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Gesundheitspolitik
Klimaveränderungen erfordern Pflicht-Elementarversicherung
Finanzexperte erklärt, warum eine obligatorische Versicherung nötig ist – und woran sie bislang scheiterte
Tenhagen und seine Mannschaft bei Finanztip geben Verbrauchern unabhängige Tipps zu allem, was irgendwie mit Geld zu hat: unter anderem zur Altersvorsorge, zu Steuern, Handyverträgen und eben auch zu Versicherungen. Vor dem Hintergrund der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben wir uns mit ihm über das Thema Elementarschadenversicherung unterhalten – das ist die Versicherung, die bei Naturkatastrophen wie der aktuellen einspringt.
AZ: Warum halten Sie eine obligatorische Versicherung gegen Elementarschäden für eine gute Idee?
Tenhagen: Es muss klar sein, dass es keine normale Flut war, wie wir sie seit Jahrhunderten von Rhein, Elbe und Mosel kennen, sondern ein Starkregenereignis. Das ist etwas, das mit dem Klimawandel zu tun hat. Ein kleiner Bach wird dann plötzlich reißend oder die Kanalisation schafft es nicht mehr und das Wasser läuft in die Garage. Das ist natürlich meist nicht so katastrophal wie die aktuellen Ereignisse mit mehr als 175 Toten, aber es ist eine Art von Schaden, die immer häufiger auftritt. 70 Prozent der Häuser sind von solchen Gefahren bedroht, sagen die Versicherer inzwischen. Deswegen bin ich an dem Punkt zu sagen, wegen dieser Starkregenereignisse und der klimatischen Veränderungen sollte man eine Elementarschadenkomponente bei seinem Gebäudevertrag in jedem Fall obligatorisch dabei haben.
Ohne Obligatorium muss der Steuerzahler einspringen
Das Obligatorium hat für mich als Verbraucherschützer auch noch einen anderen Charme: Wenn so ein massiver Schaden auftritt und die Menschen zum Teil ruiniert sind, kümmert sich der Staat, also der Bund, die Länder oder die Kommunen. Mit anderen Worten: Wir Steuerzahler als Kollektiv stehen dann dafür ein, dass die Häuser wiederhergestellt werden. Ich finde aber, dass es ein kleineres Kollektiv auch tun würde, nämlich das der Hausbesitzer. Es muss ja nicht sein, das Studierende oder Rentnerinnen und Rentner mit ihrer Mehrwertsteuer dafür aufkommen, dass die Gebäudebesitzer ihre Häuser nicht versichern. Dann muss man den Eigentümern aber natürlich auch eine Möglichkeit schaffen, sich zu versichern. Deswegen das Obligatorium, in dem Moment kann die Versicherung nicht mehr sagen, ich versichere dich nicht.
AZ: Also ein bisschen wie bei der Sozialversicherung?
Tenhagen: Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen hatte in einem Gutachten 2019 eine verpflichtende Versicherung gegen Elementarschäden vorgeschlagen und das tatsächlich ein bisschen pathetisch mit der Einführung der Rentenversicherung durch Otto von Bismarck verglichen. Die Wissenschaftler kamen auf jeden Fall zu dem Schluss, dass die Einführung einer Versicherungspflicht gegen Schäden durch Naturgefahren, so haben sie das genannt, eine adäquate Reaktion wäre auf kommende Risiken durch den Klimawandel.
Elementarschadenversicherung: Tipps vom Verbraucherschützer
Wie kann man Elementarschäden versichern?
Eine Elementarschadenkomponente kann es sowohl bei der Gebäude- als auch bei der Hausratversicherung geben. Alleine gibt es sie nicht.
- Ist so eine Versicherung nur für Eigentümer sinnvoll?
Sie kann als Hausratversicherung auch für Mieter sinnvoll sein. Wer einen Keller hat oder Räume im Erdgeschoss, sollte nach Tenhagens Ansicht Elementarschäden mitversichern.
- Mit welchen Kosten muss man rechnen?
Laut Recherchen von Finanztip muss man mit Mehrkosten von 10 bis 35 Prozent gegenüber der normalen Gebäudeversicherung rechnen. Bei der nächsten Möglichkeit, die Versicherung zu wechseln, empfiehlt es sich, ein gemeinsames Angebot für Gebäude- und Elementarschäden einzuholen und gegebenenfalls den Versicherer zu wechseln.
- Was ist, wenn man keine Versicherung bekommt?
Auf so viele Gebäude trifft das gar nicht zu. Von etwa 40 Millionen Immobilien in Deutschland seien nach Angaben des GDV heute nur um die 100.000 nicht versicherbar, sagt Tenhagen. Gegebenenfalls empfiehlt er, mit dem Versicherer zu sprechen. Oft lassen sich bauliche Maßnahmen vornehmen, sodass doch eine Versicherung möglich ist.
AZ: Woran scheitert die Versicherungspflicht bislang?
Tenhagen: Gescheitert ist das Vorhaben an den Ländern. Die Minister, auch die von NRW und Rheinland-Pfalz, die jetzt ankündigen, das Thema im November, nach der Wahl, auf die Agenda zu setzen, waren noch 2017 der Meinung, dass wir so eine Pflicht nicht brauchen. Das sei ein Eingriff in das Eigentumsrecht der Häuslebesitzer, hieß es. Es brauche schließlich nicht jeder so eine Versicherung zu haben. Gleichzeitig haben die Länder 2017 etwas blauäugig gesagt: Das wollen wir auch so halten, aber wer sich nicht versichert, bekommt beim nächsten Hochwasser kein Geld. So gehandhabt wird es natürlich jetzt nicht, das kann sich die Politik gar nicht leisten.
Hausbesitzer wurden mehrfach gewarnt
Die Republik verlangt das, wir sind solidarisch und werden den Schaden bezahlen. Aber die Drohung steht im Raum, insbesondere weil schon damals darauf hingewiesen wurde, dass die Hausbesitzer schon mehrfach gewarnt wurden. Vergangene Woche erst hat der bayerische Umweltminister erklärt, er verstehe, dass Leute am Fluss leben wollen. Aber am Fluss zu leben ist in seinen Augen mit diesen Klimaveränderungen an und für sich nicht kompatibel. Daher müsse die Gesellschaft eigentlich auch nicht dafür bezahlen, dass Menschen meinen, sie müssten unbedingt am Fluss leben.
AZ: Gibt es vernünftige Argumente gegen eine obligatorische Versicherung gegen Elementarschäden?
Tenhagen: Die gab es in dem Augenblick, wo man noch davon ausgehen konnte, dass das Risiko nur in bestimmten Bereichen entlang am Fluss besteht und nur die Kölner Bucht eine Erdbebenregion ist. Dann kann man den Standpunkt vertreten, wir brauchen keine Versicherungspflicht. Wenn es aber zunehmend Starkregen gibt, dann ist die Zahl der Plätze, an denen solche Katastrophen zuschlagen können, höher und dann ist auch vernünftiger, das über eine Versicherungspflicht abzudecken. |
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