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Beratung

Ständige Attacken

Konsequente Therapie der allergischen Rhinitis verhindert Etagenwechsel

Schniefen, eine kribbelnde und laufende Nase, das sind nicht nur in der Erkältungszeit im Winter häufige Symptome. Steigen die Temperaturen wieder, kennt man diese Erscheinungen auch als lästige Begleiter eines Heuschnupfens. Die Häufigkeit der allergischen Rhinitis nimmt zu, und auch ein Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der weltweiten Zunahme an allergischen Atemwegserkrankungen wird diskutiert. Eine gute und vor allem rechtzeitige Behandlung der Symptome sorgt für Linderung und verhindert den gefürchteten Etagenwechsel.  | Von Andrea Fuchs

Die allergischen Rhinitis ist eine überschießende Reaktion des Immunsystems durch verschiedene Allergene. Die meist harmlosen Substanzen können als Nahrungsmittelbestandteile, Pollen, Tierhaare und sonstige Stoffe, mit denen wir in unserer Umwelt Kontakt haben, bei prädisponierten Personen typische Symptome einer Allergie auslösen. Davon können die Augen und die Nasenschleimhaut (Heuschnupfen), die Atemwege (Asthma bronchiale) oder auch die Mundhöhle und der Darm (Nahrungsmittelallergie) betroffen sein.

Die allergische Rhinitis gehört zur Typ-I-Allergie (Allergie vom Sofort-Typ). Bei diesem Allergietyp läuft die Produktion des Antikörpers Immunglobulin E (IgE) aus dem Ruder. Nach einem ersten – oft unbemerkten – Kontakt mit dem eigentlich harmlosen Allergen (z. B. Pollen), kommt es zu einer übermäßigen IgE-Produktion. Die IgE-Antikörper binden an Rezeptoren, die sich an der Oberfläche der zur körpereigenen Abwehr gehörenden Mastzellen befinden. Ein erneuter Allergenkontakt führt zu einer Mastzelldegranulation und Produktion bzw. Ausschüttung von Histamin, Prostaglandinen und Leukotrienen. Damit einher gehen die typischen Symptome eines allergischen Schnupfens: Anschwellen der Nasenschleimhaut und der Bindehaut, vermehrte Sekretbildung und Niesattacken.

Auslöser des Heuschnupfens sind überwiegend Pollen, die durch Windbestäubung übertragen werden (Gräser-, Getreide-, Baum- und Sträucherpollen). Allgemein kann eine allergische Rhinitis von vielen weiteren Allergenen hervorgerufen werden wie Tierhaare, Schimmelpilzsporen oder Hausstaubmilbenkot (siehe Tab. 1).

Tab. 1: Die wichtigsten Allergene und ihr Vorkommen [Allergieinformationsdienst, Helmholtz Zentrum München]
Allergene
Vorkommen
Jahreszeit
saisonale Allergene
Baumpollen
Hasel, Erle, Birke, Esche
Januar bis März
Gräser-, Getreide­pollen
Roggen, alle Gräserarten
Mai bis Juni
Kräuterpollen
Beifuß, Traubenkraut (Ambrosia)
Juli bis September
Allergene, die ganzjährig vorkommen können
Milben
Hausstaubmilben
Maximum: November Minimum: Sommer
Vorratsmilben
Frühjahr, Sommer (Heu, Tierställe, Getreide)
Raubmilben
Frühjahr, Sommer (öko­logische Landwirtschaft, inklusive Weinbau)
(Schimmel-) Pilze
Aspergillus
Sommer (Außenluft), Herbst (Innenräume)
Alternaria alternata
Sommer, Herbst
Cladosporium herbarum
ganzjährig
Penicillium notatum
ganzjährig
Mucor racemosus
ganzjährig
Tierschuppen und -federn
Katze, Hund, Pferd, Meerschweinchen, Maus, Ratte, Vögel
ganzjährig bzw. bei Kontakt
Allergene in Zusammenhang mit beruflichen Tätigkeiten und in speziellen Situationen
Mehlstaub und -zusatzstoffe, exotische Hölzer, Latex, Kleber, Isozyanate, Säureanhydride, Amine etc.

Für viele Heuschnupfenpatienten ist die Apotheke die erste Anlaufstelle, um sich beraten zu lassen. Ein wichtiger Aspekt im Gespräch ist die Abgrenzung eines viral oder bakteriell verursachten Schnupfens von der allergischen Rhinitis. Die Leitlinie „Allergische Rhinokonjunktivitis“ der deutschen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (DGAI) beschreibt dazu Symptome, die eine Differenzierung erleichtern (Tab. 2). Einige davon lassen sich auch im Beratungsgespräch in der Apotheke nutzen, um die verschiedenen Erkrankungsbilder zu unterscheiden. Bei unklarer Symptomlage und bei Schilderungen, die nicht eindeutig auf einen allergischen Hintergrund schließen lassen, sollte zum Arztbesuch geraten werden.

Tab. 2: Klinische Unterscheidungsmerkmale von intermittierender allergischer Rhinokonjunktivitis, akuter viraler Rhinopharyngitis und akuter Rhinosinusitis [nach: Leitlinie „Allergische Rhinokonjunktivitis“ der DGAI, 2003]
intermittierende (saisonale) allergische Rhinitis
akute virale Rhino­pharyngitis
akute bakterielle Rhinosinusitis
anamnestische Hinweise
bekannter Heuschnupfen, ähnliche Beschwerden zur gleichen Jahreszeit in vor­vergangenen Jahren
Kontakt zu infizierten Personen
Verschlimmerung der Symptome einer akuten Rhinopharyngitis
kennzeichnende Symptome neben Obstruktion, Hyper­sekretion und Hyposomie
nasaler Juckreiz, Niesanfälle
leichter brennender Schmerz der Nasenschleimhaut, im späteren Verlauf Trockenheitsgefühl, sporadisches Niesen
Mittelgesichtsschmerz, Verschlimmerung beim Bücken
extranasale Symptome
Augenjucken, Augentränen
Pharyngeal-Schmerzen, Schluckbeschwerden
typische endonasale Symptome
Schleimhaut ödematös, blass bis livide gefärbt, wässrige Hypersekretion
Schleimhaut geschwollen, hochrot, unterschiedlich ausgeprägte Hypersekretion, meist mit grauen Schlieren
Schleimhaut im Bereich der mittleren Nasenmuschel von ödematöser Schwellung, Rötung und Hypersekretion besonders betroffen, gelegentlich Schleimstraßen aus dem mittleren Nasengang
Bildgebung
selten Begleitsinusitis
häufig Begleitsinusitis
Sinusitis nachweisbar

Lassen sich die Symptome einem allergischen Schnupfen zuordnen, ist eine Therapie im Rahmen der Selbstmedikation sinnvoll. Das gilt vor allem, wenn die Symptome die alltäglichen Aktivitäten einschränken oder der Schlaf beeinträchtigt ist. Außerdem ist eine frühzeitige Therapie der allergischen Rhinitis wichtig, um ernsthafte Folgeerkrankungen (Sinusitis, Asthma bronchiale = Etagenwechsel) zu vermeiden. Liegt eine persistierende Form vor – die Symptome dauern länger als vier Wochen und treten an mehr als vier Tagen pro Woche auf – oder ist nach längerer Selbstmedikation (ca. 14 Tage) keine Besserung eingetreten, sollte an den Arzt verwiesen werden.

Da die Allergenkarenz, wie sie in vielen Leitlinien als beste Behandlungsform genannt wird, oft nicht ausreichend bzw. bei vielen Allergenen faktisch kaum möglich ist, sind für die meisten Betroffenen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel die erste Wahl. Dazu stehen orale H1-Antihist­aminika und weitere topische Arzneimittel zur Verfügung. Antihistaminika verdrängen Histamin kompetitiv von dessen Rezeptor, heben so die Effekte von Histamin wie Vasodilatation und Bronchokonstriktion auf und lindern schnell allergische Beschwerden. Nach der Selektivität bei Angriff an den Histamin-Rezeptor werden H1- und H2-Antihistaminika unterschieden.

Die älteren H1-Antihistaminika der 1. Generation greifen nicht nur periphere, sondern auch zentrale H1-Rezeptoren an und blockieren zudem vielfach auch Muscarinrezeptoren. Die daraus resultierenden Nebenwirkungen wie z. B. vermehrte Müdigkeit und Schläfrigkeit lassen die älteren H1-Antihistaminika immer mehr in den Hintergrund treten. Sie spielen bei der Behandlung der allergischen Rhinitis fast keine Rolle mehr und werden eher verwendet, wenn eine gleichzeitige Sedierung gewünscht ist oder z. B. eine Nesselsucht (Urtikaria) behandelt wird.

Dagegen wirken die Antihistaminika der 2. Generation in therapeutischer Dosierung nahezu selektiv an H1-Rezeptoren. Sie sind zudem nur wenig lipophil, wirken fast ausschließlich in der Peripherie und sind nicht sedierend. Beispiele für H1-Antihistaminika der 2. Generation sind Cetirizin, Loratadin und Fexofenadin (aktiver Metabolit von Terfenadin). Levocetirizin, das aktive Enantiomer von Cetirizin, steht seit 2019 für die Selbstmedikation zur Verfügung. Desloratadin, der aktive Metabolit von Loratadin, wurde aktuell aus der Verschreibungspflicht entlassen (siehe Kasten „Switch in die Selbstmedikation“).

Die Wirkung der Antihistaminika tritt rasch ein (je nach Wirkstoff 30 bis 60 Minuten) und hält lange an (ca. 24 Stunden), so dass eine einmalige Einnahme am Tag ausreichend ist. Bei Patienten mit Leber- bzw. Nierenfunktionsstörung sollte eine Dosisanpassung vorgenommen werden (Tab. 3).

Tab. 3: H1-Antihistaminika zur oralen Therapie (Auswahl) [Lauer Fischer Taxe, Stand 5. Februar 2020]*Desloratadin wurde Ende Februar 2020 aus der Verschreibungspflicht entlassen, zum Redaktionsschluss standen noch keine OTC-­Präparate zur Verfügung.
Wirkstoff
Präparate (Beispiele)
Anwendung
Hinweis
H1-Antihistaminika der 2. Generation
OTC
Cetirizin
Cetirizin Ratiopharm, Cetirizin Hexal®, Reactine®, Zyrtec®
einmal täglich
ab sechs Jahren (10 mg Tabletten, Lutsch­tabletten)
ab zwei Jahren (1 mg/ml flüssige Zubereitungen)
Cetirizin + Pseudoephedrin
Reactine duo®
zweimal täglich
ab 12 Jahren, bis 60 Jahre,
(5 mg + 120 mg Retardtabletten,
nicht bei Engwinkelglaukom, Schilddrüsenüberfunktion anwenden
Levocetirizin
Levocetirizin Hexal®bei Allergien, Levocetirizin Stada®, Xusal®
einmal täglich
ab sechs Jahren (5 mg Tabletten)
Loratadin
Lorano® akut, Loratadin ratiopharm®
einmal täglich
ab zwei Jahren (5 mg Tabletten)
H1-Antihistaminika der 2. Generation
Rx
Desloratadin*
Aerius®, Dasselta®,Deslora 1a Pharma®
einmal täglich
ab sechs Jahren (2,5 und 5 mg Tabletten, Schmelz­tabletten)
Ebastin
Ebastel®
einmal täglich
ab 12 Jahren (10 und 20 mg Tabletten)
Fexofenadin
Fexofenadin Hexal®, Telfast®
einmal täglich
ab 12 Jahren (120 und 180 mg Tabletten)
Levocetirizin
Xusal® Saft, Tropfen
einmal täglich
ab 2 Jahren (0,5 und 5 mg/ml Saft)
H1-Antihistaminika der 1. Generation
OTC
Clemastin
Tavegil®
zweimal täglich
ab sechs Jahren,
zwischen 6 und 12 Jahren nur die halbe Dosis (1 mg Tabletten)
Dimetinden
Fenistil®
dreimal täglich ein bis zwei Tabletten
ab drei Jahren, 1 mg Tabletten
weitere Indikationen sind Urtikaria und Juckreiz (z. B. Windpocken)

Neben den systemisch wirksamen Arzneimitteln gibt es auch einige lokal anzuwendende Produkte. Das sind vor allem Nasensprays, die Cromoglicinsäure, H1-Antihistaminika oder Cortison enthalten.

Cromoglicinsäure

wird nach oraler Gabe praktisch nicht resorbiert und steht daher nur als lokales Therapeutikum zur Verfügung. Sie wird in Form ihres Dinatriumsalzes (DNCG) verwendet und stabilisiert die Membran der Mastzellen. Auf diese Weise wird die Ausschüttung von Histamin und weiteren Entzündungsmediatoren verhindert. Cromoglicinsäure verschafft keine Linderung bei einer akuten Symptomatik, sondern wird für die Prophylaxe einer allergischen Rhinitis eingesetzt, am besten sollte sie schon vor der Allergendisposition verwendet werden.

Switch in die Selbstmedikation

Am 14. Februar 2020 stimmte der Bundesrat der 19. Verordnung zur Änderung der Verschreibungspflicht zu. In der Anlage 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), in der die verschreibungspflichtigen Stoffe aufgeführt sind, wurde Position „Desloratadin“ aktualisiert. Von der Verschreibungspflicht ausgenommen sind nun: „Arzneimittel in der oralen Anwendung zur symptomatischen Behandlung bei allergischer Rhinitis und Urtikaria bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab zwei Jahren, es sei denn, es handelt sich um von der Europäischen Kommission als verschreibungspflichtig zugelassene Arzneimittel“.

Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt Nr. 8 vom 21. Februar 2020 (siehe auch Pharmazeutisches Recht S. 78 in dieser Ausgabe) können nun entsprechende Produkte auf den Markt kommen. Die Hexal AG hat sich damit in einen Rechtsstreit vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgesetzt, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) der Empfehlung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht von 2013 zunächst nicht gefolgt ist [Sucker K, 2020].

Topische H1-Antihistaminika sind für die Behandlung einer akuten Symptomatik wesentlich besser geeignet. Sie wirken schnell und für mehrere Stunden. Aufgrund der geringen Resorptionsrate sind bei ihnen keine systemischen Nebenwirkungen zu erwarten. Auch die Erfahrung im Rahmen der Selbstmedikation zeigt, dass topische H1-Antihistaminikasicher genug sind, um in der Schwangerschaft und Stillzeit angewendet zu werden. Die Selbstmedikation sollte trotzdem mit dem behandelnden Arzt abgestimmt werden.

Neben den Antihistaminika-haltigen Nasensprays gewinnen Cortison-haltige Sprays an Bedeutung (Tab. 4). In den letzten Jahren wurden mehrere Wirkstoffe zur topischen Anwendung aus der Rezeptpflicht entlassen. Diese Nasensprays sind als apothekenpflichtige Präparate nur für Erwachsene mit saisonaler Rhinitis vorgesehen. Bei den erst seit Oktober 2016 aus der Verschreibungspflicht entlassenen Fluticason- und Mometason-haltigen Nasensprays zur „symptomatischen Behandlung der saisonalen allergischen Rhinitis“ bei erwachsenen Patienten muss vor der Abgabe im Rahmen der Selbstmedikation die Erstdiagnose durch den Arzt erfolgt sein.

Tab. 4: Auswahl an Nasensprays zur Behandlung der allergischen Rhinitis [Lauer Fischer Taxe, Stand: 5. Februar 2020]
Wirkstoffgruppe
Wirkstoff / Status
Präparate (Beispiele)
Dosis / Anwendung
Hinweise
H1-Antihistaminika
Azelastin
OTC
Allergodil® akut ,Azedil®, Pollival®,Vividrin® Azelastin
1 mg/ml
zweimal täglich einen Sprühstoß pro Nasenloch
ab sechs Jahren;
bitterer Geschmack
Levocabastin
OTC
Levocamed®, Livocab®
0,5 mg/ml
zwei- bis viermal täglich zwei Sprühstöße pro Nasenloch
ab einem Jahr
Mastzell­stabilisatoren
Cromoglicinsäure, Dinatriumsalz (DNCG)
OTC
Cromo ratio®, Pollicrom®
20 mg/ml
viermal täglich einen Sprühstoß pro Nasenloch
keine Altersbeschränkung,
mindestens eine Woche vor Pollenflugzeit beginnen
Glucocorticoide
Beclometason­dipropionat
OTC
ratioAllerg®
Rhinivict nasal®
0,555 mg/ml
zweimal täglich zwei Sprühstöße pro Nasenloch
ab 18 Jahren
Beclometason­dipropionat
Rx
Beclomet® nasal, Beclometason ratio®,
Beclorhinol® aquosum
1,1115 mg/ml
zweimal täglich ein bis zwei Sprühstöße pro Nasenloch
ab sechs Jahren
Fluticasonpropionat
OTC
Otri Allergie®
0,05 mg/0,1 g Spray
einmal täglich zwei Sprüh­stöße pro Nasenloch
saisonale allergische Rhinitis muss ärztlich diagnostiziert sein; ab 18 Jahren
Fluticasonpropionat
Rx
Flutide nasal®
Flutica®
0,05 mg/0,1 g Spray
einmal täglich zwei Sprüh­stöße pro Nasenloch
allergische Rhinitis, ab vier Jahren,
Kinder von vier bis elf Jahren halbe Dosis
Fluticasonpropionat und Azelastin­hydrochlorid
Rx
Dymista®
0,05 mg Fluticasonpropionat und 0,137 mg Azelastinhydrochlorid/0,14 g Spray
zweimal täglich einen Sprühstoß pro Nasenloch
mittelschwere und schwere allergische Rhinitis, ab 12 Jahren
Mometasonfuroat
OTC
Momeallerg®, Momekort®, Mometahexal® Heuschnupfenspray, Mometason ratio®
0,05 mg Mometasonfuroat/Sprühstoß
einmal täglich zwei Sprüh­stöße pro Nasenloch
saisonale allergische Rhinitis muss ärztlich diagnostiziert sein;
ab 18 Jahren
Mometasonfuroat
Rx
Momegalen®, Nasonex®
0,05 mg Mometasonfuroat/Sprühstoß
einmal täglich zwei Sprüh­stöße pro Nasenloch
ab drei Jahren,
Kinder von drei bis elf Jahren halbe Dosis

Verschreibungspflichtige Cortison-haltige Nasensprays können auch für die ganzjährige Rhinitis und von Kindern ab drei bzw. vier Jahren verwendet werden. Je nach Indikation und Alter variiert die Dosierung. Nasale Corticoide hemmen die Bildung von Entzündungsmediatoren vor Ort. Sie wirken entzündungshemmend, antiallergisch und abschwellend und reduzieren die Beschwerden direkt in der Nase. Ob sie auch einen positiven Einfluss auf die Symptome an den Augen (Juckreiz, Tränenfluss, Rötung) haben, wird unterschiedlich bewertet. Um eine möglichst gute und langanhaltende Wirkung zu erzielen, sollten sie nicht nur bei Bedarf, sondern täglich angewendet werden. Ihre Wirkung tritt leicht verzögert ein (mehrere Stunden bis zu einem Tag) und erreicht erst nach ein bis zwei Wochen ihr Maximum. Durch die kurzfristige zusätzliche Verwendung (maximal drei bis fünf Tage) von Nasensprays, die Alpha-Sympathomimetika enthalten, kann man diese Phase bis zum maximalen Wirkeintritt überbrücken. Von der längerfristigen Anwendung der rein abschwellenden Nasensprays sollte aber abgeraten werden, da sie zu einer weiteren Austrocknung der Nasenschleimhaut führen und nur symptomatisch und nicht kausal wirken. Diese erst später eintretende maximale Wirksamkeit der Cortison-haltigen Nasensprays ist der wesentliche Nachteil im Vergleich zu den Antihistaminika. Das Risiko für systemische Nebenwirkungen wie Wachstumsverzögerungen bei Kindern und Jugendlichen, Hemmung der Nebennierenrindenfunktion oder Erhöhung des Augeninnendrucks ist aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit sehr gering, kann aber grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Die verschreibungspflichtige Kombination aus Fluticasonpropionat und Azelastinhydrochlorid (Dymista®) ist eine Erweiterung der Therapiemöglichkeit der mittelschweren bis schweren allergischen Rhinitis. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die neue Fixkombination aus Fluticasonpropionat und Azelastin nicht nur wirkstärker ist als die Einzelsubstanzen, sondern dass die Wirkung auch früher eintritt [Klimek 2014].

Was sagen die Leitlinien?

In den Leitlinien und Behandlungsempfehlungen zur allergischen Rhinitis besteht ein recht einheitlicher Konsens:

  • Orale und nasale H1-Antihistaminika sind bei leichten bis mäßigen intermittierenden Beschwerden Mittel der Wahl.
  • Bei stärkeren Symptomen sind nasale Glucocorticoide Mittel der Wahl.

In der deutschen Leitlinie zur Allergischen Rhinokonjunktivitis der DGAI (2003) bewertet man Antihistaminika und topische Glucocorticoide als Mittel der ersten Wahl bei intermittierender (saisonaler) und persistierender (ganzjähriger) allergischer Rhinitis. Zur zusätzlichen Linderung von Augensymptomen wird die Kombination der beiden Arzneimittelgruppen empfohlen.

Die Sk2-Leitlinie zur Rhinosinusitis (2017) empfiehlt bei akuter allergischer und bei rezidivierender akuter Rhinosinusitis die lokale Anwendung der topischen Glucocorticoide. Auch die amerikanische Leitlinie „Treatment of seasonal allergic rhinitis" (2015, update 2017) empfiehlt Glucocorticoid-haltige Nasensprays und bewertet die Kombination aus nasalem Glucocorticoid und nasalem Antihistaminikum als möglich. Eine Kombination mit oralen Antihistaminika wird jedoch nicht positiv bewertet.

Schwangere und Stillende

Liest man die Angaben der Hersteller in den Fachinformationen und in der ABDA-Datenbank, so kann man leicht verunsichert werden, da oftmals von einer Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit abgeraten wird. Daher lohnt sich ein Blick in das Portal des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité Berlin embryotox.de. Bei den oralen Antihistaminika werden z. B. bei Cetirizin und Loratadin keine Probleme in der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit gesehen. Besonders bei Loratadin ist die Datenlage so gut, dass Embryotox es bevorzugt empfiehlt. Levocetirizin und Desloratadin werden ebenso als möglich einsetzbare Arzneistoffe bewertet.

Bei den Nasensprays sind Cromoglicinsäure-haltige Varianten Mittel der ersten Wahl. Allerdings müssen sie frühzeitig angewendet werden (zwei Wochen vor dem erwarteten Pollenflug), die Anwendungshäufigkeit (mindestens viermal täglich) macht sie nicht besonders nutzerfreundlich. Nasensprays, die Azelastin oder Levocabastin enthalten, werden von den Experten von Embryotox auch akzeptiert, da sie sehr wenig resorbiert werden und keine systemischen Spiegel zu erwarten sind. Reichen diese Varianten nicht aus, so sind auch Cortison-haltige Nasensprays nutzbar, allerdings empfehlen die Berliner Experten in der Schwangerschaft lieber die älteren Wirkstoffe (Budesonid, Beclometason), da hier mehr Erfahrungen vorliegen und sie besser untersucht sind. In der Stillzeit kann auch Mometason verwendet werden. In jedem Fall ist eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt sinnvoll und zu empfehlen.

Auf einen Blick

  • Die allergische Rhinitis ist eine Überempfindlichkeit vom Typ I oder Sofort-Typ.
  • Zugrunde liegender Mechanismus ist die Aktivierung von Mastzellen durch IgE.
  • Nach dem ersten Kontakt mit einem Allergen kommt es zu einer Sensibilisierung, die beim zweiten Kontakt mit diesem Allergen zu aller­gischen Symptomen führt.
  • In der Beratung sollten neben der Abklärung der Eigendiagnose und der Auswahl der passenden Medikation auch die Information über weitergehende ärztliche Behandlungen (SIT, verschreibungspflichtige Medikamente) erfolgen.
  • H1-Antihistaminika der 2. Generation und topische Glucocorticoide werden in den Leitlinien als die bevorzugten Wirkstoffe empfohlen.
  • Die richtige Anwendung der Nasensprays vermindert Schleimhautschäden in der Nase.
  • Auch Schwangere und Stillende können, nach Rücksprache mit dem Arzt, mit H1-Anti­histaminika und topischen Glucocorticoiden ­versorgt werden.

Tipps für Beratung

Um zu verhindern, dass durch die Selbstmedikation eine ärztliche Diagnose und ein Hinweis auf andere Therapieoptionen unterbleiben und es zur Verschlimmerung der Erkrankung kommt, sollte bei der Beratung in der Apotheke Folgendes beachtet werden:

Eigendiagnose hinterfragen. Da Beschwerden der oberen Atemwege unterschiedliche Ursachen haben können, ist es nötig, die Eigendiagnose des Patienten zu hinterfragen. Man sollte sich genau nach Art und Dauer der Beschwerden erkundigen (siehe Tabelle 1) und klären, ob es schon eine ärztliche Diagnose dazu gibt.

Grenzen der Selbstmedikation. Bleiben die Beschwerden nach zweiwöchiger Selbstmedikation weiterhin unvermindert bestehen oder ist die Diagnose unklar, ist ein Arztbesuch empfehlenswert. Auch bei Kindern unter sechs Jahren oder bei Schwangeren und stillenden Müttern gilt, dass eine ärztliche Abklärung erfolgt, bevor eine reine Selbstmedikation vorgenommen wird.

Auswahl des Arzneimittels

  • Bei leichten bis mittelmäßigen Beschwerden kann ein H1-Antihistaminikum angeboten werden. Die Darreichungsform (Spray oder Tablette) kann man vom Patientenwunsch abhängig machen.
  • Nasale Glucocorticoide sollten eingesetzt werden, sobald die Beschwerden stärker ausgeprägt sind. Um Nebenwirkungen wie z. B. Nasenbluten zu vermeiden, kommt es vor allem auf die richtige Anwendung an. Dabei zielt man beim Sprühen nach außen auf die Nasenmuschel, um die empfindliche Schleimhaut des Nasenseptums zu schonen. Patienten, die ihre Allergieauslöser genau kennen, können durch eine frühzeitige prophylaktische Behandlung (ca. eine Woche vor ihrer individuellen Allergiesaison) ihren Medikamentenverbrauch stark senken.

Um zu verhindern, dass die begonnene Therapie vorzeitig abgebrochen wird, sollten Patienten darauf hingewiesen werden, dass es nicht sofort zur vollen Wirksamkeit ihres Nasensprays kommt. Zur Überbrückung kann eine Kombination mit nasalen Antihistaminika oder nasalen Alphasym­pathomimetika (maximal drei bis fünf Tage) vorgeschlagen werden. Gegen die mögliche Reizung und Austrocknung der Schleimhaut können pflegende Nasensalben und befeuchtende Nasensprays helfen.

  • Kombinationen aus nasalen/oralen H1-Antihistaminika und nasalen Glucocorticoiden kann man anbieten. Ob sie im Einzelfall tatsächlich einen Behandlungsvorteil bieten, ist nicht gesichert.
  • Das Spülen der Nase mit Kochsalzlösung ist eine zusätzliche Möglichkeit, die Anwendungshäufigkeit der antiallergischen Wirkstoffe zu reduzieren. |

Literatur

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Hamacher H, Wahl M. Selbstmedikation - Arzneimittelinformation und Beratung in der Apotheke. 2. Auflage, Deutscher Apotheker ­Verlag 2019

Jung B. Heuschnupfen: Diese OTC Arzneimittel sind auch für Stillende ­geeignet, DAZ online, 21.02.2019

Klimek L, Sperl A. Allergische Rhinitis: Der Trend geht zu topischen ­Therapeutika, Supplement: Perspektiven der Pneumologie und ­Allergologie. Dtsch Ärzteblatt 2015;112(40):18

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www.allergieinformationsdienst.de, Informationen des Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Abruf: 13. Februar 2020

Autorin

Andrea Fuchs

Ausbildung zur technischen Assistentin im Bereich Medizin an der WWU Münster; Pharmaziestudium an der WWU Münster, Apothekerin für Allgemeinpharmazie; 1993 bis 2011 Tätigkeit als Apothekerin in verschiedenen Hamburger Apotheken; seit Mai 2011 Apothekerin in den Niehaus-Apotheken, Ahrensburg

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