer Insomnien ist, dass Patienten häufig aus Angst, abhängig zu werden, keine Hypnotika einnehmen wollen. „Schlaftabletten haben in Europa den schlechtesten Ruf überhaupt“, meint Fietze. In der Apotheke dürften die Sorgen der Patienten nicht noch schlimmer gemacht werden, um die Adhärenz nicht zu gefährden, betont er gegenüber der DAZ. Obwohl der Hersteller in der Fachinformation von Lunivia® dokumentiert, dass die Behandlung auf sechs Monate verlängert werden kann, ist Eszopiclon – wie andere Z-Substanzen auch – nur für vier Wochen erstattungsfähig. Dabei empfehlen Schlafmediziner Patienten mit schweren chronischen Schlafstörungen, die Z-Substanzen über sechs bis zwölf Monate einzunehmen. |
 

Literatur

Fietze I. „Es“ macht den Unterschied: Lunivia® ist die neue Therapieoption bei Schlafstörungen“, Online-Pressekonferenz veranstaltet von Henning Arzneimittel GmbH & Co. KG, 4. März 2021

Fachinformation Lunivia®, Hennig. Stand: November 2020

Fragen und Antworten zur Rücknahme des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Lunivia, Informationen der EMA, 29. Mai 2009

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