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Arzneimittel und Therapie
Besser nicht verzehren!
Bundesinstitut für Risikobewertung warnt erneut vor Rotschimmelreisprodukten
Rotschimmelreis, auch Rotreis oder Red Yeast Rice (RYR) genannt, entsteht, wenn gekochter weißer Reis mit Monascus-Schimmelpilzen vergoren wird. In China wird er traditionell nicht nur zum Färben, Aromatisieren und Konservieren von Lebensmitteln, sondern auch in der Medizin verwendet. Im Gärprozess entstehen verschiedene Stoffe, die pharmakologische Wirkungen entfalten können. Unter ihnen sind auch Monakoline – insbesondere Monakolin K. Die Substanz ist in ihrer Laktonform chemisch identisch mit Lovastatin und daher potenziell mit den gleichen Interaktionen und Nebenwirkungen verbunden. Letztere können unter anderem Magen-Darm-Beschwerden, Muskelstörungen bis hin zur Rhabdomyolyse sowie Leberschäden sein.
Das BfR hatte bereits in den Jahren 2010 und 2014 Rotschimmelreispräparate mit einer empfohlenen Tagesdosis von 3 mg bzw. 10 mg Monakolin negativ beurteilt. Aufgrund einer neuen Metaanalyse wurde das Bundesinstitut jetzt um erneute Stellungnahme gebeten.
Neue Daten ...
In dieser Metaanalyse hatten sich Fogacci et al. mit der Verträglichkeit und Sicherheit von Rotschimmelreisprodukten beschäftigt. Dazu werteten sie die Daten von 53 kontrollierten klinischen Studien aus, in denen insgesamt 4437 Patienten mit Hypercholesterolämie ein Rotschimmelreisprodukt und 4303 Patienten ein Placebo oder ein aktives Vergleichspräparat erhalten hatten. Primärer Endpunkt war das Auftreten von muskuloskelettalen Störungen. Darüber hinaus wurden auch nichtmuskuloskelettale und schwerwiegende unerwünschte Wirkungen analysiert. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass die Anwendung von Rotschimmelreispräparaten als Nahrungsergänzungsmittel sicher sei und entsprechende Präparate als cholesterolsenkende Maßnahme bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko und Statin-Intoleranz genutzt werden könnten.
... mit geringer Aussagekraft
Das BfR sieht die Analyse kritisch und zeigt in der nun veröffentlichten Stellungnahme einige Schwachstellen auf. So stammt der Großteil der von Fogacci et al. verwendeten Daten aus einer chinesischen Studie, die an Patienten mit einem zurückliegenden Myokardinfarkt durchgeführt wurde. In dieser Studie, wie auch in etlichen weiteren in der Metaanalyse berücksichtigten Studien, waren Patienten mit gestörter Leber- oder Nierenfunktion von der Teilnahme ausgeschlossen. Patienten also, die eventuell besonders anfällig für Nebenwirkungen sind. Zudem standen die Teilnehmer während der Einnahme unter ärztlicher Aufsicht. Da Rotschimmelreispräparate als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden, ist dies in der Praxis eher selten der Fall. Allgemein sehen sowohl das BfR als auch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) diese mangelnde ärztliche Kontrolle als problematisch an. Im Gegensatz zu verschreibungspflichtigen Lovastatin-Präparaten kann sich der Patient Rotschimmelreisprodukte einfach selbst besorgen – ohne Beratung, Monitoring oder Abklärung der vielfältigen Kontraindikationen (z. B. Schwangerschaft, Leberfunktionsstörungen oder Myopathien).
Mangelnde Standardisierung
Ein weiterer großer Kritikpunkt ist die mangelnde Standardisierung der Produkte. Zum einen sind die Verzehrsempfehlungen sehr unterschiedlich: Bei den von der EFSA betrachteten Präparaten lagen sie zwischen 2 mg und 48 mg Monakolin K täglich. Zum anderen enthalten die meisten Rotschimmelreispräparate neben Monakolin K noch weitere meist pflanzliche Bestandteile, die die Wirkung und die Bioverfügbarkeit beeinflussen können. Citrinin, ein Nebenprodukt der Fermentation, hat zudem nephrotoxische, mutagene und reproduktionstoxische Wirkungen. Der Höchstgehalt für Citrinin in Nahrungsergänzungsmitteln mit rot fermentiertem Reis wird daher ab April dieses Jahres von 2000 µg/kg auf 100 µg/kg gesenkt.
Prof. Dr. Martin Smollich, Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, hatte sich Ende 2018 mit dem Risikopotenzial von Rotschimmelreisprodukten beschäftigt und in deren Einsatz ein unkalkulierbares Gesundheitsrisiko gesehen. Seinen Artikel finden Sie in DAZ 2018, Nr. 45, S. 38.
Sicherheit schwer zu beurteilen
Die Studienlage zur Sicherheit und Verträglichkeit von Rotschimmelreisprodukten ist insgesamt verbesserungswürdig. Viele Studien berichten nicht oder nur mangelhaft über aufgetretene Nebenwirkungen. Häufig liegt der Fokus stattdessen auf dem Nachweis der Wirksamkeit, und die Studiendesigns sind nicht auf die Beurteilung der Sicherheit ausgelegt. Stattdessen gehen Einschätzungen zum Risikoprofil von Rotschimmelreisprodukten hauptsächlich auf Fallberichte zurück. Weitere gezielte Langzeitstudien wären nötig, um die Verträglichkeit systematisch beurteilen zu können.
Nur unter ärztlicher Aufsicht
Vor diesem Hintergrund empfiehlt das BfR, Nahrungsergänzungsmittel mit Rotschimmelreis nicht zu verzehren. Wenn überhaupt sollten entsprechende Präparate so wie Statine nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden. Ärzte, die von der Einnahme dieser Produkte durch ihre Patienten erfahren, sollten durch entsprechende klinische und laborchemische Kontrollen mögliche Nebenwirkungen und Organstörungen (vor allem von Leber und Nieren) im Auge behalten. Da die Präparate als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden, fehlen adäquate Warnungen oder Anwendungshinweise meist. Hier ist es die Aufgabe von Ärzten und Apothekern, über die Risiken von Rotschimmelreisprodukten und die Symptome von Toxizität aufzuklären und Patienten verständlich zu machen, dass es sich nicht um eine harmlose Alternative zu den etablierten Statinen handelt. |
Literatur
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Cholesterinsenkung mit Folgen: Nahrungsergänzungsmittel mit Rotschimmelreis nur nach ärztlicher Rücksprache einnehmen. Stellungnahme Nr. 003/2020 des BfR vom 15. Januar 2020; doi:10.17590/20200115-120729. www.bfr.bund.de
Fogacci F et al. Safety of red yeast rice supplementation: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Pharmacol Res 2019;143:1-16
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