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Beratungswissen zu Z-Substanzen und Benzodiazepinen
Diazepam, Lorazepam und Midazolam sind in der „Liste der unentbehrlichen Medikamente“ (Essential Medicines) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter palliativer Medizin und Epilepsietherapeutika gelistet [1]. Benzodiazepine besitzen ein breites therapeutisches Fenster und weisen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch eine gute Verträglichkeit auf. Aufgrund des Missbrauchspotenzials unterliegen in Deutschland alle auf dem Markt befindlichen Benzodiazepine und auch Zolpidem dem Betäubungsmittelgesetz. Verschrieben werden können Benzodiazepine jedoch bis zu einer definierten Dosierung als ausgenommene Zubereitungen auf normalen Rezeptformularen. Eine Ausnahme gilt für Flunitrazepam (Rohypnol®, Roofie), das in Deutschland wegen des hohen Missbrauchpotenzials seit 2011 nur noch auf Betäubungsmittelrezepten verordnet werden kann. Die Gesamtzahl der Verschreibungen der Benzodiazepine und der Z-Substanzen ging tendenziell über die letzten Jahre zurück. Im Jahr 2018 wurden ca. 163 Mio. definierte Tagesdosen Benzodiazepine und Analoga zulasten der GKV verschrieben [2].
Das GABA-System – Wirkort der Benzodiazepine
Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ist neben Glycin der wichtigste inhibitorische Neurotransmitter im Gehirn. Sie entfaltet ihre Wirkung entweder über die Aktivierung der Ligand-gesteuerten Ionenkanäle, also die ionotropen GABAA-Rezeptoren, oder durch die Bindung an die metabotropen Gi-Protein-gekoppelten GABAB-Rezeptoren [3]. Durch Aktivierung der GABAA-Rezeptoren auf postsynaptischen Zellen kommt es zum Einstrom von Chlorid-Ionen in die Zelle und damit zur Hyperpolarisation der Zelle. Dadurch wird die Erregbarkeit der Zelle herabgesetzt. GABAA-Rezeptoren sind aus fünf Untereinheiten zusammengesetzte Transmembranproteine, die in der Mitte einen porenartigen Kanal bilden (Abb. 1). In den meisten Fällen bestehen sie aus zwei α-, zwei β- und einer γ-Untereinheit. Insgesamt sind 19 unterschiedliche Untereinheiten (α1-6, β1-3, γ1-3, δ, ε, θ, π und ρ1-3) identifiziert worden. Jede Untereinheit besitzt vier transmembranäre Domänen (M1 bis M4). Die M2-Domänen aller fünf Untereinheiten des Proteins bilden den Chlorid-Kanal [3]. Nach der Zusammensetzung und Lokalisation kann man die GABAA-Rezeptoren in zwei Gruppen einteilen [4]: α1-haltige Benzodiazepin-1(BZ1)-Rezeptoren, die ca. 60% der GABAA-Rezeptoren ausmachen, und BZ2-Rezeptoren, bestehend aus α2-, α3- und α5-Untereinheiten. BZ1-Rezeptoren befinden sich überwiegend in Kleinhirn, Thalamus und Cortex und vermitteln amnestische und sedierende Wirkungen der Benzodiazepine, während BZ2-Rezeptoren großteils im limbischen System, Rückenmark und Cortex lokalisiert und für die anxiolytische und die muskelrelaxierende Wirkung verantwortlich sind. Beide Subtypen tragen zur Anhebung der Erregungsschwelle und damit zur antiepileptischen Wirkung bei[5]. An dieser Stelle muss auf Zolpidem, Zopiclon und das in Deutschland seit 2010 nicht mehr erhältliche Zaleplon verwiesen werden. Diese Z-Substanzen sind selektive BZ1-Rezeptoragonisten und haben in niedriger Dosierung eine ausgeprägte hypnotische Wirkung, erst in höherer Dosierung zeigen sie antiepileptische und anxiolytische Effekte. Die klassischen Benzodiazepine weisen nur wenig Selektivität auf. Daher haben sie generell ähnliche Wirkungs- und Nebenwirkungsprofile. Weder die klassischen Benzodiazepine noch die Z-Substanzen können GABAA-Rezeptoren mit α4- und α6-Untereinheiten aktivieren [5].
Interessanterweise weisen einige GABAA-Rezeptoragonisten neuroprotektive Eigenschaften auf. Im Tiermodell reduziert unter anderem Diazepam die Degeneration der Neuronen nach einem ischämischen Ereignis. Außerdem soll die Aktivierung des GABAA-Rezeptors durch Taurin und Muscimol vor der Bildung sowie der Ablagerung des neurotoxischen Peptids Beta-Amyloid schützen [6]. Allerdings wurde inzwischen in einer Fall-Kontroll-Studie eine Korrelation zwischen der Häufigkeit einer Alzheimer-Erkrankung und der Verwendung von Benzodiazepinen festgestellt {7].
Wie Benzodiazepine mit GABAA interagieren
Benzodiazepine wie Diazepam, Lorazepam, Alprazolam und die Z-Substanzen Zolpidem und Zopiclon verstärken die inhibitorische Wirkung der GABA durch das Binden an der Schnittstelle zwischen α- und γ-Untereinheiten des GABAA-Rezeptors, während GABA selbst an beide α/β-Schnittstellen bindet. Aus diesem Grund werden sie pharmakologisch korrekt als positive allosterische Modulatoren bezeichnet, in der Literatur wird jedoch häufig von „Benzodiazepinrezeptor-Agonisten“ gesprochen. Ein positiver allosterischer Modulator bindet an einer anderen Bindungsstelle als der physiologische Ligand und kann die Konformation des GABAA-Rezeptors verändern. Benzodiazepine erhöhen die Frequenz der Kanalöffnung und verstärken so den Chlorid-Einstrom in die Zelle. Dadurch wird die Sensibilität der GABAA-Rezeptoren gegenüber GABA verstärkt. Ohne GABA können Benzodiazepine den GABAA-Rezeptor nicht aktivieren, die Wirkung von Benzodiazepinrezeptor-Agonisten kann auch nicht über die durch GABA induzierte Wirkung hinausgehen. Benzodiazepine besitzen eine aktivitätsabhängige Wirkung, das heißt, schwache Transmitterreize werden mehr verstärkt als ein bereits starker Reiz. Weitere allosterische GABAA-Rezeptor-Modulatoren sind z. B. Neurosteroide, Narkotika und auch Ethanol. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die Barbiturate. Sie können in hoher Konzentration den GABAA-Rezeptor auch ohne die Beteiligung von GABA aktivieren. Diese Eigenschaft bedingt die wesentlich höhere Toxizität dieser Substanzklasse [3]. Der „Benzodiazepin-Antagonist“ Flumazenil kann die Wirkungen von Benzodiazepinen bei Narkose oder Vergiftung aufheben, aber nicht die von GABA. Pharmakologisch korrekt ist Flumazenil als ein negativer Modulator an der Benzodiazepin-Bindungsstelle zu charakterisieren.
Die im Gehirn synthetisierten physiologischen Neurosteroide sind ebenfalls potente GABAA-Rezeptor-Modulatoren. Ein Beispiel hierfür ist Allopregnanolon, ein Progesteron-Metabolit und ein positiver allosterischer Modulator für GABAA-Rezeptoren. Allopregnanolon kann im Vergleich zu Benzodiazepinen auch GABAA-Rezeptoren mit α4- und/oder α6-Untereinheiten aktivieren und erhöht sowohl die Frequenz als auch die Dauer der Kanalöffnung [8].
Über die Effekte auf das autonom endokrine System ist bisher wenig bekannt. Auch wenn periphere Beeinflussungen auf einige endokrine Organe beschrieben sind (Pankreas: Induktion der Insulin-Freisetzung; männliche und weibliche Reproduktionsorgane: Regulation von Hormon-Freisetzungen; Nebennieren: Modulation der Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin, Reduktion plasmatischer Adrenocorticotropin-Spiegel; Immunsystem: Reduktion der Autoimmunität von T-Zellen) [9], scheint deren Bedeutung meist nicht klinisch relevant zu sein.
so war das
- Benzodiazepine weisen eine große therapeutische Breite und gute Verträglichkeit auf.
- Benzodiazepine unterliegen der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung und sind nur in Form von ausgenommenen Zubereitungen auf Normalrezept verordnungsfähig.
- Benzodiazepine binden an GABAA-Rezeptoren und verstärken die Wirkung der Gamma-Aminobuttersäure (GABA).
- Benzodiazepine sind positive allosterische Modulatoren am GABAA-Rezeptor, weil sie an einer anderen Stellen als der physiologische Ligand GABA binden.
- Die Benzodiazepin-Wirkung kann nicht über die GABA-induzierte Wirkung hinausgehen.
- Benzodiazepine wirken in niedriger Dosierung anxiolytisch und antiepileptisch.
- Benzodiazepine wirken in höherer Dosierung sedierend, hypnotisch und muskelrelaxierend.
- Benzodiazepine werden aufgrund ihrer pharmakokinetischen Eigenschaften in ultrakurz, kurz, mittellang und lang wirksame Substanzen eingeteilt.
- Zur Behandlung von EInschlafstörungen werden ultrakurz wirkende Benzodiazepine eingesetzt, bei Ein- und Durchschlafstörungen kurzwirksame.
- Benzodiazepine sind sehr lipophil und passieren daher sowohl die Blut-Hirn-Schranke als auch die Plazenta und lassen sich in der Muttermilch nachweisen.
- Benzodiazepine sind wegen der schnellen Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklungen nicht zur Dauertherapie geeignet.
- Beim Absetzen nach Langzeiteinnahme muss mit Reboundeffekten und Entzugssymptomen gerechnet werden.
- Wichtige Kontraindikationen sind akute oder schwere Atemfunktionsstörungen, depressive Erkrankungen und eine schwere Leberinsuffizienz.
- Wichtige Nebenwirkungen sind Atemdepression, Bewusstlosigkeit bis hin zum Koma, Schläfrigkeit, Sprachstörungen, Verwirrung, Konzentrationsschwäche, verlangsamte Reaktionen, motorische Störungen, Hüftfrakturen infolge erhöhter Sturzgefahr, Gedächtnisverlust (anterograde Amnesie) sowie paradoxe Wirkungen wie Aggression und Erregung.
Die Struktur der Benzodiazepine
Charakteristisch für die bei uns im Markt verfügbaren Benzodiazepine ist ein siebengliedriges Ringsystem mit zwei Stickstoffatomen, also ein 1,4-Diazepin-Ringsystem. Sie weisen meist das namensgebende 5-Aryl-benzo[e][1.4]diazepin-Grundgerüst auf. Das zusammengesetzte anellierte Ringsystem aus Benzen und hydriertem 1,4-Diazepin wird dann wieder neu durchnummeriert, sodass benachbart von der Anellierungsstelle die Stickstoff-Heteroatome die geringste Bezifferung mit den Positionen 1 und 4 erhalten. Selbst Clobazam, bei dem formal eine 1,5-Positionierung vorliegt, ist nomenklatorisch ein Benzo[b][1.4]diazepin-Derivat (Abb. 2). Ausnahme hier ist Brotizolam, bei dem ein bioisosteres Bromthienodiazepin-Derivat vorliegt. Eine exakte quantitative Struktur-Wirkungs-Beziehung ist wegen der vielfältigen Zusammensetzungsmöglichkeiten der Ionenkanäle nur begrenzt verfügbar. Im Allgemeinen gelten folgende Struktur-Wirkungs-Beziehungen: eine elektronenziehende Gruppe an 7-Position ist wichtig für die Erkennung der Bindungsstelle, während ein kleiner elektronziehender Substituent an der 2´-Position die Affinität zum Ionenkanal wesentlich verstärken kann. Beim Diazepin-2-on-Typ erhöht eine Methylgruppe an der 1-Position leicht die Lipophilie und die Bindungsstärke. Weitere Faktoren sind unter anderem die Größe, elektronische und sterische Effekte der Substituenten sowie die Lipophilie des Moleküls für die Pharmakodynamik [10, 11]. Hinzu kommen pharmakokinetische Effekte, die unter anderem Verteilung und Metabolisierung beeinflussen.
Die klinische Bedeutung
Die klassischen Benzodiazepine sind kaum subtypenselektiv. Sie wirken in niedriger Dosierung anxiolytisch und antiepileptisch, entfalten erst in höherer Dosierung die sedierenden, hypnotischen und muskelrelaxierenden Wirkungen [12]. Aufgrund ihrer pharmakokinetischen Eigenschaften kann man sie nach der Wirkdauer in vier Gruppen einteilen [13] (Tab. 1).
Liganden der Benzodiazepinrezeptoren | tmax[Stunden] | Halb-wertszeit [Stunden] | Hauptweg der Biotransformation und Eliminierung | aktive Metaboliten | aktive Metaboliten Halbwertszeit [Stunden] | Wirkdauer [Stunden] | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
lang wirksame Benzodiazepine | Diazepam | 1 | 20 bis 100 | Demethylierung zu Nordazepam, Oxazepam: CYP2C9, CYP2C19, CYP2B6, CYP3A4 und CYP3A5 Hydroxylierung zu Temazepam, Oxazepam: CYP3A4 und CYP2C19 Glucuronidierung | + | 5 bis 200 | > 48 |
Flurazepam | 1 bis 3 | 3 | Hydroxylierung zu Hydroxyethylflurazepam, Desalkylierung zu Desalkylflurazepam: CYP3A4 Glucuronidierung | + | 2 bis 130 | > 48 | |
mittellang wirksame Benzodiazepine | Clonazepam | 1 bis 4 | 30 bis 40 | Reduktion der Nitrogruppe: CYP3A4 N-Acetylierung | – | – | < 40 |
Flunitrazepam | 0,4 bis 2 | 16 bis 35 | Reduktion der Nitrogruppe, N-Desalkylierung CYP3A4 und CYP2C19 N-Acetylierung | – | – | < 40 | |
Nitrazepam | 0,5 bis 5 | 25 bis 30 | Reduktion der Nitrogruppe: CYP3A4 N-Acetylierung | – | – | < 35 | |
Bromazepam | 1 | 15 bis 28 | Hydroxylierung, Desalkylierung: CYP1A2 und CYP2D6 Glucuronidierung | – | < 30 | ||
Alprazolam | 1 bis 2 | 12 bis 15 | Hydroxylierung zu α-OH-Alprazolam: CYP3A4 und CYP3A5 Glucuronidierung | + | 12 bis 15 | < 30 | |
Lorazepam | 1 bis 2,5 | 12 bis 16 | Glucuronidierung | – | – | < 30 | |
kurz wirksame Benzodiazepin-Agonisten | Oxazepam | 1 bis 3 | 5 bis 15 | Glucuronidierung | – | – | < 15 |
Temazepam | 0,8 | 7 bis 11 | Glucuronidierung | – | – | < 20 | |
Lormetazepam | 1 bis 2 | 2 bis 10 | Glucuronidierung | – | – | < 15 | |
Brotizolam | 0,75 | 3 bis 8 | Hydroxylierung: CYP3A4 Glucuronidierung | – | – | < 10 | |
Zopiclon | 1,5 bis 2 | 2 bis 7 | N-Oxidierung zu Zopiclon-N-Oxid, N-Desmethylierung: CYP3A4 und CYP2C8 Glucuronidierung | + | 4,5 | < 10 | |
ultrakurz wirksame Benzodiazepin-Agonisten | Midazolam | 1 (oral) 0,5 (i. m./rektal) | 1,5 bis 2,5 | Hydroxylierung zu α-OH-Midazolam: CYP3A4 Glucuronidierung | + | < 1 | < 6 |
Triazolam | 0,65 bis 2,3 | 1,6 bis 4,6 | Hydroxylierung: CYP3A4 Glucuronidierung | – | – | < 6 | |
Zolpidem | 0,5 bis 3 | 2,4 | Hydroxylierung, CYP3A4, CYP2C9 und CYP1A2 Glucuronidierung | – | – | < 6 | |
Benzodiazepin-Antagonist | Flumazenil | (nur i. v.) | 0,6 bis 1,2 | Hydrolyse: hepatische Carboxylesterase zum Teil Glucuronidierung | – | – | |
Abk.: CYP: Cytochrom-P450-Enzyme, Glucuronidierung durch UDP-GT (Uridindiphosphat-Glucuronosyl-Transferase), N-Acetylierung durch N-Acetyltransferase |
In der Notfallmedizin oder der stationären Behandlung der Frühphase des Status epilepticus (in den ersten fünf bis zehn Minuten) gilt die i. v. Bolusgabe von einem mittellang bis lang wirksamen Benzodiazepin wie Lorazepam, Diazepam oder Clonazepam als Mittel der Wahl. Eine Dauerinfusion mit dem kurz wirksamen Midazolam ist ebenfalls möglich. Midazolam als bukkale und Diazepam als rektale Lösung ermöglichen die ambulante Behandlung anhaltender akuter Krampfanfälle bei Kindern und Jugendlichen durch betreuende Personen [14]. Für andere Formen der epileptischen Anfälle kommen Benzodiazepine oft als Zusatz- oder Ersatz-Medikation infrage [15]. Wegen der raschen Toleranzentwicklung sind Benzodiazepine nicht für die Dauertherapie geeignet.
Zahlreiche Benzodiazepine sind bei Angststörungen zugelassen. Trotz der hohen klinischen Evidenzgrade der Wirksamkeit und des raschen Wirkungseintritts sollen sie aber wegen der Suchtgefahr nur in Ausnahmefällen unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung als Alternative zur Standardtherapie unter anderem mit SSRI oder SSNRI eingesetzt werden. Bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen oder Kontraindikationen für die Standardtherapeutika können sie jedoch indiziert sein [16]. Von einer alleinigen Benzodiazepin-Therapie depressiver Patienten wird zudem dringend abgeraten, da so die depressive Symptomatik maskiert werden kann [17].
Als Hypnotika werden Benzodiazepine mit sehr kurzen Halbwertszeiten wie Triazolam und Midazolam bei Einschlafstörung eingesetzt. Brotizolam, Lormetazepam, Temazepam und die Z-Substanzen Zolpidem und Zopiclon haben eine Wirkdauer bis zu zehn Stunden, sie werden für die Kurzzeitbehandlung von Einschlaf- und Durchschlafstörungen empfohlen. Diazepam, Nitrazepam, Flurazepam und weitere Substanzen mit längerer Wirksamkeit sind nur als Schlafmittel geeignet, wenn die sedierende Wirkung auch tagsüber gewünscht ist [17]. Generell sind bei Schlafstörungen zunächst nicht medikamentöse Maßnahmen wie eine kognitive Verhaltenstherapie sinnvoll. Bei fehlendem Erfolg kommen neben Benzodiazepinen noch Antidepressiva wie Doxepin oder Antipsychotika wie Melperon und Pipamperon infrage [18]. Besonders bei älteren Patienten werden das atypische Neuroleptikum Quetiapin oder das Antidepressivum Mirtazapin off label eingesetzt. Die Schlafqualität und auch die Entgiftung von neurotoxischen Peptiden (z. B. Beta-Amyloid) sind unter Benzodiazepinen aufgrund des verringerten Tiefschlafs deutlich eingeschränkt. Zusätzlich können Hang-over-Effekte die Verkehrsfähigkeit der Patienten einschränken. Daher sind Benzodiazepine lediglich zur Kurzzeittherapie oder in besonderen Lebenssituationen als Schlafmittel angezeigt [19].
Weiterhin werden Benzodiazepine als Prämedikation vor diagnostischen oder operativen Eingriffen zur Analgosedierung wegen ihrer angstlösenden, sedierenden, amnestischen sowie krampflösenden Eigenschaften genutzt. Benzodiazepine wie Diazepam, Lorazepam und Chlordiazepoxid können zudem in der stationären Alkoholentzugsbehandlung zur akuten Bekämpfung der Entzugskrampfanfälle und Prävention von deliranten Zuständen eingesetzt werden [20]. Darüber hinaus ist Diazepam zur Behandlung eines erhöhten Muskeltonus und Tetanus zugelassen. Seit 2013 ruht die Zulassung von Tetrazepam aufgrund schwerwiegender Hautreaktionen. Somit steht in Deutschland kein Benzodiazepin mehr zur Behandlung schmerzreflektorischer Muskelverspannungen zur Verfügung. Nicht selten werden nach dramatischen Lebensereignissen (z. B. Vergewaltigung) anxiolytische Benzodiazepine wegen der amnestischen Begleiteffekte verordnet.
Im Off-Label-Use werden Benzodiazepine wie Lorazepam zudem bei besonderen Schizophrenie-Symptomen wie bei katatonen Symptomen bzw. ausgeprägter Erregung, Angst und Unruhe-Zuständen genutzt. Diazepam und Clonazepam werden für die symptomatische Behandlung des Stiff-Man-Syndroms empfohlen. Das Stiff-Man-Syndrom ist eine chronische, autoimmun-entzündliche Erkrankung des ZNS mit ausgeprägtem Muskeltonus und Spasmen [22].
Der Metabolismus der Benzodiazepine
Bis auf Midazolam und Flurazepam haben Benzodiazepine nach peroraler Gabe mit meist mehr als 90% recht hohe Bioverfügbarkeiten. Die maximalen Plasmakonzentrationen werden meist nach 0,5 bis 3 Stunden erreicht. Lebensmittel im Magen verlangsamen die Resorption deutlich. Nach der Resorption werden die Wirkstoffe rasch verteilt, die Verteilungshalbwertszeit liegt bei den meisten Benzodiazepinen bei weniger als 30 Minuten. Alle Substanzen dieser Klasse sind zu einem hohen Anteil an Plasmaproteine gebunden. Interaktionen zwischen Benzodiazepinen und anderen Arzneistoffen aufgrund der Verdrängung der Plasmaproteinbindung scheinen klinisch kaum relevant zu sein [23].
Die hohe Lipophilie der Benzodiazepine erleichtert auch ihre Passage durch die Blut-Hirn-Schranke. Plazenta und Muttermilch können demzufolge auch hohe Substanzkonzentrationen aufweisen. Stillende Mütter sollen bei wiederholter Gabe von Benzodiazepinen abstillen, Frauen in der Schwangerschaft sollen Arzneimittel dieser Klasse nur in dringendsten Ausnahmefällen verwenden.
Benzodiazepine werden hauptsächlich hepatisch durch Cytochrom-P450-Enzyme (CYP) metabolisiert (Tab. 2, Abb. 3). CYP3A4 ist bei der Reduktion der Nitrogruppe von z. B. Nitrazepam und Clonazepam involviert. CYP3A4 und CYP2C19 sind an der Demethylierung bzw. Hydroxylierung z. B. bei Diazepam und Midazolam beteiligt. CYP-Inhibitoren verlangsamen den Abbau von Benzodiazepinen und führen zur verstärkten Wirkung bei wiederholter Gabe oder sogar zu Intoxikationen. Bekannte Beispiele für CYP-Inhibitoren sind Grapefruitsaft, H2-Antihistaminika wie Cimetidin, Azolantimykotika wie Ketoconazol, Itraconazol oder Fluconazol, Makrolid-Antibiotika wie Clarithromycin und Erythromycin, HIV-Protease-Inhibitoren wie Ritonavir, Indinavir und Nelfinavir, Calciumkanal-Antagonisten wie Diltiazem und Verapamil, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Fluoxetin oder Protonenpumpeninhibitoren wie Omeprazol und Pantoprazol. Im Gegensatz zu diesen Arzneistoffen können CYP-Induktoren die Wirkung von Benzodiazepinen verringern. Bekannte und relevante Induktoren der CYP-Enzyme sind z. B. Antiepileptika wie Phenytoin, Carbamazepin, Phenobarbital und auch die antidepressiv wirkenden Johanniskraut-Extrakte.
Die weitere Metabolisierung übernehmen UDP-Glucuronyltransferasen. Sie konjugieren die Muttersubstanzen wie Lorazepam oder die Metaboliten nach der Hydroxylierung zu unwirksamen und gut wasserlöslichen Substanzen, die anschließend größtenteils renal ausgeschieden werden. Das Antiepileptikum Valproinsäure und das oft als Gichtmittel eingesetzte Urikosurikum Probenecid verlangsamen deutlich die Glucuronidierung und die entsprechende renale Eliminierung [17, 24].
Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Benzodiazepine besitzen ein breites therapeutisches Fenster und werden im Rahmen einer Kurzzeitbehandlung als sichere Arzneistoffe eingestuft [25]. In Kombination mit anderen zentraldämpfenden Wirkstoffen, insbesondere mit zentralwirksamen Opioiden, muss jedoch unter Umständen mit schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Atemdepression und Bewusstlosigkeit bis hin zum Koma gerechnet werden. Häufige unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind Schläfrigkeit, Sprachstörungen, Verwirrung, Konzentrationsschwäche, Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, verlangsamte Reaktionen, motorische Störungen, Hüftfrakturen infolge erhöhter Sturzgefahr, Gedächtnisverlust (anterograde Amnesie) sowie paradoxe Wirkungen wie Aggression und Erregung. Außerdem gibt es Hinweise, dass eine Benzodiazepin-Therapie mit einem erhöhten Risiko für Demenzerkrankungen assoziiert ist [7].
Bei schweren Lebererkrankungen muss in jedem Fall die Dosierung angepasst oder auf eine Benzodiazepin-Therapie verzichtet werden. Interaktionen über das CYP450-System lassen sich durch Auswahl von Substanzen mit ausschließlichem Phase-2-Metabolismus (z. B. Oxazepam, Lorazepam, Lormetazepam, Temazepam) umgehen. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion muss mit verlangsamter Ausscheidung und Kumulation gerechnet werden. Hohe Dosierungen sind bei älteren Patienten zu meiden, zum einen wegen eines im Alter reduzierten Plasmaprotein-Spiegels, zum anderen wegen eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion. Auch eine in höherem Alter oft vorliegende Polymedikation gebietet eine enge Indikationsstellung, verbunden mit niedrigen Dosierungen. Eine Dosisreduktion ist auch bei Asthmatikern und Patienten mit chronischen respiratorischen Erkrankungen wie COPD angezeigt.
Kontraindiziert sind Benzodiazepine bei Patienten mit Myasthenia gravis sowie spinaler und zerebellärer Ataxie. Bei ihnen ist die Sturz- und Frakturgefahr aufgrund der Muskelschwäche und der motorischen Störungen erhöht. Bei Alkohol- und Drogenabängigen sowie unter zentraldämpfender Medikation in der Anamnese sollten Benzodiazepine ebenfalls nicht angewendet werden. Weitere Kontraindikationen sind unter anderem akute oder schwere Atemfunktionsstörungen wie ein Schlafapnoe-Syndrom und Ateminsuffizienz, akute Vergiftungen mit Alkohol, Schlafmitteln, Schmerzmitteln und Psychopharmaka, depressive Erkrankungen und wie schon erwähnt eine schwere Leberinsuffizienz [17]. Auch wenn bei der Benzodiazepin-Anwendung in der Schwangerschaft nur bei der Komedikation mit Antidepressiva ein erhöhtes kongenitales Missbildungspotenzial festgestellt wurde, ist generell Vorsicht bei der Anwendung geboten [26].
Toleranzentwicklung, Abhängigkeit und Entzugssymptome
Benzodiazepine sind für keine Indikation als Langzeittherapie vorgesehen. Die Anwendungsdauer sollte zwei bis vier Wochen nicht überschreiten, da sich eine Toleranz selbst bei niedriger Dosierung rasch entwickeln kann. Die Mechanismen für diesen Prozess sind noch nicht ganz aufgeklärt. Diskutiert werden eine direkte Änderung, Internalisierung sowie Untergang der GABAA-Rezeptoren, aber auch eine Reduktion der Genexpression. Die Toleranzentwicklung tritt bezogen auf die verschiedenen Wirkungen zeitversetzt auf: Zuerst schwächt sich die sedierende Wirkung ab, später die antiepileptische. Auch eine kurzzeitige Anwendung mit hoher Dosierung kann zu Toleranzentwicklung führen (Abb. 1).
Nach einer Langzeiteinnahme muss mit Entzugssymptomen in Form von Rebound-Effekten gerechnet werden: Die zu behandelnden Symptome treten verstärkt wieder auf, unter anderem Schlafstörungen, Angstzustände, Halluzinationen, epileptische Anfälle oder ein Delir. Außerdem treten häufig Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Tremor, Schwitzen, Konzentrations- und Wahrnehmungsstörungen, Mundtrockenheit, Schwindel, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen und Depression auf [30]. Entzugssymptome sind auch nicht ausgeschlossen, wenn die Behandlung nur kurz war. Bei kurz wirksamen Benzodiazepinen können sich diese sogar nach einigen Tagen zwischen den Einnahmezeiten entwickeln [31]. Bei abruptem Absetzen nach langfristiger Anwendung oder hoher Dosierung lassen sich die Entzugssymptome in drei Phasen einteilen:
- Abhängig von der Halbwertszeit des Wirkstoffes können in der ersten Phase eine anfängliche Rebound-Schlafstörung und Angstzustände bis zu vier Tage dauern.
- In der zweiten Phase mit einer Dauer von bis zu zwei Wochen ist mit nahezu allen weiteren genannten Entzugssymptomen zu rechnen.
- Die dritte, über mehrere Monate andauernde Phase des Entzugs ist häufig von Angstzuständen und Schlafstörungen geprägt (Abb. 1) [32].
Zolpidem und Zopiclon zeigen in einigen Studien im Vergleich zu klassischen Benzodiazepinen eine etwas geringere Toleranzentwicklung. Mit Rebound-Effekten ist nach mehrmonatiger Anwendung auch in niedriger Dosierung zu rechnen. Mehrere Fallberichte deuten darauf hin, dass bei hochdosierter Anwendung über Jahre oder Anwendung bei Patienten mit Alkohol- oder Drogenabhängigkeit in der Vorgeschichte ausgeprägte Toleranz- und Abhängigkeitsphänomene auftreten können. Die Anwendung von Z-Substanzen ist also trotz des möglicherweise vergleichsweisen günstigeren Profils keinesfalls unproblematisch.
Die 5-K-Regel
Sowohl für Benzodiazepine als auch für die Z-Substanzen sollte die leitliniengerechte Behandlung der 5-K-Regel folgen:
- klare Indikation bei der Anwendung
- kleinste mögliche Dosierung
- kurze Behandlungsdauer
- kein abruptes Absetzen
- Kontraindikationen beachten
Je nach Dosierung, Dauer der Anwendung und Schweregrad der Entzugssymptome müssen solche Arzneimittel unter Aufsicht von Fachärzten und in speziellen Einrichtungen vorgenommen werden. Die Dosierung muss über vier bis acht Wochen Schritt für Schritt reduziert werden. Eine Umstellung auf ein mittellang wirksames Benzodiazepin kann dabei helfen. Der Benzodiazepin-Antagonist Flumazenil kann gegebenenfalls die Entzugssymptome lindern [30].
Bei akuter Überdosierung können Magenspülung und Aktivkohle die Resorption verringern. Auch hier kann Flumazenil beim Auftreten schwerer Symptome in Betracht gezogen werden. Die Überwachung und Aufrechterhaltung vitaler Funktionen sind essenziell [17].
Tipps für die Offizin
In der Apotheke werden Benzodiazepin- und Z-Substanz-Abhängigkeiten leider selten thematisiert. Man sollte sich jedoch dieses Problems bewusst sein. Im Verdachtsfall soll die Patientin/der Patient angesprochen und zum Absetzen in Zusammenarbeit mit dem verordnenden Arzt motiviert werden. Denn angesichts der möglichen schwerwiegenden Entzugssymptome bzw. Rebound-Effekte ist von einem Entzugs-Selbstversuch abzuraten. Für das Gespräch und die Beratung in der Apotheke kann das Infoblatt „Lippstädter Benzo-Check“ (www.lwl-kurzlink.de/benzo-check) für die Beratung hilfreich sein. Zu beachten ist auch, dass manche ältere Patientinnen und Patienten, die ein Rezept für Benzodiazepine in der Apotheke einlösen, rezeptfreie Schlafmittel zusätzlich nachfragen. Auch hier ist Aufklärung dringend erforderlich.
Arzneimittelwirkung | unerwünschte Arzneimittelwirkung | Kontraindikationen | |
---|---|---|---|
sensomotorisches System (vor allem über Cortex, Thalamus, Hirnstamm, Kleinhirn und Rückenmark) | Muskelrelaxation | zerebrale und spinale Ataxie, Schwäche, verlangsamte Reaktion, motorische Störungen und Störungen der Sinnesorgane | Myasthenia gravis, bestehende zerebrale oder spinale Ataxie |
Schlaf-wach-Funktion und Atemzentrum (vor allem über Hirnstamm) | hypnotisch, sedierend | Hang-over-Effekt, Schwindel, Schläfrigkeit, Bewusstseinstrübung, Atemdepression | Atemfunktionsstörung, Ateminsuffizienz, Missbrauch oder Vergiftung von zentraldämpfenden Drogen |
Emotions- und Lernzentrum im limbischen System (vor allem über Hippocampus, Amygdala) | anxiolytisch | anterograde Amnesie, emotionale Störungen, verändertes Sozialverhalten, Depression, Verwirrtheit, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen | depressive Erkrankung |
Ungeachtet dessen sind Benzodiazepinrezeptor-Agonisten, also Benzodiazepine und Z-Substanzen, aufgrund ihrer guten Wirksamkeit und ihres breiten therapeutischen Fensters bei mehreren Indikationen unverzichtbar. Tabelle 3 gibt eine kurze Übersicht zu Indikationen, unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Kontraindikationen. |
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