Arzneimittel und Therapie

Gräserpollen-Impfstoff gegen chronische Hepatitis-B?

Spezifische Antikörper verhindern Virus-Eintritt in Leberzelle

Chronische Hepatitis-B-Infektionen stellen ein globales Gesundheitsproblem dar – weltweit sind mehr als 250 Millionen Menschen daran erkrankt. Dabei wissen die wenigsten Betroffenen von ihrer Erkrankung und erhalten eine adäquate Therapie. In einer doppelblinden, placebo-kontrollierten Studie wurde untersucht, ob die neuartige Gräserpollenallergie-Vakzine BM32 wirksam zur Behandlung der Hepatitis B ist.
Foto: Jürgen Kottmann – stock.adobe.com

Ein ursprünglich gegen Gräserpollen-Allergie entwickelter Impfstoff könnte einen neuen Therapieansatz bei chronischer Hepatitis B darstellen.

Die Hepatitis-B-Infektion stellt eine hoch infektiöse Erkrankung dar, die zu einer Entzündung der Leber führt. In etwa fünf bis zehn Prozent der Fälle verläuft sie chronisch – das Risiko zur Entwicklung von Leberzirrhosen und hepatozellulären Karzinomen ist dabei stark erhöht. Jährlich sterben mehr als 800.000 Menschen an den Folgen der Infektion. Immer mehr Menschen werden präventiv gegen die Leberkrankung geimpft. Davon erhofft man sich einen deutlichen Rückgang der Infektionszahlen in den nächsten 10 bis 20 Jahren, obwohl bei jedem Fünften bis Zehnten die Impfung nicht anspricht (Non-Responder). Die bisherigen Therapiemöglichkeiten bestehen aus der Gabe von Virustatika und Interferonen, deren Anwendung jedoch mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden ist.

preS1-Domäne als Target

Ein wichtiges Ziel bei der Therapie von chronischen Hepatitis-B-Erkrankungen ist es, die Infektion weiterer Leberzellen zu verhindern. Dies erfolgt am besten, wenn der Eintritt des Virus in die Hepatozyten unterbunden wird. Es hat sich gezeigt, dass die preS1-Domäne auf einem Oberflächenprotein des Hepatitis-B-Virus eine wichtige Rolle bei der Infektion der Leberzellen darstellt. Mithilfe der preS1-Domäne bindet das Virus an den Natrium-Taurocholat-Co-Transport-Polypeptid-Rezeptor (NTCP) auf der Oberfläche der Hepatozyten und tritt so in die Zelle ein. Es wird vermutet, dass durch die Injektion von preS1-abgeleiteten Proteinen und der dadurch induzierten Antikörperbildung eine Infektion der Leberzellen durch das Hepatitis-B-Virus gestoppt werden kann. Eine neue Generation von Impfstoffen gegen Gräserpollen-Allergien enthalten neben den Gräserpollen-Antigenen auch das preS1-Protein als Trägerprotein, welches bei den Allergikern die T-Zell-vermittelte allergische Entzündung reduzieren soll. Forscher der Uni Wien haben in einer Studie untersucht, ob ein Impfstoff gegen Gräserpollen-Allergie (BM32) eine wirksame Therapieoption bei der chronischen Hepatitis-B-Infektion darstellen könnte. Im Gegensatz zur häufig angewandten Hyposensibilisierung sind hier weniger Injektionen bei geringer Nebenwirkungsrate erforderlich.

Hohe Antikörper-Level

In die Studie wurden insgesamt 128 Patienten mit Gräserpollen-Allergie eingeschlossen. 34 Probanden erhielten über fünf Monate hinweg eine monatliche Placebo-Injektion. Der Rest bekam unterschiedliche Dosierungsschemata von BM32 (33 Probanden: zwei Placebo + drei BM32-Injektionen; 30 Probanden: ein Placebo + vier BM32-Injektionen; 31 Probanden: fünf BM32-Injektionen). Es konnte festgestellt werden, dass BM32 hohe Level an IgG1 und IgG4 Antikörper induziert, die an die Rezeptorbindungsstelle des Hepatitis-B-Virus an der Leberzelle passen und somit eine Infektion verhindern könnten. Die fünffache Gabe von BM32 bewirkte dabei die höchste preS-spezifische IgG-Produktion; Non-Responder konnten nicht gefunden werden. Kreuzreaktionen konnten für alle acht HBV-Genotypen gezeigt werden. Aufgrund der hohen Antikörper-Produktion könnte laut der Forscher die BM32-Impfung sowohl präventiv als auch therapeutisch gegen die chronische Form der Hepatitis B zum Einsatz kommen.

Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend: Die BM32-Impfung könnte in der Zukunft eine potenzielle Therapiemöglichkeit gegen die chronische Hepatitis-B-Infektion darstellen. Ein Ansatz, der unbedingt weiterverfolgt und durch große randomisierte, kontrollierte klinische Studien untersucht werden sollte. |

Literatur

Tulaeva I, Cornelius C, Zieglmayer P, Zieglmayer R, Schmutz R, Lemell P, Weber M, Focke-Tejkl M, Karaulov A, Henning R, Valenta R. Quantification, epitope mapping and genotype cross-reactivity of hepatitis B preS-specific antibodies in subjects vaccinated with different dosage regimens of BM32. EBioMedicine 2020; doi.org/10.1016/j.ebiom.2020.102953

Glebe D, Urban S, Knoop EV, Cag N, Krass P, Grün S et al. Mapping of the hepatitis B virus attachment site by use of infection-inhibiting preS1 lipopeptides and tupaia hepatocytes. Gastroenterology 2005; 129:234-45

Gripon P, Cannie I, Urban S.Efficient inhibition of hepatitis B virus infection by acylated peptides derived from the large viral surface protein. J Virol 2005; 79:1613-22

Hepatitis-B-Virus. Doccheck Flexikon. https://flexikon.doccheck.com/de/Hepatitis-B-Virus; Abruf am 11. Oktober 2020

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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