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Ausflug nach Absurdistan
Noweda-Chef schreibt offenen Brief an CDU-Gesundheitsexperten Michael Hennrich
Dass Michael Hennrich, CDU-Bundestagsabgeordneter und Obmann der Unionsfraktion im Gesundheitsausschuss, am derzeitigen Großhandelssystem durchaus Änderungsbedarf sieht, hat er schon mehrfach betont. Bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) Anfang Februar brachte er seine Gedanken erneut vor. Er habe kein Verständnis, wenn die Grossisten es sich erlauben können, mehrmals täglich Apotheken zu beliefern. Diese Investitionen sollten sie eher in die Bevorratung stecken. Aus Hennrichs Sicht ist das Logistiksystem der Großhändler schlicht „absurd“.
Zwei Wochen mussten vergehen ehe sich ein Vertreter der Großhandelsbranche öffentlich zu Wort meldete. Nun hat Noweda-Chef Dr. Michael P. Kuck einen offenen Brief an Hennrich verfasst, in dem er schwere Vorwürfe gegen die Gesundheitspolitik erhebt. Kuck listet in seinem Schreiben mehrere aktuelle gesundheitspolitische Themen auf, die aus seiner Sicht „absurd“ sind. Es sei absurd, wenn man in Zeiten des Coronavirus besorgt sein müsse, ob die Antibiotika-Versorgung aufrechterhalten bleibt. Es sei auch absurd, dass die Politik dabei zuschaue, wenn alle 32 Stunden in Deutschland eine Apotheke schließe. Ebenso hat der Noweda-Chef kein Verständnis dafür, dass die Politik „hinnimmt“, dass industrielle Arzneimittelversender im Ausland „behördlich praktisch nicht kontrolliert“ würden, während die Kontrollauflagen für den Großhandel und für Apotheker stetig ansteigen. Es sei auch absurd, dass 21 EU-Staaten ihre Versorgungsstruktur im Apothekenmarkt durch ein Rx-Versandverbot schützen und in Deutschland dafür keine Möglichkeit gesehen werde. Mit Blick auf das kürzlich verabschiedete Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) findet es Kuck auch absurd, dass Hersteller und Großhändler nun Daten liefern sollen, anstatt die „jahrelangen Sparmaßnahmen“ der GKV als die „tatsächliche Ursache“ der Engpässe anzuerkennen.
Das Großhandelssystem verteidigt Kuck vehement. „Mit ausgefeilter Lagerhaltung und mehrmaliger Belieferung“ stellten die Noweda und „weitere“ Großhändler die Arzneimittelversorgung in einer Art und Weise sicher, die „weltweit“ ihresgleichen suche. Kuck wörtlich: „Gemeinsam mit den Vor-Ort-Apotheken [...] sorgen wir dafür, dass jeder Patient jedes in Deutschland zugelassene und verfügbare Arzneimittel entweder sofort oder innerhalb weniger Stunden erhält. Diese Arzneimittelversorgung auf höchstem Niveau [...] ist nicht absurd, sondern eine Errungenschaft und herausragende Leistung des Gesundheitssystems.“ Statt das derzeitige Versorgungsniveau zu kritisieren, sollte die Politik „geeignete Rahmenbedingungen“ schaffen, um das Niveau zu erhalten.
Noweda denkt klimafreundlich
Dass auch die Grossisten sich Gedanken machen müssen, wie die Umwelt zu schützen ist, findet Kuck „selbstverständlich“. Die Noweda sei hier schon aktiv – unter anderem seien bei der Hälfte der Niederlassungen auf den Dächern „großflächige Solaranlagen“ installiert. Ebenso gebe es dort Wärmepumpen zur Wärmeerzeugung und stromlose Solartubes zur Beleuchtung. Das Unternehmen beziehe sein Erdgas zudem hundertprozentig klimaneutral. Schließlich fragt Kuck, wer denn anstelle des Großhandels die Lagerhaltung übernehmen solle. Schließlich gebe es mittlerweile etwa 28.000 Rabattverträge – die Apotheken könnten die Lagerhaltung allein schon aus Platzgründen nicht übernehmen. Und so wirft Kuck dem CDU-Politiker Hennrich in einem Fazit vor: „Letztendlich lässt sich Ihre Auffassung [...] mit einem Satz beschreiben: Verschlechterung der Versorgungsqualität der Bevölkerung zum Zwecke schneller C02-Einsparung. Eine Politik, die das will, sollte den Mut haben, das auch zu sagen.“ |
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