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Gedanken zum 31. März

Die Corona-Pandemie sollte keine tagesaktuellen Reaktionen mehr erfordern – ein Kommentar

Am Mittwoch dieser Woche – am 31. März – hätten die Befugnisse für Corona-Regeln ohne parlamentarischen Beschluss enden sollen. So hatte es der Bundestag ursprünglich festgelegt. Doch zwischenzeitlich wurden die Regeln geändert. Der Bundestag muss nun alle drei Monate erneut die epidemische Lage feststellen, um die Sonderregeln zu verlängern. Die ursprüngliche Regelung war allerdings ein weiser Plan. Vor gut einem Jahr konnte zwar niemand wissen, wie lange die Pandemie dauern wird. Doch darum geht es nicht. Entscheidend ist, dass die Pandemie nach einem Jahr keine tagesaktuellen Reaktionen mehr erfordert. Statt Entscheidungen auf Sicht sind strategische Pläne nötig. Nicht nur, aber auch deswegen sind statt der Exekutive die Parlamente gefragt, wegen der überwiegenden Zuständigkeit der Länder vor allem die Landtage. Der Bundestag hätte über den Rahmen der möglichen Maßnahmen zu entscheiden. Bei der Änderung des Infektionsschutzgesetzes hat der Bundestag bewiesen, dass auch ein Parlament schnell arbeiten und dabei zumindest für mehr Transparenz sorgen kann, als derzeit üblich ist.

Foto: DAZ/diz
Pharmazeutische Kompetenz gefragt: Bei der Rekonstitution des mRNA-Impfstoffes wird aktuell zwar auf das Personal der Arztpraxen gesetzt. Doch die liefernden Apotheker sollten sich aus eigener Verantwortung einmischen und über die pharmazeutisch-technologisch korrekte Handhabung informieren.

Corona-Maßnahmen von Grund auf neu bewerten

Historische Erfahrungen zeigen, dass das wesentliche Problem von Notstandsregelungen der Exekutive in der Verlängerung liegt. Auch bei den Grundrechtseinschränkungen ist die Dauer ein fundamentaler Aspekt. Anfangs war die erwartete kurze Gültigkeit der Einschränkungen ein zentrales Argument für die Maßnahmen. Doch nach Ablauf der vorgesehenen Frist verbraucht sich das Argument und verkehrt sich ins Gegenteil. Wegen der längeren Dauer muss bei der Abwägung der Verhältnismäßigkeit nun an dieselben Maßnahmen ein strengerer Maßstab angelegt werden. Das folgt aus der Begründung, die vor einem Jahr angeführt wurde, wird aber offenbar derzeit übersehen. Statt alte und wenig erfolgreiche Maßnahmen sogar noch zu verschärfen, sollten daher alle Corona-Maßnahmen von Grund auf neu bewertet werden. Im ersten Lockdown war ein Maßnahmenpaket zur Senkung der Infektionszahlen gefragt. Doch mit zunehmendem Wissen über die Zusammenhänge und in der neuen Situation mit Impfungen und Tests sollte für jede einzelne Maßnahme gezeigt werden, dass sie mehr nutzt als sie an anderer Stelle gesundheitlich, sozial oder wirtschaftlich schadet. Nach einem Jahr drängt sich vor allem die Frage auf, warum eine Gesellschaft, die sonst auf Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und sozialer Marktwirtschaft aufgebaut ist, gerade in einer Krise auf das Gegenteil setzt: staatlichen Zwang und Planwirtschaft. Das ist als gesellschaftliches Signal verheerend. Denn es erweckt den Eindruck, als würden die Grundwerte unserer Gesellschaft nur für gute Zeiten taugen. Zudem ist der Erfolg ungenügend. Der planwirtschaftliche Ansatz hat beim Impfen und Testen wie immer versagt. Impfweltmeister sind stattdessen Israel (in der Gesamtbetrachtung) und Chile (im aktuellen Voranschreiten), die auf frühe Einkaufsvereinbarungen und (in Chile) dezentrale Impfungen gesetzt haben. Deutschland schafft es dagegen kaum, den wenigen vorhandenen Impfstoff zu verabreichen. Stattdessen werden akribische Vorschriften darüber erlassen, wer wen wann und wo treffen darf. Die grundgesetzlich besonders geschützte Privatsphäre wird sogar stärker als die Arbeitswelt reguliert. Stattdessen sollten wir endlich auf die Kompetenzen und die Eigenverantwortung der Menschen vertrauen, weil dies die Stärke unserer Gesellschaft ist.

Foto: imago images/Steinach

Schon früh in der Pandemie hat die Politik auf die Verantwortung der Apotheker gesetzt – beispielsweise im Rahmen der Desinfektionsmittelherstellung und bei den erleichterten Regeln bei der Arzneimittelabgabe.

Eigenverantwortung und mehr Handlungsspielraum

Das gilt zunächst für die Profis im Gesundheitswesen wie Apotheker und Ärzte. Erfreulicherweise hat die Politik bei den Apothekern schon früh in der Pandemie auf deren Verantwortung gesetzt. Dies hat sich bestens bewährt. Erinnert sei an die Herstellung von Desinfektionsmitteln, die durch den Abbau bürokratischer Hürden plötzlich ermöglicht wurde. Für die Arzneimittelabgabe, besonders bei Rabattverträgen, wurden die Handlungsmöglichkeiten entscheidend erweitert. Hier wurde und wird noch immer gerade wegen der Pandemie auf die Kompetenz von Fachleuten gesetzt – und nicht auf bürokratische Vorgaben. In den Apotheken zeigt sich jeden Tag, wie sinnvoll und erfolgreich dies für alle Beteiligten ist. Sogar die Krankenkassen haben nach jüngsten Erkenntnissen mit den Rabattverträgen mehr gespart als je zuvor. An dieser Stelle wirkt sich das Fortbestehen der Corona-Ausnahmen zwar vorteilhaft aus, noch besser wäre allerdings, den Handlungsspielraum aufgrund der guten Erfahrungen dauerhaft zu erweitern. Auch beim honorierten Botendienst hat die Politik auf die Entscheidungsfreiheit der Apotheker gesetzt, und die sind damit sehr verantwortungsbewusst, ja sogar zurückhaltend umgegangen. Die spätere Halbierung des Honorars ist zwar enttäuschend, lässt aber hoffen, dass auch andere Sonderregeln über die Pandemie hinaus fortgeschrieben werden. Bei der Maskenverteilung setzte die Politik in der ersten Tranche noch auf die Verantwortung der Apotheker, bei den weiteren Tranchen jedoch nicht mehr. Daraufhin verunglückte die politisch festgesetzte und später veränderte Honorierung. Es bleibt ein Rätsel, warum die Politik Preise festgelegt hat, statt wie bei den Arzneimittelpreisen auf einen für alle Beteiligten verlässlichen Aufschlag zu setzen. Festzuhalten bleibt, dass alle mit dem Prinzip Eigenverantwortung bei den Apotheken bestens gefahren sind. Darum ist es sehr gut und längst überfällig, dass dieses Prinzip auch für Ärzte gilt und die Hausärzte nun endlich impfen dürfen. Offenbar haben die Politiker ihre Furcht überwunden, irgendein Arzt könnte einmal von der rigide fest­gelegten Impfpriorität abweichen. Doch Ärzte sind den Umgang mit Priorisierungen gewohnt. Mit dem Einsatz der Hausärzte werden auch die Apotheker erneut gefordert: bei der Logistik und ganz besonders bei der wichtigen Einweisung des Praxispersonals. Der Biontech-Impfstoff soll zwar in den Praxen rekonstituiert werden, aber die liefernden Apotheker sollten sich aus eigener Verantwortung einmischen und das Praxispersonal über die pharmazeutisch-technologisch korrekte Handhabung informieren.

Der hohe Stellenwert der Eigenverantwortung sollte aber auch für jede Einzelne und jeden Einzelnen gelten, die die Risiken durch ihre wenigen verbliebenen Kontakte selbst besser einschätzen können, als irgendeine Behörde dies jemals könnte. Denn Eigenverantwortung sollte stets die Grundlage für unser Handeln sein, nicht als Ergebnis eines Abwägungsprozesses, sondern aus der tiefen Überzeugung, dass dieses tragende Prinzip unserer Gesellschaft richtig ist. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn

Apotheker und Dipl.-Kaufmann, auswärtiges Mitglied der ­Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung

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