Gesundheitspolitik

Kommentar: Ein falscher Freund

Christine Ahlheim

„Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ – dieses Zitat wird u. a. Napoleon zugeschrieben. Dass der kriegerische Korse damit nicht unbedingt gut gefahren ist, zeigt sein unrühmliches Ende auf St. Helena. Auch die Apo­theker seien davor gewarnt, das Zitat allzu wörtlich zu nehmen. Verlocken will sie dazu Walter Oberhänsli, Chef der DocMorris-Muttergesellschaft Zur Rose-Gruppe. Bei einer Veranstaltung des „health innovation hub“ appellierte er an die Vor-Ort-Apotheken, mit gemeinsamen Plattformen „Amazon und Konsorten“ die Stirn zu bieten (s. S. 8).

Dieser Vorschlag ist absurd. DocMorris muss ohnehin bestrebt sein, mit Vor-Ort-Apotheken zu kooperieren, da sonst eine Belieferung am selben Tag nicht zu leisten ist. Die Behauptung, man könne deshalb gegen Amazon & Co. besser bestehen, dient dabei lediglich als Leimrute, um möglichst viele Apotheken zur Zusammenarbeit zu bewegen. Profitieren würde dabei nur Oberhänsli selbst: Die teilnehmenden Apotheken müssen ihre ohnehin schmale Marge teilen und tragen zudem dazu bei, DocMorris mit dem Gütesiegel des deutschen Apotheken-A aufzuwerten.

Im Hintergrund dürfte Oberhänsli ganz andere Pläne schmieden. Die Zur Rose-Gruppe wird umso attraktiver für eine Übernahme durch Amazon, je mehr Apotheken mit DocMorris zusammenarbeiten. Da es selbst für den Internet-Giganten nicht einfach ist, auf dem deutschen Apothekenmarkt Fuß zu fassen, wäre ihm ein etablierter Versender mit zahlreichen kooperierenden Vor-Ort-Apotheken sicher ein stolzes Sümmchen wert. Der große Gewinner wäre Oberhänsli. Da ist es ein gutes Zeichen, dass bislang noch nicht einmal 100 Apotheken dem Lockruf dieses falschen Freundes gefolgt sind.

Dr. Christine Ahlheim, Chefredakteurin der AZ

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