Arzneimittel und Therapie

Entzündliche Darmerkrankungen nach Antibiotika

Schon drei Behandlungen können das Risiko erhöhen

Die Zahl von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) steigt – vor allem in Ländern mit ­einem hohen Hygienebewusstsein und leichtem Zugang zu antimikrobiellen Arzneimitteln. Doch ist wirklich der Einsatz von Antibio­tika schuld an dieser Tendenz? Schwedische Forscher sind dieser Frage nachgegangen, mit einem eindeutigen Ergebnis.
Foto: Andrii Zastrozhnov – stock.adobe.com

Die Bedeutung von Antibiotika ist unumstritten. Ein besseres Verständnis der Auswirkungen einer Therapie, insbesondere auf den Darm, sowie ein verbessertes antibiotic stewardship sind jedoch nach wie vor dringend notwendig.

Das Mikrobiom unseres Körpers spielt eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit. Ein Eingriff in die Zusammensetzung des Mikrobioms – zum Beispiel durch eine Therapie mit Antibiotika – kann die sensible Balance der Darmflora stören. Doch kann die Einnahme von Antibiotika auch die Entstehung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen beeinflussen? Um diese Frage zu klären haben Wissenschaftler die Daten verschiedener schwedischer Gesundheitsregister ausgewertet. Personen ab 16 Jahren, die an mindestens einer entzündlichen Darmerkrankung oder eines Subtypen leiden (zum Beispiel Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa) wurden in die Studie einbezogen.

Stellen Breitbandantibiotika ein höheres Risiko dar?

Die Datenspeicherung durch das schwedische Gesundheitssystems war für diese Studie besonders vorteilhaft: So konnten Daten der schwedischen Patienten und -Arzneimittelregister herangezogen werden, in welchen seit 1987 bzw. 2005 Patientendaten aufgezeichnet werden. Dazu kamen die Daten der ESPRESSO Studie (Epidemiology Strengthened by histoPathology Reports in Sweden); einer fortlaufenden Studie, in der seit 1965 histopathologische Daten gesammelt werden.

Die Kriterien für den Einschluss in die Studie erfüllten insgesamt 23.982 Personen. Geeignete Kontrollen wurden basierend auf Alter, Geschlecht, Ausbildungsniveau und Landkreis aus­gewählt. Da sich die Diagnose einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung um vier bis neun Monate verzögern kann, wurden Antibiotika-Einnahmen bis zwölf Monate vor Diagnosestellung nicht mit einbezogen.

Sofern möglich wurden Geschwister als Kontrollpersonen hinzugezogen, um zu untersuchen, ob Personen mit familiärer Prädisposition für entzündliche Darmerkrankungen durch Antibiotika-Einnahme anfälliger werden. Außerdem werteten die Forscher aus, ob Breitbandantibiotika im Gegensatz zu Antibiotika mit einem engeren Wirkspektrum ein höheres Risiko für die Entwicklung von CED darstellen.

Risiko steigt mit Anzahl der Antibiotika-Therapien

Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antibiotika und der Entwicklung einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Die Daten legen nahe, dass mehrmalige (drei oder mehr) Antibiotika-Behandlungen das Risiko für spätere entzündliche Darmerkrankungen erhöhen. Dadurch wird die Hypothese bestärkt, dass starke Veränderungen der Darmflora durch antimikrobielle Therapien die Entwicklung von chronischen Erkrankungen fördern. Das Risiko für Morbus Crohn war dabei leicht höher als das für Colitis Ulcerosa. Beim Vergleich von verschiedenen Antibiotikagruppen wurde deutlich, dass Breitbandantibiotika ein höheres Risiko darstellen als spezifische Antibiotika.

Erklärungsversuche, wie die Veränderung des Mikrobioms die Entstehung von Krankheiten fördern könnte, haben die Wissenschaftler auch schon: Zum einen könnte die Barrierefunktion der Darmwand durch die fehlenden Mikroorganismen gestört werden. Zum anderen könnten Immunzellen verändert auf das Mikrobiom reagieren und spezifische pathogene Mikroorganismen können sich dann ungestört vermehren. |

Literatur

Nguyen LH et al. Antibiotic use and the development of inflammatory bowel disease: a national case-control study in Sweden. Lancet Gastroenterol Hepatol. 2020 Nov;5(11):986-995.

Laura Kneller, MSc Toxikologie

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