Gesundheitspolitik

Die Ampel-Pläne für die Apotheken

cm/ks | Flexiblere Apothekenbetriebsordnung, Weiterentwicklung des Nacht- und Notdienstfonds und besser honorierte Dienstleistungen – diese Pläne verfolgt die „Ampel“

Die voraussichtlich bald regierenden Ampel-Koalitionäre hatten sich in ihren Sondierungsgesprächen und anschließenden Koalitionsverhandlungen absolutes Stillschweigen auferlegt. Bis zum 10. November hatten die in 22 Themenbereichen eingesetzten Arbeitsgruppen Zeit, gemeinsame Positionen zu formulieren. Die Ergebnisse wurden dann der Hauptverhandlungsrunde vorgelegt, die mittlerweile am Koalitionsvertrag arbeitet. Nun sickern die ersten Informationen durch – der von der zuständigen Arbeitsgruppe verfasste Entwurf für das Kapitel „Pflege und Gesundheit“ liegt der AZ vor. Die sechs Seiten widmen sich zunächst vor allem der Pflege. Doch auch die Apotheken spielen eine Rolle. So plant die künftige Ampel, das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) noch einmal anzufassen und zu „novellieren“. Ziel ist, die geplanten pharmazeutischen Dienstleistungen „besser zu honorieren und ­Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen“. Diese etwas kryptische Formulierung erläutern die Ampel-Partner allerdings nicht näher.

Darüber hinaus wollen SPD, Grüne und FDP den Nacht- und Notdienstfonds zu einem sogenannten „Sicherstellungsfonds“ weiterentwickeln. Zudem soll es nach dem Willen der Partner eine Möglichkeit geben, Notfallbotendienste in der ambulanten Notfallversorgung abzurechnen. Auch „flexiblere Vorgaben in der Apothekenbetriebsordnung“ sind geplant – für Apotheken, die an integrierten Notfallzentren in unterversorgten Gebieten die Arzneimittelversorgung sichern. Auch hier wird das Papier nicht genauer.

Kontrollierte Cannabis-Abgabe wohl ohne Apotheken

Wie von vielen erwartet, sieht das Papier auch die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften vor. „Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, so die Hoffnung. „Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen.“ Die Apotheken werden in diesem Kontext nicht genannt, sie könnten aber in einem anderen Zusammenhang ins Spiel kommen: Im Entwurf vorgesehen ist, Modelle zum Drugchecking zu ermöglichen. Nach den Vorstellungen der Grünen, deren Handschrift der Entwurf an vielen Stellen trägt, könnte den Apotheken hierbei eine Schlüsselrolle zufallen.

Regelhafte telemedizinische Leistungen

Was die Digitalisierung betrifft, hat die Ampel einiges vor: Die Gematik wollen Sozialdemokraten, Grüne und Liberale zu einer Gesundheitsagentur ausbauen und allen Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) zur freiwilligen Nutzung bereitstellen. Statt eines Opt-in-Modells ist ein Opt-out-Konzept vorgesehen, das bedeutet, dass Versicherte der Nutzung aktiv widersprechen müssen. Die Einführung der ePA wollen die möglichen Koalitionäre ­beschleunigen. Telemedizinische Leistungen, auch zur Arzneimittelversorgung, wollen sie regelhaft ermöglichen. Insgesamt soll in der Digitalisierungsstrategie der Fokus auf die Lösung von Versorgungsproblemen und die Perspektive der Nutzer gelegt werden.

Weniger Bürokratie

Auch das Thema Bürokratieabbau im Gesundheitswesen wollen SPD, Grüne und FDP angehen. „Wir durchforsten das SGB V und weitere Normen nach auch durch technischen Fortschritt überholten Dokumentationspflichten“, schreiben sie im Entwurf. „Durch ein Bürokratieabbaupaket bauen wir Hürden für eine gute Versorgung der Patienten ab. Die Belastungen durch Bürokratie und Berichtspflichten jenseits gesetzlicher Regelungen werden kenntlich gemacht.“ Die Apotheken dürfen sich in diesem Zusammenhang möglicherweise Hoffnungen machen, dass auch die Abgabeerleichterungen, die ihnen im Zuge der Pandemie zugebilligt wurden, erhalten bleiben. „Wir verstetigen die Verfahrenserleichterungen, die sich in der Pandemie bewährt haben“, versprechen die Partner.

7 Prozent Mehrwertsteuer auf Arzneimittel

Die Arzneimittelpreise wollen die Ampel-Koalitionäre ebenfalls anpacken. Vorgesehen ist im Entwurf etwa eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf 7 Prozent – eine Forderung, die unter anderem die Apothekerschaft, aber auch die Krankenkassen seit Jahren predigen. Das bestehende Preismoratorium für Arzneimittel soll beibehalten werden. „Das AMNOG entwickeln wir weiter“, heißt es zudem. „Wir stärken die Möglichkeiten der Krankenkassen zur Begrenzung der Arzneimittelpreise. Der verhandelte Erstattungspreis gilt ab dem 7. Monat nach Markteintritt.“ Der Herstellerrabatt auf patentgeschützte Arzneimittel soll zudem wieder auf 16 Prozent steigen.

Selbstverständlich will die Ampel auch Lehren aus der Pandemie ziehen. Der Öffentliche Gesundheitsdienst soll weiter gestärkt werden. Zudem soll ein „Gesundheitssicherstellungsgesetz“ insbesondere die effiziente und dezentrale Bevorratung von Arzneimittel- und Medizinprodukten im Fall von Gesundheitskrisen sowie regelmäßige Ernstfallübungen für das Personal sicherstellen.

Überdies wollen die Ampel-Partner mehr für die Primär- und Sekundärprävention tun. Dazu soll das Präventionsgesetz weiterentwickelt werden. Krankenkassen und andere Akteure sollen unterstützt werden, sich gemeinsam aktiv für die Gesunderhaltung aller einzusetzen. Geplant ist auch ein Nationaler Präventionsplan sowie konkrete Maßnahmenpakete z. B. zu den Themen Alterszahngesundheit, ­Diabetes, Suizid, Wiederbelebung und Vorbeugung von klima- und umweltbedingten Gesundheitsschäden. Damit das Ganze auch finanziert werden kann, sollen Krankenkassen weniger Beitragsmittel für Werbemaßnahmen und Werbegeschenke verwenden dürfen.

Was die Hauptverhandlungsgruppe nun aus dieser Vorlage der Arbeitsgruppe macht, muss sich zeigen. Bis Ende November soll jedenfalls ein Vertragswerk vorliegen – in der Woche vom 6. Dezember an soll Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler gewählt und die neue Regierung gebildet werden. |

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