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- DAZ 51/2020
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Arzneimittel und Therapie
„Weniger muskuläre Beschwerden als unter Statinen“
Ein Gastkommentar zum neuen LDL-Cholesterol-Senker Bempedoinsäure
Die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (2019) zur Diagnostik und Therapie der Fettstoffwechselstörungen fokussieren sich ausgehend von der Einschätzung des kardiovaskulären Gesamtrisikos auf die Modifikation des lipidbezogenen kardiovaskulären Risikos. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko bilden Änderungen des Lebensstils (Ernährung, Steigerung der körperlichen Aktivität, Gewichtsoptimierung, Nikotinkarenz) und die Einstellung von Hypertonie und Diabetes die Basis. Bei den Fettstoffwechselstörungen nimmt die Korrektur von erhöhten LDL-Cholesterol-Werten die zentrale Rolle ein. Abhängig von der individuellen Risikokonstellation werden die Patienten dabei einer der vier Risikokategorien (niedriges - moderates - hohes - sehr hohes Risiko) zugeordnet, für die die Leitlinien Zielwerte von LDL-Cholesterol vorgeben.
Die Pharmakotherapie der Hypercholesterolämie erfolgt nach einem Stufenschema: Nach Festlegung des individuellen Zielwerts wird dem Patienten ein hochpotentes Statin (d. h. in der Regel Atorvastatin oder Rosuvastatin) in hoher (möglichst höchster zugelassener) Dosierung verordnet. Erreicht der Patient seinen Zielwert nicht, sollte Ezetimib zum Statin hinzugefügt werden. In der nächsten Eskalationsstufe werden dann PCSK9(Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9)-Antikörper vorgeschlagen, von denen derzeit in Deutschland nur Evolocumab (Repatha®)im Handel ist. Bei der Verordnung von PCSK9-Antikörpern müssen aufgrund der hohen Therapiekosten die in einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) festgelegten Rahmenbedingungen beachtet werden. Wenngleich Statine im Allgemeinen gut vertragen werden, haben sie einige spezifische Nebenwirkungen, unter denen eine Myopathie die klinisch relevanteste unerwünschte Wirkung ist. In Anwendungsbeobachtungen geben bis zu 20% der mit Statinen behandelten Patienten Muskelbeschwerden an. In einer im November 2020 beim Kongress der American Heart Association vorgestellten Studie (SAMSON-Studie) traten 90% der von den Patienten als statinassoziiert verspürten Nebenwirkungen auch unter Placebo auf. Dieser Nocebo-Effekt hat jedoch deutlich nachweisbare negative Effekte auf die Adhärenz der Patienten zur Statin-Therapie.
Zur Primär- und Sekundärprävention geeignet
Von daher stellt die Zulassung von Bempedoinsäure für die Sekundär- aber auch die Primärprävention atherosklerotisch bedingter kardiovaskulärer Ereignisse für den behandelnden Arzt eine neue Therapieoption dar. Das pharmakologisch unwirksame Prodrug Bempedoinsäure muss in der Zelle durch die sehr langkettige Acyl-CoA-Synthetase 1 (ACSVL1) in den wirksamen Metaboliten ETC002-CoA umgewandelt werden (siehe Abb. 1). Dieses Enzym ist nur in der Leberzelle und nicht in der Skelettmuskelzelle vorhanden, weshalb muskuläre Beschwerden unter Bempedoinsäure weniger häufig als unter Statinen auftreten.
Für welche Patienten stellt nun der neue Lipidsenker in der Therapie der Hypercholesterolämie eine Option dar? Da praktisch alle Statine und auch Ezetimib inzwischen sehr preisgünstig als Generika zur Verfügung stehen, bilden diese nach dem oben dargestellten Algorithmus, ihrer guten Wirksamkeit und der umfassenden klinischen Studienlage die Basis der Therapie. Bempedoinsäure wird vor allen Dingen für die Patienten verordnet werden, die Statine nicht oder nur in so niedrigen Dosierungen vertragen, dass die in den Leitlinien vorgegebenen LDL-Cholesterol-Zielwerte nicht erreicht werden. Das bedeutet, dass Bempedoinsäure zusätzlich zur maximal verträglichen Statindosis oder bei absoluter Statin-Unverträglichkeit bevorzugt in Fixkombination mit Ezetimib verordnet werden wird. Dem behandelnden Arzt steht damit im Therapiealgorithmus der Behandlung der Hypercholesterolämie eine neue Option vor dem Einsatz der PCSK9-Antikörper zur Verfügung. |
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