- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 6/2020
- Wieder herbe Kritik an ...
DAZ aktuell
Wieder herbe Kritik an der ABDA
TGL-Vorsitzende Hoch: Aktuelle Standespolitik ist „beschämend“
In ihrem Bericht ging die Vorsitzende der TGL Nordrhein, Dr. Heidrun Hoch, Schermbeck, erneut auf Konfrontationskurs mit der ABDA und bezeichnete die aktuelle Standespolitik als „beschämend“. „In der Hoffnung, Herrn Spahn nicht zu verärgern, verlieren einige offensichtlich völlig das Maß“, konstatierte Hoch mit Blick auf die Weigerung der ABDA, dem Pharmaziestudenten Benedikt Bühler die benötigten Gutachten zum Rx-Versandverbot zur Verfügung zu stellen. Kritik übte sie darüber hinaus an dem Verhalten der Standesführung im Hinblick auf das vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene Gutachten zu den Auswirkungen einer partiellen oder vollständigen Freigabe der Preise von Rx-Arzneimitteln. Dieses schrecke bei der ABDA niemanden auf, meinte Hoch, und sicherheitshalber ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben, sei offensichtlich kein Thema. Außerdem habe die bei der ABDA angesiedelte „AG Honorar“ nach mehr als acht Jahren noch immer keine konkreten Ergebnisse vorzuweisen.
Spahn sagt mit Recht: „Zukunftsfragen von den Apothekern oft unbeantwortet“
Umso mehr bedauert Hoch, dass der beim vergangenen Apothekertag gestellte Ad-hoc-Antrag abgelehnt wurde. Über diesen hätte eine Arbeitsgruppe von Fachleuten eingesetzt werden sollen, die innovative Vergütungsvorschläge für die Vor-Ort-Apotheken entwickeln sollte. Auch alle seit 2004 hinzugekommenen Aufgaben, die bisher ohne Vergütung sind, hätten dort einfließen müssen. Eines habe Jens Spahn mit Recht immer wieder angemahnt, fügte Hoch an, nämlich, dass die Zukunftsfragen von den Apothekern oft unbeantwortet blieben. „Das sollte die Verantwortlichen doch endlich nachdenklich machen“, so ihr Appell an die ABDA.
„Geist geht nicht mehr zurück in die Flasche“
Der Apotheken- und Europarechts-Experte Prof. Dr. Hilko Meyer, Frankfurt, rekapitulierte die Geschichte der deutschen Rx-Versandhandelsregelung und die dabei ausgetauschten Gründe und Argumente. Aktuell müsse akzeptiert werden, so Meyer, dass der Trend auf dem Gebiet der Digitalisierung eindeutig in Richtung mehr Öffnung gehe. Davon zeuge der auf EU-Ebene in der Entwicklung befindliche „Digital Services Act“ ebenso wie der hohe Stellenwert der Digitalisierung im Koalitionsvertrag. „In einer Zeit, in der E-Commerce, Versandhandel, usw. eine viel größere Rolle spielen, kriegen wir den Geist nicht mehr in die Flasche“, sagte Meyer.
Plan A und Plan B für Rx-Versandverbot
Im Hinblick auf die verfahrene deutsche Situation bezüglich der Rx-Preisbindung und des Versandhandelsverbots skizzierte der Apothekenrechts-Experte die folgenden Szenarien: Viele Apotheker hielten an Plan A fest und wollen mit Blick auf den Koalitionsvertrag weiter für das Rx-Versandverbot im Arzneimittelgesetz (AMG) kämpfen, so Meyer. Die Chancen, das noch zu erreichen, sieht er 16 Jahre nach der Freigabe jedoch eher pessimistisch, das heißt sie gehen wortwörtlich „gleich Null“. Gleichwohl kann Meyer nach wie vor nicht nachvollziehen, warum das jahrzehntelang geforderte Verbot nur sieben Monate nach der Koalitionsvereinbarung von der ABDA-Spitze so „sang- und klanglos“ zugunsten Spahns Plan B, nämlich der Überführung der Preisbindung in das SGB V, beerdigt worden sei.
Zurück auf Anfang statt Plan B
Größere Chancen als Spahns „Plan B“ räumt Meyer einem neuerlichen Verfahren vor dem EuGH ein, um das bisherige System zu erhalten. Der Gerichtshof habe die Ablehnung seinerzeit sehr schwach begründet und die Sachlage selbst nicht geprüft, sondern lediglich festgestellt, dass die Gründe für die Geeignetheit des Versandverbotes für die Sicherstellung flächendeckender Versorgung „nicht dargetan“ worden seien. Seiner Einschätzung zufolge ist es durchaus möglich, diesen Beweis in einem neuen EuGH-Verfahren nachzuliefern. Meyer plädiert deshalb unter Berufung auf den Bundesgerichtshof für ein „Zurück auf Anfang“, wie es auch die offizielle ABDA-Stellungnahme an den Bundesrat tat.
Bisherige Argumente beim EuGH griffen zu kurz
Dabei müsste dann allerdings auch die Funktionsweise des gesamten deutschen Preisfestsetzungssystems mit all seinen Verästelungen ebenso wie die mannigfaltige Verflechtung des einheitlichen Apothekenabgabepreises mit den GKV-Regelungen und ihre Auswirkungen auf die bundesweite Arzneimittelversorgung juristisch und ökonomisch detailliert dargelegt werden, fordert Meyer. „Dass wir in Deutschland nach wie vor eine flächendeckende Versorgung haben, hängt zweifellos mit der Preisbindung zusammen“, betonte er. Die bisherigen Gutachten taugen nach seiner Ansicht dafür nicht, weil sie das Rx-Verbot zur einzigen Lösung erklären. Die im Entwurf des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) vorgetragenen Gründe für die Gleichpreisigkeit seien zwar ein Schritt in die richtige Richtung, der aber durch die Beschränkung auf GKV-Versicherte nicht kohärent sei.
Kann das VOASG die Gleichpreisigkeit sicherstellen?
Im Hinblick auf Spahns Begründung für die Verweigerung des Rx-Versandverbots muss sich das VOASG nach Meyers Meinung daran messen lassen, ob die Gleichpreisigkeit damit sichergestellt werden kann. Die werde jedoch nur noch teilweise angestrebt und sei daher europarechtlich angreifbarer als die bisherige Regelung, gab er zu bedenken. Insofern sei den Apotheken damit keineswegs geholfen. Im Übrigen warnt der Apothekenrechts-Experte davor, dass die Begleitregelungen des VOASG zur Einführung des E-Rezepts, wie etwa das Makelverbot, zu spät kommen könnten. Sie sollten deshalb vorgezogen werden.
Außerdem seien die derzeitigen Formulierungen für den Schutz der Vor-Ort-Apotheken viel zu ungenau. Zusätzlich zu der von der ABDA geforderten Ausdehnung des Makelverbots auf Dritte müssten spezielle Regelungen für die Internetplattformen und ihre Betreiber erlassen werden, um das organisierte Makeln durch gewerbliche, aber auch durch private Nutzer zu verhindern. Er empfiehlt deshalb mit Nachdruck, ganz genau auf die Konditionen und den Regelungsumfang des VOASG zu achten. Im Übrigen plädiert Meyer vehement dafür, die Arzneimittelpreisverordnung, sollte sie letztendlich doch im Sozialrecht verankert werden, dort auch vollumfänglich umzusetzen. Die Anwendung auf den PKV-Bereich, der mit dem Erstattungsbetrag bereits in das SGB V integriert sei, wäre für ihn in jedem Fall ein „Muss“. |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.